Enemies

Chapter 1

"Und wie genau sollen wir das anstellen?", ergriff Clint das Wort und sah mit erhobenen Augenbrauen in die Runde. Sein rauer Unterton brachte schweigen in die Gesichter und Wanda biss sich leicht auf die Unterlippe und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Hilfesuchend blickte sie zu Captain Fury, doch er war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen den vorliegenden Fall immer wieder aufs Neue durchzulesen, in der Hoffnung doch noch einen Hinweis zu finden, der sie nicht jedes Mal in eine Sackgasse bringen würde. Oder war dies alles nur Show?

"Es macht absolut keinen Sinn an diesem Fall weiterzu-"

"Jetzt mach doch mal halblang.", unterbrach Steven seinen Kollegen und verschränkte seufzend die Arme.

"Lasst uns die letzten Beweise abwarten.", sprach Wanda, um die Stimmung vor dem Absturz zu bewahren. Leider zu spät. Seit den letzten Vorkommnissen vor einer Woche hatte ihr Team keine neuen Fortschritte erzielen können.

Keine Fingerabdrücke, keine DNA-Spuren, keine Tatwaffen, Nichts. 

Sie drehten sich im Kreis und mit jedem Misserfolg, sank die Motivation und die einst so ehrgeizige Atmosphäre der Mannschaft. Bereits zum zehnten Mal diskutierten sie über die brenzlige Lage. Das Ende vom Lied: belanglose und ungerechtfertigte Beleidigungen jeglicher Art und jeder ging seinen eigenen Weg. 

"Und dann?", murrte Clint zu Wanda und drehte sich mit seinem Bürostuhl vollkommen desinteressiert um die eigene Achse. 

"Wieso könnt ihr Kerle nicht einmal optimistisch denken?", raunte Natasha und erhob sich kopfschüttelnd von dem Stuhl. Rückblickend waren die Vier ein starkes Team. In den vergangenen Jahren waren sie das Team mit den meist gelöstesten Fällen. Jeder von ihnen besaß ein außerordentliches Gedächtnis und Talent. Davon war im Moment nichts zu sehen. Alles wirkte wie ein schlecht ausgedachtes Spiel, was niemand ernst nahm. Und doch wurden ihnen der wohl komplexeste und langwierigste Fall des Jahrzehntes anvertraut. 

Drei maskierte Serienmörder waren mittlerweile auf der Liste der meist gesuchtesten Verbrecher weltweit. Mehr Informationen gab es nicht. Kein Name, keine hilfreichen Beschreibungen, Null. Jeder von ihnen besaß eine andere Waffe. Eine Machete, eine Armbrust, sowie eine Axt. Die übel zugerichteten Opfer und deren Blutlachen, so groß wie Seen, waren alles was an den Tatorten gefunden werden konnte. Sie beherrschten ihr Handwerk, und genau dies machte sie so unglaublich gefährlich.

Ein deutliches Klopfen an der Tür ließ jeden Körper kurz zusammen zucken, waren sie doch alle abgeschweift gewesen. Wanda's Augenlider verengten sich schlagartig, doch verdrängte sie ihre Neugier und ihr Misstrauen so schnell, wie sie gekommen waren.

Phil Coulson öffnete die Tür nur einen kleinen Spalt und bat um die Aufmerksamkeit von Captain Fury. Der Chef nickte und erhob sich, richtete seinen schwarzen Anzug und verließ wortlos das Büro.

Stille. Keiner sagte auch nur ein Wort. Ja nicht einmal das Atmen war zu vernehmen. Mit verschränkten Armen bewegte sich Wanda zum Fenster und warf einen Blick auf die Straßen von L.A. Sie wirkten erstaunlicherweise ruhig - und das um die Mittagszeit.
"Also ich weiß ja nicht was ihr für den Rest des Tages geplant habt, aber ich werde jetzt nach Hause gehen.", durchbrach Clint die Barriere der Stille, erhob sich schwungvoll aus dem Bürostuhl und verließ mit einer einfachen Handbewegung zum Abschied die Räumlichkeit. Keiner der Drei versuchte auch nur ansatzweise ihn daran zu hindern. Schließlich war für den heutigen Tag keine weiteren Aufgaben vorgesehen. Die letzten Beweise befanden sich immer noch im Labor und damit auch der letzte Tropfen an Hoffnung für diesen Fall.

________________________

Die Zeit verstrich nur träge. Bis in den späten Nachmittag hielt sich Wanda alleine in ihrem Büro auf und versuchte die letzten Stunden vor Schichtende tot zu schlagen. Sie sortierte mehrmals ihre Schubladen am Schreibtisch, während sie sich immer wieder einen frischen Tee aufbrühte. Steven und Natasha hatten kurz nach Clint das Revier verlassen und befanden sich auf Abruf. 

Das unerwartete aufreißen der Tür, ließ sie aus ihrem Stuhl springen. Erneut stand Coulson am Türrahmen und sie war gerade dabei ihren Mund zu öffnen, doch der ältere Herr kam ihr zuvor.

"Agent Maximoff, Captain Fury sucht sie... es ist dringend.", sprach er mit ernster Stimme und verschwand so schnell, wie er in ihr Büro eingebrochen war. Wo waren die guten Manieren hin? Konnte er wenigstens nicht anklopfen? Seufzend fuhr sie sich durch ihre rehbraunen, langen Haare und vergeudete nicht einen weiteren Gedanken. Mit eiligen Schritten ging sie über die zig Flure, erwiderte die Begrüßungen bekannter Gesichter mit einem matten Lächeln entgegen - bis sie letzten Endes vor Nick's Büro stand und anklopfte.

Es ertönte ein kräftiges "Herein!" und Wanda betätigte die Türklinke, unwissend, was sie nun erwarten würde. Zwei Gesichter starrten auf sie ein. Captain Fury und eine unbekannte, männliche Person. Groß und von schlanker Statur, blondes Haar und seine strahlend blauen Augen gewannen sofort die Aufmerksamkeit und Neugier der jungen Frau. Seine markanten Gesichtszüge faszinierten sie und für einen kurzen Moment standen sich die Beiden schweigend gegenüber, völlig abgedriftet von der eigentlichen Situation.

"Agent Maximoff, bitte setzen sie sich.", durchbrach Fury die unangenehme Situation und setzte sich aufrichtig hin. 

"Wenn ich vorstellen darf: das ist Victor Shade, Privatdetektiv und Ermittler.", sprach Captain Fury und ließ den Beiden keine Sekunde für einen weiteren Wortwechsel. "Ihr habt später noch genug Zeit um euch aneinander vertraut zu machen. Daher, komme ich gleich zur Sache.", fuhr er fort und Wanda schaute ihrem Boss verwirrt in die Augen. Was sollte dieser Mann hier? Weder der Name, noch sein Äußeres kam ihr bekannt vor.

Ein Gedankenblitz schoss durch ihren Kopf und sie zählte eins und eins zusammen.

"Sie werden von nun an mit Detective Shade zusammen arbeiten... bis sie den Fall erfolgreich aufgeklärt haben. Und das werden sie." Wanda's Blick glitt erneut zu der Person, ihrem neuen Kollegen. Sie wusste nicht so recht, wie sie reagieren sollte, beließ es dann bei einem Lächeln. Victor konnte halbwegs ein paar Dankesworte aussprechen, da wurden die Zwei schon aus seinem Büro verjagt. 

Schweigend sahen sich die Beiden erneut in die Augen. Er war ein wirklich riesiger Mensch und doch konnte sie nicht anders und erwiderte sein warmes Lächeln. 

"Na dann... Willkommen beim FBI.", begrüßte sie ihren neuen Kollegen und streckte ihm die Hand entgegen. Selbst seine Finger waren riesig im Gegensatz zu ihren. "Vielen Dank, Miss Maximoff, richtig?", fragte Victor vorsichtig nach und starrte ihr weiterhin in die Augen.

"Wanda. Einfach Wanda.", korrigierte sie ihn und erneut zog sie ihre Mundwinkeln in die Höhe. Seine Ausstrahlung veränderte unerklärlicher Weise ihr Verhalten und sie drehte sich abrupt von ihm weg. Sie fühlte wie ihre Wangen an Wärme gewannen. 

"Komm, ich zeig dir deinen neuen Arbeitsplatz.", wechselte sie schnell zu den eigentlichen, wichtigeren Themen und durchlief gemeinsam mit Victor die Etage von A bis Z ab. 

Noch war es unklar gewesen, wie die anderen Teammitglieder auf den plötzlichen Zuwachs reagieren würden. Wanda überlegte nicht lange und trommelte Clint, Steven und Natasha zusammen. Sie selbst war sich nicht sicher, warum wieso und weshalb Captain Fury einen Privatdetektiv in ihre Team gesteckt hatte. Hatten sie und ihr Team in letzter Zeit zu sehr nachgelassen? Hatten sich markante Fehler eingeschlichen? Oder war er etwa der Meinung gewesen, dass sie dem großen Fall nicht gewachsen waren?