siebzehn

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Wir alle haben jemanden aus der Vergangenheit, über den wir nicht sprechen. Jemand, der uns so viel bedeutet, dass die bloße Erwähnung dessen Namens unsere Seele erschüttert und mit Erinnerungen und Schmerz geflutet wird. Jemand, der unser Herz ein klein wenig bricht, wenn man aus Versehen an die einzigartige Augenfarbe denkt oder das Lachen glaubt, in der Menge wiederzuerkennen. Dieser Jemand würde Toni Topaz werden, das entschied Cheryl auf dem Weg zur Penny Arcade. Während die Bäume sich zu einem braun-grauen Streifen zusammenzogen und Jughead Jones kurze sorgengetränkte Augenkontakte über den Rückspiegel herstellte, ging sie mit sich einen geheimen Deal ein; dass der Preis für die Sicherheit ihrer Freundin egal sei.

Die hohe Geschwindigkeit hatte ihr auf unerklärliche Weise ins Gedächtnis gerufen, dass ihre Mutter an den am weitest entfernten Ort flüchten würde, wenn sie sich ihr auslieferte, nach Brasilien oder sogar Europa. Aber Cheryl nahm es hin, mit ihr gehen zu müssen. Denn eines war wohl in den Sternen geschrieben. Nämlich dass Penelope Blossom als Sieger aus der – nennen wir es beschönigend – Fehde hervorginge. Bettys Plan war zwar gut und leicht zu befolgen, aber es war einfach nicht möglich, dass eine so einfache Handlung wie eine Wanze und ein Geständnis die homophobste Kriminelle einer Verbrecherstadt überführte.

Deshalb verriet Cheryl auf dem Rücksitz eines schäbigen Trucks ihre neuen Freunde, wenn auch diesmal aus den richtigen Gründen. Für sie stand fest, wenn es hart auf hart kam, würde sie freiwillig mit ihrer Mutter mitgehen – und es würde hart auf hart kommen.

Immerhin würde sie alles für Toni tun, um ihr wenigstens einen kleinen Teil ihrer Selbstlosigkeit zurückzuzahlen. Auch wenn das beinhaltete ihre Liebe nie wieder zusehen. Das war immer noch einfacher, als zu ihrer Feindin zu kriechen und falsche Fehler zuzugeben, vorzuspielen, dass da niemals Gefühle gewesen wären, um in der Stadt zu bleiben, den Krieg niederzulegen und wieder mal ihrer Mutters Sklavin zu werden – das konnte sie nicht. Daran ginge die junge Blossom zugrunde. Sie könnte Toni nicht gefühllos entgegenblicken und nichts in ihrem Inneren rummurren hören.

»Hörst du mir überhaupt zu, Cheryl?«, durchdrang Gabes Tenor vom Beifahrersitz den dicken Gedankennebel. Er hatte sich umgedreht und seine sanften Pranken hielten Cheryls Knie. Der Kontakt war beruhigend, wenn auch eine Warnung, nicht hinter dem Rücken der anderen zu agieren.

»Wie geht es dir?«, fragte er weiter. Seine schmalen Augenbrauen zuckten stressig, aber sein Mine war felsenfest. Er war der beste Freund, den Cheryl nach Jasons Tod gebraucht hätte.

Zuerst schluckte Cheryl die Wahrheit herunter, ihnen zu gestehen, was tatsächlich in der Spielhalle geschehen würde, dann aber zuckten nur ihre Mundwinkel entschuldigend.

»Ich habe an Toni gedacht.«

Gabe nickte und damit hatte sich die Sache erledigt. Natürlich dachte sie an Toni, natürlich waren ihre Gedanken auf Wanderschaft. Er drehte sich nach vorne und begann ein Gespräch mit Jughead, was für eine Soundanlage eingebaut sei, sie klinge wahnsinnig gut.

Cheryl lehnte sich derweil gegen die holpernde Scheibe und ließ das Kühl, welches unregelmäßig gegen ihren Kopf pochte, sie zurück zu dem Tag am Fluss führen, als Toni ihr sagte, sie liebe alles an ihr. Jener Nachmittag schien so weit entfernt, fast als wäre er nur ein Überbleibsel einer Erinnerung eines früheren Lebens. Sie waren glücklich gewesen und selbst wenn die Menschheit nicht verstand, wie man das eigene Geschlecht lieben konnte, verblasste all der Hass, wenn sie nebeneinander waren.

Mittlerweile hatte sich die Situation umgekehrt. Der Hass – in ihrem Fall ausgehend von ihrer Mutter – durchstach die Blase, die sich die Liebenden geschaffen hatten, durch den Streit schien sie für Cheryl sowieso aufgeplatzt und hinein sickerte die bleiche Realität, in der Toni und sie einfach nicht zusammen passten oder nicht durften oder wer weiß was.

Rot ist eine warme Farbe (Choni)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt