Kapitel 1

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Eine weitere Träne floss dem jungen Dämon über seine entstellte Wange, während er dabei zu sah, wie seine Familie am Abendtisch saß und sich fröhlich unterhielt, als wäre ihr ach so geliebter Sohn und Bruder nicht vor kurzer Zeit verstorben. Der Stuhl, auf dem er vor paar Monaten noch jeden Tag gesessen hatte, um mit ihnen zu Abend zu essen, wurde von dem neuen Freund seiner Schwester besetzt. Niemand scherte sich um den Tod des Jungens und sie ignorierten den Fakt, dass eine Person an diesem Tisch fehlte.

Der junge Dämon wischte sich die heiße Träne unter seinem Auge weg und achtete darauf, dass er die zerbrochene und fehlende Haut nicht berührte. Er ekelte sich vor seinem entstellten Gesicht und wollte es auf keinen Fall berühren oder sehen. Es erinnerte ihn daran, dass er seine Seele an den Teufel verkauft hatte, damit sein ach so toller Freund weiterleben durfte.

Wenn er gewusst hätte, dass sein Freund ihn nach seinem Tod so hintergehen würde. Dann hätte er ihn elendig krepieren lassen. Er hasste den Jungen, für den er sein Leben gelassen hatte und nun als Halbtoter durch diese Welt laufen musste. Nach wenigen Wochen hatte der Junge seinen verstorbenen Freund vergessen und war in sein altes Muster verfallen.

Der Dämon konnte nicht fassen, dass er von seiner ‚großen' Liebe so belogen wurde. Er hatte ihm versprochen ein besserer Mensch zu werden. Er bereute es, nicht auf Gott gehört und diesen gottverlassenen Bastard gerettet zu haben. Er fühlte sich schmutzig, elendig und erbärmlich.

War er so geblendet von der Liebe? War er tatsächlich so naiv gewesen und hatte geglaubt, dass er diesen gottlosen Hurensohn ändern könnte? Gott selbst wusste, wie naiv die kleine Seele war. Doch konnte nicht anderes tun, als dabei zu sehen. Leider realisierte die Seele erst jetzt, wie dumm sein Verhalten war.

„Warum weinst du ihnen schon wieder hinterher? Sie haben deine Tränen nicht verdient, Taehyung. Siehst du denn nicht, dass sie dich schon längst vergessen haben?", fragte ihn der ehemalige Erzengel Lucifer seufzend, der hinter ihm erschienen ist, um nachzuschauen, ob der junge Dämon keinen Mist baute.

Da Taehyung sich gegen Gottes Wort entschieden hatte, wandte er sich an den Teufel und verkaufte seine Seele an ihn, um seine Liebe zu retten.

Der Angesprochene drehte sich zu seinem einzigen Gesprächspartner hin, wobei die kochenden Wassertropfen nicht aufhörten über seine Wange und sichtbaren Zähne zu laufen. Ihm fehlte ein riesiges Stück seiner linken Wange, welches sein Gebiss verdecken sollte.

„Es schmerzt. Ich hätte nie erahnen können, dass die Menschen, die ich einst so sehr liebte, mir erbarmungslos ein Messer in den Rücken rammen und meine Existenz auslöschen würden – in so einer kurzen Zeit", antwortete der junge Dämon und schloss seine orangen glühenden Augen, um die heißen Tränen, die auf seiner Haut schmerzten, aufzuhalten.

Lucifer sah ihn an und schüttelte schweigend den Kopf. Seit dem er Taehyung zu sich holen musste, weinte dieser pausenlos. Darum hasste er Menschen vom ganzen Herzen. Der junge Dämon gab seinen Platz als Engel auf, um einen anderen Menschen zu retten, der es überhaupt nicht verdient hatte. Er verstand es nicht, wieso die Menschheit aus Liebe so ein großes Opfer bringen würden. Der Weinende gehörte hier nicht her. Taehyung sollte bei seinem Vater dem Herrn sein und seinen Frieden finden, jedoch ist es zu spät. Die Entscheidungen wurden schon lange getroffen und konnten nicht rückgängig gemacht werden.

„Du könntest dich doch rächen. Es ist dir gestattet, dich in der Menschenwelt sichtbar zu machen und alles tun zu können, was du möchtest", schlug er dem Dämon vor, doch dieser sah ihn in der nächsten Sekunde durch seine glühenden Augen an.

„Ist das dein Ernst? Sieh mich doch mal an! Ich sehe wie ein Monster aus! Wie soll ich mich bei jemanden rächen, wenn ich mir nicht mal selbst ins Gesicht schauen kann? Wie stellst du dir das vor?", rief der kleine Dämon aufgebracht und verdeckte seine leblosen Augen mit einer Hand, um seine Tränen zu verstecken.

Lucifer sah ihn überrascht an. Zum ersten Mal nach diesen etlichen Monaten hatte der Dämon sich nicht geweigert, Rachen an seinen ehemaligen Mitmenschen auszuüben. Man konnte es ihm auch nicht verübeln, seine Familie und Freunde haben alle Bilder und Erinnerungen an ihn ausgelöscht. Sie besuchten nicht mal sein Grab oder dachten eine Sekunde an ihn. Es interessierte sie nicht, dass sie einen wahrhaftigen Engel verloren haben.

„Deine Sorge gleicht immer noch denen der dummen Menschen. Niemand interessiert sich dafür, wie du nun aussiehst. Dein Tod interessiert sie nicht mal mehr. Findest du nicht, dass diese Menschen wissen sollten, was für ekelhafte Wesen sie sind? Vor allem dein gottverlassener Ex... Wie hieß er noch gleich?", entgegnete Lucifer herablassend und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Er heißt Jeongguk, Jeon Jeongguk. Dieser elende Bastard. Du wusstest, dass er sich niemals ändern wird, oder? Selbst Gott wollte ihn nicht leben lassen. Warum war ich so dumm, verdammt, warum?", knurrte der Dämon und schlug sich mit der flachen Hand auf den Kopf.

Taehyung wusste, dass er für immer auf dieser Erde als Monster verweilen und niemals ins Jenseits kommen würde. Das hatte ihm Gott selbst ins Gesicht gesagt, während ihm bitterliche Tränen über die Wangen liefen, da er wusste, dass er einen wundervollen Engel an den Teufel verlieren würde und dass seine reine, weiße Seele mit der Zeit auch verpestete, wie es beim Teufel auch geschehen war.

„Diese Illusion, die ihr ‚wahre Liebe' nennt, hat dich dazu geritten, junger Dämon. Sie verblödet eure Gehirne und macht euch noch schwächer, als eure minderwertige Spezies es sowieso schon ist", erwiderte Lucifer ruhig und verzog sein Gesicht bei dem Gedanken an die Spezies, die er so sehr hasste.

„Sag mir eins. Wieso habe ich noch diese menschlichen Gefühle, obwohl ich nun einer deiner Dämonen bin? Ich sollte dieses schmerzhafte Stechen in meiner Brust nicht mehr spüren. Ich sollte nicht so weinen müssen wegen diesen Menschen. Warum muss ich weiterhin so leiden und die anderen nicht?", schluchzte Taehyung und sah den dunklen Teufel verzweifelt an.

Lucifer seufzte schwer und musterte die Familie des Dämons neben ihm, die sich dazu entschieden hatte, endlich zu Bett zu gehen und den Tag zu beenden. Er rümpfte seine Nase, als sie an ihnen vorbei gingen, während der Junge seiner Familie nachsah und weiterhin weinte.

„Das ist deine Strafe. Du wirst von selbst zu einem grausamen Monster werden. Der pure Hass in dir wird deine Seele verpesten und deine anderen Emotionen auslöschen. Wir müssen auch beachten, dass du bei mir nur gottverlassene Menschen landen, die schon auf der Erde zu grausamen Monstern geworden sind. Du bist einer von wenigen Einzelfällen, Taehyung", antwortete Lucifer ihm anschließend, als die Familie den Raum verlassen hat.

Der Dämon fing nun noch lauter an zu weinen und wendete dem Teufel den Rücken zu. Er fragte sich, ob seine entstellte Visage und das ewige Dasein auf der Erde nicht schon Strafe genug wären. Er spürte die eisige Hand des Teufels an seiner Schulter, die ihn wieder zu sich hindrehte. Mit glühenden Augen schaute der Junge seinem Gebieter in die Augen, der ihn mit seinen leuchtenden blauen Augen entgegen starrte.

„Lass dir eins gesagt sein, junger Dämon. Wenn du Rache ausübst, dann verdirbst du deine Seele etwas schneller. Der Schmerz in deinem Herzen vergeht und das geht so lange so weiter, bis du nichts außer deinem Hass fühlst", sagte Lucifer und nahm seine Hand von der Schulter des Jungens.

Der Junge ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen. Wenn das wirklich stimmte, was Lucifer da von sich gab, dann hätte er keine andere Wahl, dachte sich Taehyung verbittert. Er wollte nicht mehr so leiden müssen. Er wollte nie wieder leiden. 

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Ich hole gerade alte Leichen aus ihren Sägen. Die Story ist eigentlich ganz okay :D

Benighted | Short StoryWhere stories live. Discover now