Tag 20

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Gastón weiß nicht so Recht wie er sich Ramiro gegenüber verhalten soll.

Soll er ihn umarmen? Ein Küsschen auf die Wange? Einfach nur warm lächeln?

Außerdem muss er Ámbar und Simón noch davon erzählen. Er hat sich Gestern nach der Schule nicht mehr getraut. Und auf keinen Fall wollte er ihnen eine SMS schreiben.

Aufgeregt bindet er sich seine Sneaker zu und verlässt das Haus, noch bevor seine Mutter sich von ihm Verabschieden konnte.

Zur selben Zeit, geht die Tür beim blauen Haus auf und Matteo stolpert hinaus.

Er sieht müde aus, findet Gastón.

Seit dem Pipi-Vorfall haben beide nicht mehr miteinander gesprochen. Einerseits war Gastón froh darüber. Noch mehr Peinlichkeiten konnte er nicht ertragen.

Andererseits steht zwischen ihnen etwas, was unbedingt geklärt werden sollte.

Schließlich hatte Matteo ihm gestanden, dass er ihn liebte. Und jetzt war er auch noch mit Ramiro zusammen.

Vielleicht war ein Gespräch tatsächlich nicht unumgänglich.

Doch gerade als Gastón sich dazu entschließt auf die andere Straßenseite zu wechseln, um mit Matteo zu reden, fährt ein Auto den Asphalt hinunter und kommt neben dem Lockenkopf zum stehen.

Erst kann er nicht erkennen wer am Steuer sitzt, allerdings wird ihm nach wenigen Augenblicken klar, dass es sich dabei um Delfi handelt.

Beide gehen in den selben Englischkurs, haben aber nur wenige Worte miteinander gewechselt.

Matteo öffnet die Tür und sieht noch einmal über das Autodach hinweg. Die Augen der beiden Jungen treffen sich, dann steigt der Ältere in den Wagen und sie fahren in Richtung Schule.

Seufzend rückt Gastón seinen Rucksack zurecht und bestreitet den Weg zu Fuß.

***

Gastón betritt das Schulgelände und sofort fällt ihm, dass Auto auf. Interessiert schaut er hinüber, wird aber durch zwei plötzlich auftauchende Hände unterbrochen.

"Hey Baby"Ramiros tiefe Stimme kommt zum Vorschein und lässt ihm einen Schauer über den Rücken jagen.

Aber es ist mehr dieses Baby was ihn so fertig macht.  Ja, das fühlt sich gut an.

"Hallo"er dreht sich in den Armen seines Freundes und ist unsicher darüber, was er jetzt am besten tun soll.

Das ist gar nicht so einfach einen Freund zu haben.

Ramiro ist sich seiner Sache allerdings sehr Bewusst und drückt Gastón in eine Umarmung.

"Ich habe dich vermisst"flüstert Ramiro und löst sich wieder.

Was sollte er erwidern? Ich habe dich auch vermisst?

Er sagt nichts und belässt es dabei.

Stattdessen gehen beide in das Innere der Schule und treffen auf Ámbar und Simón.

Sie sehen nicht wütend aus, aber man merkt ihnen an, dass sie enttäuscht sind.

Gastón beißt sich fest auf die Unterlippe und bittet Ramiro leise, doch schon einmal zum Klassenraum zu gehen.

"Wann hattest du uns vor davon zu erzählen?"schnaubt Ámbar und schließt Gastón unerwartet in eine Umarmung.

So viel Liebe heute.

"Aber woher wisst ihr...?"Gastón ist verwirrt. Natürlich weiß er, dass sie gestern nicht allein auf diesem Gang waren, aber es haben doch nur diese Schüler mitbekommen, oder?

"Die ganze Schule weiß es Gastón."

"Oh"

Da fällt ihm Matteo wieder ein? Er weiß es also bestimmt auch.

"Komm es hat geklingelt"die Blondhaarige zieht ihren besten Freund hinter sich her und schiebt ihn in den Klassenraum.

***

"Sollen wir uns heute Nachmittag vielleicht treffen?"Ramiro hat sich gegen Gastón's Lieblingsmauer gelehnt und sieht auf seinen Freund hinab.

"Ich kann nicht"gibt Gastón zu und spielt mit seinen kleinen Fingern.

"Was hast du denn vor?"

"Dinge"murmelt er leise und fängt an an einem Faden zu ziehen, der an seinem Pullover hängt.

"Dinge? Gastón, wir sind jetzt zusammen und da hat man keine Geheimnisse voreinander."der Lockenkopf stellt sich Gastón gegenüber und nimmt dessen Finger."Erzählst du mir, weshalb wir uns heute nicht sehen können?"

Gastón schüttelt den Kopf. Ramiro seufzt.

"Gut, ich muss noch etwas in der Bücherei besorgen. Wir sehen uns dann morgen"Ramiro gibt Gastón eine flüchtige Umarmung und rennt dann quer über den Platz zum Schulgebäude.

So hatte sich Gastón nicht vorgestellt. Wieso rennt Ramiro immer weg? War er nun doch nicht mehr gut genug für ihn?

Ihm sickert eine Träne die Wange hinunter und landet auf dem Betonboden.

Die Pause dauert noch zehn Minuten. Soll er reingehen? Ambár in der Cafeteria suchen? Simón auf dem Basketballplatz?

Vielleicht geht dann die Zeit schneller um. Denn Gastón will unbedingt nach Hause. Er fühlt sich unwohl und will am liebsten diesen hässlichen orangenen Nagellack von seinen Fingern kratzen und ein hellblauen auftragen. Und dann würde er...

"Geht es dir gut?"Gastón hebt den Kopf und blickt in die tiefbraunen Augen von Matteo.

Jetzt wäre seine Chance mit ihm zu reden.

"I-ch...Ich bin...Ich bin"Gastón schafft es nicht.

Matteo kann jedoch erahnen was ihm Gastón da gerade erzählen möchte und gibt ihm einfach eine Umarmung.

Das ist wirklich sehr viel Liebe heute.

"Ich weiß es"seufzt Matteo und legt sein Gesicht in die Halsbeuge seiner Liebe.

"Findest du...findest du...mich...eklig?"schnieft Gastón und verliert eine weitere, eigentlich überflüssige, Träne.

"Was? Wie kommst du denn darauf?"Matteo nimmt Gastóns Gesicht in seine Hände und wischt mit den Daumen über die zarten Wangen.

Am liebsten will Gastón es nicht aussprechen. Es ist doch so peinlich.

"Pipi"sagt er lediglich und traut sich nicht in die Augen seines Gegenübers zu schauen.

"Sowas passiert. Ist doch nicht schlimm"

"Nicht schlimm?"

"Nein, aber sag mal. Passiert sowas öfter?"Matteo streicht beruhigend über Gastóns Schulter und sieht ihm fest in die Augen.

Gastón schweigt. Manchmal kann er den Urin nicht zurückhalten. Und wenn es dann sein Bein hinunterfließt, ist dass einzige Wort welches dieses Gefühl beschreiben kann: Schön

"Manchmal"traut Gastón sich lediglich zu sagen.

"Okay. Das ist okay schätze ich"versucht Matteo ihn besser fühlen zu lassen und sieht kurz auf die Uhr an seinem Handgelenk."Der Unterricht fängt an, wir sollten reingehen. Ich will dir nur sagen, dass...egal was ist. Ich da sein werde"

Am liebsten würde Matteo Gastón die ganze Wahrheit erzählen. Einfach alles. Aber er hat Angst, dass Gastón ihm nicht glauben könnte.

Doch vor allem befürchtet er das sein unschuldiger Junge die Wahrheit nicht verkraften könnte. Und deshalb bleibt er Still.

"Danke"flüstert Gastón und ist überwältigt davon, wie fürsorglich Matteo ist, obwohl dieser eigentlich sauer auf ihn sein sollte.

Also entschließt er sich etwas zu fragen, was er zuvor für unmöglich gehalten hat.

"Kommst du mit mir meinen Papa besuchen?"

rose boy | gastteo Onde histórias criam vida. Descubra agora