Marinas POV
"Hallo? Wach werden, Marina", sagte jemand zu mir und ich konnte spüren, wie ich einige Male getätschelt wurde. Nur schwerfällig öffnete ich meine Augen einen Spalt und schaute in Olivers Gesicht, welches ich noch recht unscharf erkennen konnte. "Hey... da bist du ja wieder", sagte Oliver und lächelte. "Was ist denn los?", krächzte ich und erschrak über meine eigene Stimme. "Eigentlich etwas, was wir gerne wissen würden", entgegnete Franco während er eine Infusion anschloss. Ich schwieg und schaute die Personen in meiner Wohnung an. Wie kamen die überhaupt hier rein?
"Deine Nachbarin war so freundlich und hat mit deinem Ersatzschlüssel die Wohnung aufgeschlossen. Kannst du dich erinnern, was passiert ist?", fragte Oliver. "In den letzten Tagen zu viel", murmelte ich und schloss die Augen. Ich war einfach so verdammt müde. "Hey... Jetzt nicht wieder einschlafen", sagte Franco und weckte mich somit wieder. "Aber ich bin müde", murmelte ich. Das Rettungsteam verfrachtete mich auf die Trage und brachte mich aus meiner Wohnung nach draußen in den RTW. Im Freien konnte ich dann die Rufe dieser Leute hören, die seit Tagen vor dem Hauseingang stehen. Ich schloss die Augen und wollte diese Menschen einfach nicht sehen. Wenn es dunkel ist, sehe ich nichts und ich bin sicher.
Doch es half nichts. Ich bekam mit, wie das Rettungsteam und die Polizei Probleme hatten, die Leute von mir fernzuhalten. Ich presste meine Lippen fest aufeinander. Sie sollten nicht hören, wie sehr diese Leute mich verletzten. Wie sehr es mir schmerzte, da ich wusste, dass sie die Wahrheit sagten. Nach langen qualvollen Minuten war ich endlich im RTW und ich öffnete wieder meine Augen. Ich war froh, dass mich keiner vorher gestoßen hatte, weil man dachte, ich wäre wieder bewusstlos. Die Rufe von den Passanten konnte ich noch immer lautstark hören. "Die braucht keine Hilfe. Die simuliert", kreischte eine Frau von draußen. Ich seufzte und versuchte zu vertuschen, dass ich mich aktuell gar nicht wohlfühlte.
"Wir fahren gleich... dann musst du das nicht mehr hören", sagte Oliver und schaute Franco an. "Meldest du sie an? Und dann fahren wir auch direkt", bat er Franco. Dieser nickte und verließ den RTW. Nur kurz darauf schlossen sich die Türen des RTWs und wir fuhren los. "Was ist da eigentlich vor der Türe los?", fragte mich Oliver auf der Fahrt zum Krankenhaus. Ich schaute ihn an: "Längere Geschichte." Er nickte: "Kannst ruhig erzählen. Und wenn es nicht reicht, können wir nach meiner Schicht weiterreden. Ich denke, dass du zumindest über Nacht dort bleiben wirst." Ich starrte kurz darauf wieder an die Decke des RTWs. Ich war unschlüssig, ob ich es ihm erzählen sollte. Aber spätestens wenn die Polizei nachfragte, musste ich reden.
Ehe ich Oliver etwas erzählen konnte, hielt der Wagen an und kurz darauf wurden die Türen geöffnet. Ich wurde in die Notaufnahme gebracht und untersucht. Da ich mir nichts Weiteres getan habe, außer Dehydrierung und Schlafmangel, atmete ich erst einmal durch. Zwar musste ich über Nacht da bleiben und konnte wahrscheinlich morgen gegen Mittag auch wieder entlassen werden.
Ich lag gerade auf meinem Zimmer als es an der Zimmertüre klopfte. Rein kamen Oliver, Franco und die Polizei. "Oh man. Konnte das nicht bis morgen warten?", dachte ich mir und schaute die Runde freundlich an. "Hallo", sagte ich und schaute Franco an. "Da hattest du echt noch einmal Schwein gehabt. Lange hätte dein Körper das nicht mehr mitgemacht", fing er an. Ich nickte: "Danke." "Aber jetzt zu einer ganz anderen Sache. Was ist passiert?", fragte Oliver und setzte sich neben das Bett auf einen Stuhl. "Das möchten nicht nur Sie wissen, sondern auch wir von der Polizei", erklärte der Herr in Blau und zuckte einen Stift und Block. Ich war mir wirklich unsicher, ob ich es wirklich erzählen sollte. Am Ende würde ich wieder in irgendeiner Klapse landen und alles wiederholt sich.
"Na komm. Wir können dir nur helfen, wenn du es uns erzählt", munterte mich Franco auf. Ich seufzte und fuhr mir mit einer Hand durchs Haar. In mir herrschte ein innerlicher Kampf. Sollte ich oder sollte ich nicht? Ich warf einen kurzen Blick aus dem Fenster und entschied mich zu reden. Vielleicht würde sich ja wirklich etwas ändern. Wenn nicht, dann half nur noch der Wegzug aus Köln und der Neustart in einer anderen Stadt. Auch wenn ich mein Team und Freunde zurücklassen würde... Ich denke, sie würden es verstehen. Aber wenn ich über einen möglichen Wegzug denke, brach es mir das Herz. Ich wollte nicht woanders neu anfangen. Ich war hier zu Hause. Es war Heimat. Vertraut. Ich musste es erzählen. Wo mich mein Schweigen hingetrieben hat, konnte man gerade sehen.
"Marina? Alles in Ordnung?", fragte Oliver besorgt. Ich schaute ihn an: "Ja. Schuldige... War in Gedanken." Und so fing ich dann an zu erzählen. Von der Anzeige, von der Oliver noch gar nichts wusste, bis hin zu den Flyern, dem Video und der Menschentraube vor meinem Wohnblock. "Haben Sie denn eine Ahnung, wer das Video ins Netz gestellt haben könnte?", fragte mich der Polizist. "Wenn ich das wüsste, hätte ich wahrscheinlich schon früher was unternommen.", meinte ich, "Aber wenn ich so darüber nachdenke... Vielleicht der Vater des Mädchens... Er hat mich schon im Krankenhaus so angegangen nachdem wir das Mädchen eingeliefert haben." Der Polizist nickte und schrieb es sich auf. Eine weitere Viertelstunde später verabschiedeten sich die beiden Polizisten und verließen das Zimmer. Jetzt war ich mit Franco und Oliver alleine im Raum.
"Mensch Mädel. Warum hast du nicht früher schon was gesagt? Du hättest doch eine Zeitlang bei einem von uns schlafen können", meinte Oliver. "Ich wollte niemanden zur Last fallen. Ihr habt euch schon genug Sorgen gemacht nach dem Vorfall am Steiner-Gymnasium", meinte ich und starrte auf meine Hände. Auf einmal waren die Hände wirklich sehr interessant. Ich fing sogar an am Zugang herumzuspielen. Plötzlich griff jemand meine Hand und hielt sie fest. "Lasse bitte den Zugang ganz. Ich möchte nicht, dass du dir den rausreißt", bat mich Franco und ließ dann auch meine Hände wieder los. Ergeben nickte ich und legte die Hände rechts und links von mir wieder hin. Mir war zum Kotzen langweilig. Ein Grund, warum ich Krankenhäuser als Patient so verhasste.
Es herrschte kurzes Schweigen im Zimmer bevor ich fragte, wie es Emilia denn ginge. "Soweit ich weiß, liegt sie noch immer auf der Intensivstation. Aber so wie es aussieht, kann es sein, dass sie bald aufwacht.", antwortete Franco, "Und wie du siehst, kann es bei so einer Nachricht hoffentlich nur bergauf gehen." Ich nickte und schaute auf die Uhr. Es war kurz vor 18 Uhr. Wenn ich mich nicht täuschte, müsste gleich das Abendessen kommen und die Besucher werden daran erinnert, dass die Besuchszeiten vorbei waren. Wie auf das Stichwort klopfte es und Lind brachte mein Essenstablett rein. "So... Hier dein Abendessen, Marina. Und euch beide muss ich nun bitten zu gehen", meinte Linda mit einem Lächeln. Franco und Oliver standen ergeben auf, klopften mir jeweils kurz auf die Schultern und verließen mit einem kurzen Ciao das Zimmer. Linda prüfte noch ein paar Werte, wünschte mir dann noch guten Appetit und ging ebenfalls.
Ohne viel Hunger knabberte ich am Brot herum. Ich fragte mich gerade, auf was ich mich einstellen musste, wenn ich morgen wieder nach Hause kam. Waren diese Leute wieder da? Wie wird es wohl vor meiner Haustüre aussehen? Was würde ich mir anhören dürfen? Je länger ich darüber nachdachte, desto weniger Hunger hatte ich noch. Schlussendlich legte ich das Brot nach der Hälfte weg und starrte aus dem Fenster. Eine Stunde später holte Linda das Tablett auch wieder ab und schaute mich besorgt an: "Alles in Ordnung? Du hast nicht wirklich viel gegessen?" "Ja. Mir geht es gut. Bin nur müde und erschöpft", antwortete ich. Sie nickte und nahm das Tablett an sich. "Dann wünsche ich dir eine gute Nacht. Wenn was ist, kannst du jeder Zeit klingeln", lächelte sie und ging aus dem Zimmer.
Ich stand aus dem Bett auf, griff nach dem Infusionsständer und ging mit diesem ins Bad. Dort kämmte ich mir die Haare und putzte die Zähne. Eine halbe Stunde später war ich auch schon wieder im Bett und schaute aus dem Fenster. Meine Augenlider wurden immer schwerer bis sie mir zufielen und ich ins Land der Träume versank.
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Ich gegen die Welt
FanfictionEhm... hier habe ich mir noch nichts überlegt. Und das, was ich hatte, verrät aktuell noch zu viel.