Kapitel 34

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Meine Augen wanderten über die gesamte Wiese, ich versuchte jede noch so kleine Bewegung wahrzunehmen, aber Mia war verschwunden. Sie hatte sich einfach in einem Schatten aufgelöst.
Mit gespitzten Ohren ging ich auf meinen kleinen Bruder zu, der zitternd am Boden lag und stupste ihn mit meiner Nase an. Erschrocken sich er heftig von mir zurück und wisperte irgendetwas vor sich hin, aber selbst mit meinem verbesserten Wolfsgehör konnte ich es nicht verstehen. Ich sah zu Valentina herüber, die noch immer im Gras lag und von welcher ein strenger Geruch nach verbrannten Fleisch ausging. Dann wanderte mein Blick zu Logan. Beziehungsweise zu der Stelle an der Logan eben noch gelegen hatte, denn nun war er nicht mehr zu sehen. Dieser miese Drecksack!
Ayleen untersuchte mit ihrer magischen Kraft meinen Bruder, aber scheinbar fand sie keine weiteren Schäden, deswegen schickte sie mich zurück aufs Schlachtfeld. Ich setzte mich kn Bewegung und konnte schon von weitem das Gemetzel hören, aber als ich um die Ecke bog, erschrak ich trotzdem. Überall lagen tote Vampire und auch Wölfe und der Boden war von Blut getränkt. Erleichtert stellte ich allerdings fest, dass Claire und ihre Freundinnen noch immer am Leben waren und mutig weiterkämpften, obwohl es auf unserer Seite viele Verluste gab. Auch die Vampire kämpften unterbuttert weiter und nun sah ich auch Logan wieder, der mitten im Getümmel umherwanderte, als würde er etwas oder vielmehr jemanden suchen. Dann blieb er stehen und schaute jemanden an. Ich folgte seinem Blick und mir lief es eiskalt den Rücken runter. Er nahm meinen Vater ins Visier.
Schneller als ich schauen konnte, sprintete er los und ich setzte mich auch sofort in Bewegung, doch leider sind Vampire um einiges schneller als Wölfe. Ich konnte sehen, wie mein Vater zwei Vampire zurückschlug, als sich Logan ihm von hinten nährte und auf seinen Rücken sprang. Er riss meinen Vater zu Boden und biss ihn mit seinen Fängen direkt in den Hals. Mein Vater versuchte sich zu wehren, doch er hatte schon zu lange gekämpft. Logan hätte auch geschwächt sein müssen, nachdem was Mia mit ihm gemacht hatte, aber er schien so voll Adrenalin zu sein, dass er seine Schmerzen und Erschöpfung scheinbar nicht bemerkte.
Schnellstmöglich versuchte ich mich durch die Masse hindurch zu kämpfen, aber ich wurde immerwieder aufgehalten, wenn ein kämpfender Vampir oder Wolf meinen Weg kreuzte. Mit immer wachsender Panik sah ich, wie der Körper meines Vaters immer mehr in sich zusammen sank. Ich blickte mich um, versuchte jemanden zu finden, der näher an ihm war und ihm hätte helfen können, doch alle waren mit sich selbst und anderen Vampiren beschäftigt. Ich musste einfach zu ihm gelangen!
Ich war schon fast bei ihm angekommen, da schob sich plötzlich ein Schatten in meinen Weg und keine Sekunde später stand Mia vor mir, die wie irre zu Logan rannte und ihn von meinem Vater herunterriss. Dann packte sie ihn mit ihren Zähnen im Nacken und schleuderte ihn in die kämpfende Masse, nur um eine Sekunde später hinter ihm her zu springen und sich auf ihn zu stürzen. Mit aller Gewalt presste sie ihn zu Boden, packte mit ihren Zähnen seinen Hals und riss ihm mit einer schnellen Bewegung ihrer Krallen das Herz heraus. Für einen kurzen Moment blieb mir das Herz stehen, als ich das beobachtete.

Mia riss ihren Kopf in die Luft und ein tiefes und brummendes, aber triumphierendes Heulen ertönte. Um uns herum wurden die Kampfgeräusche immer leiser. Alle wanden ihren Kopf zu uns um. Vampire wie Wölfe hörten auf zu kämpfen. Als die Vampire ihren Anführer dort tot am Boden lagen sahen, schienen sie zu erkennen, dass sie verloren hatten. Ohne einen Anführer oder jemanden aus der Blutlinie des Anführers, der den Clan leiten konnte, war er dem Untergang geweiht. Als wären sie eine Person, wandten sich die Vampire von uns ab und stürmten in den Wald. Keine zehn Sekunden später standen nur noch Wölfe auf dem Feld umher und scharrten sich ängstlich zusammen. Mias Anblick musste furchterregend sein, für diejenigen, die nicht wussten was sie war, denn mittlerweile stand sie wieder als Schatten auf Logans Leiche. Weder aus fester Materie, noch ganz und gar unsichtbar. Mein Blick heftete ebenfalls auf ihr, als ihr Körper auf einmal zusammensackte und auf den Boden knallte. Sofort rannte ich zu ihr hinüber. Schwer atmend, aber unverletzt lag sie am Boden. Ihr Fell veränderte die Farbe, wurde wieder normal und nahm seine graue Farbe an. Auch die weißen Sprenkel kehrten zurück. Als sie die Augen öffnete, hatten sie wieder ihre wunderschöne giftgrüne Farbe.
Mir geht es gut, kümmer dich um deinen Vater.
Ich hörte zum ersten Mal ihre Stimme in meinem Kopf, aber leider konnte ich mich momentan nicht wirklich darüber freuen. Mein Blick glitt über die Wiese und dann zu meinem Vater. Viele Wölfe hatten sich nun schon um ihn versammelt. Auch ich ging zu ihnen hinüber und drängelte mich durch die Menge, um zu ihm zu gelangen. Mittlerweile lag er wieder in seiner menschlichen Form vor mir. Seine Wunden waren tief und ich schaute mich um, ob ich irgendwo Ayleen ausfindig machen konnte. Sie musste ihn unbedingt heilen. Ich wandelte mich zurück in meine menschliche Form und rief nach ihr. Immer lauter wurde meine Stimme, bis ich schließlich schon nach ihr schrie. Ich sah sie gerade um das Haus herumkommen, als ich eine sanfte Berührung an meiner Hand spürte. Augenblicklich zuckte mein Blick zurück zu meinem Vater, der die Augen geöffnet und meine Hand in seine genommen hatte.
„Versprich mir, dass du auf das Rudel aufpassen wirst. Und auf Claire."
„Nein, Paps. Du musst das selber machen!", sagte ich mit zitternder Stimme zu ihm. „Ich habe dich gut erzogen, mein Sohn, ich weiß, dass du es schaffen wirst."
„Paps, bitte nicht, halte noch etwas durch, Ayleen ist fast hier. Bitte. Du darfst jetzt nicht die Augen zu machen. Wir haben doch Ryan gerade wieder! Du musst ihn noch sehen. Bitte, Paps."
„Ihr habt Ryan zurückgeholt?"
„Ja, Ayleen hat es geschafft, seinen Fluch zu brechen. Er ist wieder er selbst. Halt bitte noch etwas durch, Paps.", sagte ich mit mittlerweile tränenerstickter Stimme.
Ein sanftes Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er sagte: „Nun gut, dann musst dich für mich auch noch auf Ryan acht geben."
Als diese Worte seinen Mund verließen, fielen ihm die Augen zu und seine Hand verlor den Halt in meiner.
„Paps, bitte nicht!", weinte ich nun heftig und beugte meinen Kopf nach vorne, um ihn auf der Hand abzulegen, mit der ich seine mittlerweile umklammert hielt. Ich weinte und meine Tränen liefen über mein Gesicht auf meine Hand und weiter über seinen Arm.
Vorsichtig legte sich eine Hand auf meine Schulter und ich hörte Ayleens Stimme wie durch Watte. „Es tut mir leid, aber ich kann nichts mehr für ihn tun."

My wolf and meWhere stories live. Discover now