the only human [deutsch]

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Ein kalter aber sanfter Schleier aus Dunkelheit umgab ihn. Er hörte verschwommene Stimmen im Hintergrund, konnte aber nicht erkennen, was sie sagten und versuchte seinen Mund zu öffnen, aber es war, als wäre er zugenäht. Er konnte sich auch nicht bewegen. Panisch versuchte er zu atmen - und es gelang. Während er die Luft tief in seine Lungen einsog, durchströmte ihn Erleichterung. Wenigstens etwas, was normal war. Er atmete. Plötzlich konnte er etwas klares hören. Eine dunkle Stimme kristallisierte sich eiskalt aus dem Stimmengewirr heraus: »Er ist wach!« Er wollte zusammenzucken, doch das seltsame Vakuum, in dem er gefangen war ließ das nicht zu. »Woher wollen sie das wissen, Kahin?«, fragte eine weibliche Stimme. »Ich bin Ichain. Wir vernehmen die Gedanken und Gefühle der Lebewesen in unserer Umgebung, mit mehr oder weniger Anstrengung, je nachdem wie schwach diese sind.«, erklärte die kalte Stimme. »Und ihre sind äußerst unangemessen.«, fügte er dann hinzu. »Dieser Mensch hier fühlt sich gefangen und hat Angst. Er hat keine Erinnerung. Meine Hochachtung, Professor Hunanik. Sie haben es geschafft.« - »Dieser Mensch hier heißt Lucas. Zumindest stand das auf seinem komischen Kärtchen, dem... Personalausweis!«
Lucas - wie er anscheinend hieß - wurde von unendlich vielen Fragen überschwemmt. Wer waren diese Wesen? Wo war er? Was zur Hölle war ein Ichain?
»Sein Geist ist sehr verwirrt.«, fügte die kalte Stimme hinzu und Lucas konnte das gemeine Grinsen aus seiner Stimme hören. Plötzlich war dort auch die Angst. Er versuchte mit aller Kraft sich an irgendetwas zu erinnern, doch es funktionierte nicht. Was hatten sie mit ihm angestellt? Er wollte hier heraus! Weg von diesen gemeinen Stimmen, die über ihn redeten, als wäre er ein seltsames Experiment in einem Labor. Seine ganze Hoffnung baute darauf, dass dies alles nur ein sehr verrückter Traum war. Doch es fühlte sich so real an. »Wollen wir ihn nicht aus dem Bewusstlosigkeitsvakuum holen?«, fragte die Frauenstimme mit einem besorgten Unterton. »Ja!«, sagte die dritte Stimme, diejenige die Lucas seinen Namen genannt hatte. »Dann können wir ihn befragen. Elaine, wärst du so nett und holst drei Studenten aus der Bibliothek, damit sie mit helfen?«
Studenten? Bibliothek? Wo zum Teufel war er?
Lucas konnte drei weitere stimmen vernehmen, die durcheinander redeten. Dann hörte er das Piepen von Geräten und das Tippen auf Tasten. »Kann ich ihnen helfen, Professor?«
»Ja, bitte. Gib doch das Codewort in den Ellypsor 75 ein.«
Die zahlreichen unbekannten Begriffe in Kombination mit Maschinen und der Tatsache, dass sie ihn aus irgendetwas aufwecken wollten, ließ Lucas in leichte Panik verfallen. Es würde vielleicht etwas schiefgehen! Und selbst wenn er aufwachte, dann musste er sich mir diesen Kreaturen herumschlagen. »Beruhige dich.«, sagte der Professor, es war das erste Mal, dass er Lucas direkt ansprach. »Es wird alles gut gehen.« Der Mensch versuchte ruhig zu atmen und nicht in eine Panikattacke zu verfallen. Es wird alles gut., redete er sich ein. Er vernahm ein elektrisches Zischen und dann einen heftigen Stromschlag durch seinen Adern. Lucas riss seine Augen auf und schrie.

Als Lucas das nächste Mal seine Augen aufschlug, lag er in einem bequemen Bett, welches auf ungefähr 50 Metern über dem Boden... schwebte? Er schrie und richtete sich panisch auf. Mehrere Schläuche waren mit seinem Arm verbunden und er sah andere Betten um sich herum in der Luft schweben. Das ist doch alles nur ein verrückter Traum!, versuchte er sich selbst einzureden. Panisch krallte er sich an dem Bett fest, als es begann sich zu bewegen. »Was passiert hier? Wo bin ich?«, rief er, doch bekam keine Antwort außer das Piepen von Geräten. Sein Bett schwebte in einen einzelnen Raum und landete vor einem Tisch. »Willkommen im Krankenhaus des Raumhafens A352 auch genannt: visent. Visent ist das ichainische Wort für Genesung.«, sagte eine blecherne Stimme aus dem Nichts. Plötzlich öffnete sich die Tür und ein...Wesen betrat den Raum. Es hatte vier schlanke Beine und kühl schimmernde Schuppen. Auf einem sehnigen, mit Schuppen besetzten Hals saß ein länglicher Kopf mit schmalen Nüstern und großen, purpurnen Augen. Der Mund allerdings war weiter unten am Hals. Trotz allem hatte das Wesen eine abstrakte Schönheit an sich. Lucas wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Er fühlte wie Übelkeit in seinem Magen aufstieg, aber irgendwie fühlte er auch, wie er sich langsam beruhigte.
Das Wesen lächelte sanft. »Guten Tag, ich bin Igarina. Der Professor hat mir bereits von euch berichtet, aber ihr seid tatsächlich noch erstaunlicher, als ich es mir vorgestellt hatte. Er meinte, ihr habt sicher jede Menge Fragen.« Lucas musste sich den Schweiß von der Stirn wischen. Es war seltsam warm in dem kleinen Raum geworden. Das Erscheinen der Kreatur, oder auch Igarina, hatte ihm mehr aus der Bahn geworfen, als er zugeben wollte. Er wußte nun, dass dies kein Traum war. So etwas konnte selbst sein verrücktes Hirn nicht produzieren. »W-wo bin ich hier?«, stotterte er. »Ihr seid momentan in einem Raumhafen Krankenhaus. Der Professor ist zur Zeit eures Erwachens auf einer Exkursion gewesen und musste hier wegen euch einen Zwischenstopp machen. Er hat euch gerettet. Euer Planet ist vor etwa 30 Millionen Jahren von eurer Sonne verbrannt worden und eure gesamte Spezies wurde vernichtet, außer euch.« Lucas bekam keine Luft. »Ich kann mich nicht erinnern.«, war das einzige, was er herausbrachte. Igarina lächelte mitleidig. »Ja, das ist leider eine der Nebenwirkungen des Einfrierens. Aber nur so konntet ihr die Explosion und die Reise durch das Krümmerloch sicher überstehen ohne zerfetzt zu werden.«, sagte sie. Mit Kopfschmerzen legte Lucas sich in sein Bett zurück. All diese neuen Begriffe überforderten ihn. Zusätzlich dann noch die Information, dass er der einzige überlebende Mensch war, war es zu glauben?
Er lebte 30 Millionen Jahre in der Zukunft und unterhielt sich gerade mit einem Alien. Ein verzweifeltes Lachen kratzte in seiner Kehle und bahnte sich den Weg nach oben, bis er schließlich da saß, und keuchende Geräusche von sich gab. »Ich glaub's nicht! Ich bin in der Psychiatrie oder?«, grinste er. Igarina schüttelte mitleidig den Kopf. »Ihr müsst euch erst einmal daran gewöhnen, das verstehe ich.«, sagte sie. »Programm Iva, Bring ihn bitte auf ein Einzelzimmer mit Ausblick auf den Raumhafen. Und gib ihm ein paar Informative Visionen über das Leben in dem intergalaktischen Raum.«, sprach sie dann, ihr Blick noch immer auf Lucas gerichtet. »Halt!«, rief dieser. »Ich habe noch mehr Fragen!«
»Iva wird sie dir beantworten. Wende dich an sie.«, sagte Igarina nur. Dann verließ sie den Raum und ließ ihn zurück.

Die Zeit in dem Raumhafen verging wie ein reißender Fluss ohne Ende. Lucas hatte keine Ahnung, wie lange er bereits hier war, aber es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Die Uhr, die auf einem kleinen Bildschirm über seinem Handgelenk schwebte, zeigte ihm '210.66.7' ig.rz. an und Lucas wusste nicht im gerinsten, was es bedeutete. Trotz der Tatsache, dass er sich bereits viele „Visionen", welche etwas ähnliches wie Filme waren, nur dass man mittendrin war, über das intergalaktische Raumsystem angesehen und trotzdem hätte er das Gefühl nichts zu wissen.
Lucas' Blick schweifte zu den verdunkelten Glasscheiben. Waren dies etwas ähnliches wie Fenster? Er stand mit wackligen Beinen auf, das erste Mal seit langem, und wankte durch die Lüfte auf das Fenster zu. Er hatte festgestellt, dass es hier eine andere Schwerkraft als auf der Erde gab. Er konnte sich leicht vorwärtsbewegen, aber schwebte gleichzeitig ein wenig. Noch hatte er es nicht verstanden, aber er hatte sich vorgenommen, die dreistündige Vision darüber anzusehen. Doch nun wollte er erst einmal die dunkle Wand erforschen. Er hatte einen schmalen Bildschirm am Rand gesehen und stolperte nun dort hin. Und Lucas hatte Recht. Auf dem Bildschirm waren seltsame Zeichen, die er nicht entziffern konnte, daneben waren zwei Pfeile. Einer nach oben und der andere nach unten. Alles oder nichts, dachte Lucas und klickte auf den Pfeil nach oben. Die schwarze Wand bewegte sich zur Seite und enthüllte die dunkelblaue Galaxie. Als die Wand ganz verschwunden war, stockte Lucas der Atem. Er hatte soviel erstaunliches gesehen und gehört und trotzdem war nichts ansatzweise damit vergleichbar. Er wusste nicht, wo er hinschauen sollte. Überall flog, sirrte, düste und schwebte etwas durch die Luft, durcheinander und doch irgendwie geordnet. Nun war ihm auch klar, warum er schwebte. Es gab keinen Boden. Er konnte es sich selbst nicht erklären, aber das einzige was er sah, waren Wände, die sich von selbst veränderten und fliegende Maschinen sowie schwebende Lebewesen. Nicht nur solche, wie Igarina waren unter ihnen, nein es waren Wesen von aller Farbe und Form, von jeder Größe und keines glich dem anderen. Irgendwie konnte er es nun kaum erwarten, mehr über diese so fremde Welt zu erfahren. Wissbegierde brannte tief in ihm und er wollte auf einmal nach dort draußen, in einem dieser Schiffe fliegen und mit diesen Wesen kommunizieren. Er wollte ihre Sprache lernen, er wollte alles über das intergalaktische Raumsystem wissen. Freude erfüllte ihn. Er wusste, dies war seine Zukunft. Er mochte keine Vergangenheit haben, aber er konnte sich ein neues Leben aufbauen, konnte sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und Geschichte schreiben als einziger Überlebender einer ausgestorbenen Spezies.

Ende.

the only human [german original]Where stories live. Discover now