Downer

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Überall laufen Menschen mit hektischen Bewegungen umher. Ich hasse es durch den Bahnhof zu laufen. Überall ist Lärm und jeder läuft wo anders hin. Ich versuche so gut wie möglich an den vielen Menschen vorbei, zu meinem Gleis zu gehen. Der Zug hat natürlich mal wieder Verspätung.
Was will man auch von der Bahn erwarten. Ich laufe zum Ende des Bahnsteigs zu einer kleinen Treppe mit drei Stufen, die hinunter zu einer kleinen Fläche mit Rasen führt. Überall liegen Zigarettenstummel und anderer Müll herum. Ich krame ein Feuerzeug aus meiner Jackentasche und zünde mir die Zigarette an. Ich nehme einen tiefen Zug und lasse den Rauch empor steigen. In einiger Ferne sehe ich den Zug anrollen. Ich lasse die halb gerauchte Kippe aus meiner Hand fallen, und gehe zurück zum Bahnsteig. Der Zug hält und ich steige ein. Egal worauf ich mein Blick wende, überall sind Menschen. Ihre Blicke voller Vorwürfen und Verachtung, machen die Situation nicht gerade besser. Ich setze mich hin. Scheiße. Kalter Schweiß läuft meine Stirn hinunter. Hätte ich mir vorher nichts reingezogen, müsste ich jetzt nicht das Kommende ertragen. Mein Hautton verändert sich. Ich versuche mich zu konzentrieren, nicht aufzufallen. All zu schwierig dürfte das wohl nicht sein. Wer achtet heutzutage denn noch auf das, was um ihn herum passiert?
Solange kein Kontrolleur vorbei kommt, schenkt mir schon keiner auch nur einen Funken von Aufmerksamkeit. Zum Glück muss ich nur eine Station fahren. Länger würde ich das ganze wahrscheinlich auch nicht aushalten. Meine Wahrnehmung verändert sich. Meine Muskeln verkrampfen sich.
Meine Augen beginnen sich gelegentlich nach hinten zu rollen. Endlich. Der Zug hält an. Ich versuche irgendwie aus diesem Zug raus zu kommen. Ich setze einen Fuß vor den anderen, bis ich endlich frische Luft atmen kann. Ich zünde mir eine Zigarette an und gehe die Treppe hoch zur Straße. Etwas Orientierungslos verliere ich mich in meinem Rausch. Ich stehe einige Zeit da bis ich begreife, dass ich so schnell wie möglich hier weg muss.
Weg von den vielen vorbeifahrenden Autos. Weg von den ganzen Menschen. Wie schon einige Male zuvor biege ich rechts ab. Gehe die Straße hinunter, bis ich an der nächsten Abzweigung wieder rechts entlang gehe. Jetzt sind es vielleicht noch 200-300 Meter zu meinem Ziel. Doch der Weg kommt mir ewig lang vor. Überall kann ich nur schemenhaft Bewegungen erkennen. Ich bin drauf. Die einzelnen Bestandteile meines Gehirns scheinen sich von einander zu trennen, und in Richtung Himmel empor zu steigen. Ich sehe wie Verantwortung und logisches Denken am Horizont verschwinden. Ich sehe, wie meine Zukunft hinter dem Horizont verschwindet. Es kümmert mich nicht und das macht es erträglich. Mir fällt ein Zitat aus einem Film ein,

"Die Leute denken immer, dass das alles nur Elend, Verzweiflung und Tod und so'n Kack ist. Was man natürlich nicht alles so abstreiten kann. Aber was die immer vergessen ist, was für ein Spaß das alles macht. Sonst würden wir's doch nicht machen. Wir sind ja schließlich nicht bescheuert. Jedenfalls nicht ganz so bescheuert." - Renton über das Leben als Heroinkonsument.

Völlig gefangen in mir selbst merke ich gar nicht, dass ich schon vor der Tür stehe. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern wie ich dort hin gekommen bin. Ich versuche die Namen auf den Klingelschildern zu entziffern und drücke wohl aus Gewohnheit auf die richtige Klingel. Die Tür öffnet sich, und ich betrete das Treppenhaus. Egal wo man hin sieht, in diesem Teil der Stadt erblickt man nichts als fünf-stöckige Häuserblocks die sich aneinander reihen. Ich gehe die paar Stufen hinauf und wende mich nach links. Erdgeschoss. Erste Tür links. Dass ich mich daran noch erinnern kann grenzt an ein Wunder. Ich sehe wohl nicht all zu fit aus, denn die Person die in der Tür steht, wirft mir einen erschrockenen Blick zu. Kommentarlos nimmt sie meine Hand, und führt mich durch die Wohnung. Ich setze mich auf die Couch, und verschmelze mit der weichen Polsterung. Es läuft leise Musik im Hintergrund und es riecht nach Gras. Außer uns beiden ist niemand in der Wohnung. Nach einiger Zeit der Stille, nehme ich verschwommene Geräusche wahr, die sich mit etwas Konzentration in Worte verwandeln.

》Was hast du genommen?

Ich reagiere nicht direkt auf ihre Frage. Ich schaue ihr tief in die Augen und beginne sowas ähnliches wie Worte über meine Lippen zu bringen.

》Kannst du dich noch an das H und die Downer von letzter Woche erinnern? Ich hab' noch ein paar Reste davon in meiner Hosentasche gefunden.

Sie setzt sich neben mich auf die Couch und führt die Routinekontrollen durch. Sowas wie Puls fühlen etc.

》Scheiße Ryan, meintest du nicht nach dem letzten Mal, dass du dieses Zeug nie wieder anfassen würdest?

Sie macht mir keine Vorwürfe. Ihre Stimme klingt sanft und verständnisvoll. Ich antworte nicht auf ihre Frage.

》Bitte versprich mir eins Ryan, kein H mehr, okay?

Ich stimme ihr zu und sinke tiefer und tiefer in das Polster der Couch.

》Tut mir leid Zoey. Wirklich.

Sie wirft mir ein kurzes Lächeln zu und widmet sich dem kleinen Glastisch zu. Sie öffnet eine kleine Box die aussieht wie eine Schatztruhe. Sie wühlt darin herum, und holt ein kleines Fläschchen und eine Spritze heraus.

》Das war definitiv zu viel für dich. Du solltest dich erstmal etwas ausruhen.

Im nächsten Moment zieht sie die Spritze aus meinem Arm und löst den Gürtel. Sie läuft noch einige Male durch die Wohnung, bevor sie versucht mich irgendwie auf die Beine zu bringen. Sie führt mich zum Schlafzimmer und ich lege mich auf das Bett. Sie macht noch überall die Lichter aus und zieht die schwarzen Vorhänge zu. Sie legt sich neben mich auf das Bett und deckt uns beide zu. Ich drehe mich auf die Seite und lege meinen Kopf auf ihre Brust. Im nächsten Moment schlafe ich auch schon tief und fest.

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