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Was tun? Was tun!

Panik brach über mich herab0 wie eine riesige Welle und drohte mich mitzureißen. Es war nahezu unmöglich, diese Situation glaubwürdig zu erklären. Du könntest es versuchen, säuselte mir mein Unterbewusstsein zu, oder du wirst an Ort und Stelle sterben.

Würde er das wirklich? Mich endgültig ausschalten? Ich hatte zwar das Gefühl, Ethan hätte sich mir mehr... geöffnet, aber insgesamt war dieser Mann so vorhersehbar wie die Kugel im Roulette. Ich konnte also nur hoffen, dass mein gewähltes Feld das richtige war.

Ich schloss mein Fenster und drückte auf den Browser, der am ehesten dem regulären Internetbrowser ähnelte. Es war eine mit blauen Linien dargestellte Erde mit einem Ausrufezeichen darüber.

Alle anderen Optionen übermittelten ähnliche kriptische Botschaften, aber was sollte ein Dreickeck mit einem Ring darum schon mit dem Internet zu tun haben? Die Erde erschien mir als die sicherste Wahl.

Ich lag falsch. Denn kaum nachdem meine Fingerkuppe den Browser berührte, und sich im gleichen Moment die Tür öffnete, ertönte ein lautes, in den Ohren klingendes Schrillen. Ich erstarrte, als um mich herum in der Luft schwebende Bildschirme aus dem Nichts erschienen und den plötzlich abgedunkelten Raum in sanftes, blaues Licht tauchten.
Die Tür, die sich gerade noch öffnete, zersplitterte mit einem lauten Kabumm und wurde durch eine rote, durchsichtige Laserwand ersetzt.

Nun, zumindest schien sie auf meiner Seite durchsichtig zu sein. Auf der anderen Seite stand, zu meiner millisekündigen Erleichterung, nicht Ethan oder Allistar, sondern die Frau aus dem Harem, die sich schon letztes Mal schamlos meinem Mann an den Hals geworfen hatte, und guckte entsetzt auf die vor ihr erschienene rote Wand. Hätte sie mich sehen können, hätten sich ihre Augen auf mich fokussiert. Stattdessen starrte sie blind auf das rote Ding und versuchte anscheinend, die Ursache dafür zu finden. Und die für den plötzlichen Lärm. Zu meiner grenzenlosen Überraschung trat sie tatsächlich einen Schritt vor und berührte die Wand, als könne sie sie somit durchbrechen und in diesen Raum gelangen. Ein erschreckend entschlossener Ausdruck spiegelte sich auf ihrem Gesicht. Sie musste wirklich verrückt nach Ethan sein, stellte ich fest und bemitleidete sie sogar ein bisschen.

Was als Nächstes geschah, saugte mir die Luft aus den Lungen. Die Frau berührte die rote Wand... und fing am ganzen Körper an zu brennen. Es waren keine wirkliche Flammen, die sich auf ihrer Haut zeigten. Viel eher waren es die Blasen und das grässliche Rot, welche Verbrennungen nach sich zogen. Ihren Mund zu einem stummen Schrei geöffnet, ließ sie die Wand erst los, als ihre Haut an mehreren Stellen aufplatzte und ihre Augen...

Ich drehte mich weg und übergab mich. Dabei stieß mein Ellenbogen Ethans dämonischen Laptop an, der im gleichen Rot wie die Laserwand an der der Tür und den Fenstern hinter mir aufflackerte.

Das Ding wog entweder nichts oder aber mein Stoß war zu stark, denn er schlitterte über den Schreibtisch und verschwand auf der anderen Seite über der Kante. Ich hörte nur noch ein hässliches Knacken, bevor ich mich hinterherwarf, den Blick geradeaus zur Tür auf Teufel komm raus vermeidend.

Dabei glit ich allerdings durch die um mich schwebenden Bildschirme und öffnete versehentlich... irgendwas. Der Laptop war dahin und die neu erschienen Grafiken auf den, jetzt flackernden Bildschirmen zeigten irgendwelche absurd hohe Zahlen im grünen Bereich. Ich fasste mir ins Haar. Warum hatte ich überhaupt ins Internet gewollt! Um eine glaubwürdige Lüge zu erzeugen, warum du überhaupt erst an seinen Laptop gegangen bist.

"Halt die Klappe!", zischte ich, verzweifelt, was ich jetzt tun sollte.
"My Lady!" Mein Kopf schnellte hoch und ich sah auf der anderen Seite der rot leuchtenden Wand Jaswinda und Alistair. Erstere schweißgebadet und im absoluten Schock, Letzterer in vollkommener Beherrschung getaucht. Das Gesicht leer von jeglicher Emotionen, kickte Allistar die am Boden liegende Frau zur Seite und trat näher an die rote Wand. "Nicht", kreischte ich panisch und Alistair blieb abrupt stehen. Sorge breitete sich in mir aus, er würde sich wehtun, er würde sterben, wenn er auch nur einen Schritt näher kam.

Aber Alistairs Gesicht blieb kühl, wenn doch seine Augen für einen kurzen Augenblick überrascht aufflackerten. "Ich weiß um die Gefahr Bescheid, My Lady", teilte er mir in seiner melodischen Stimme mit. "Ich wollte nur sicher gehen, dass Ihnen nichts passiert ist." Ich schüttelte den Kopf. "Mir geht es gut." Mir wäre es lieber, er und Jaswinda würden mindestens zehn Meilen Abstand von diesem Ding halten. "Aber ich habe Ethans Laptop..." Ich hob die auseinander gebrochene Tastatur- und Bildschirmhälften hoch, was Antwort genug für beide war.

Jaswinda schluckte sichtbar. "War das der Auslöser?", fragte sie mich, ihre Hautfarbe aschfahl. Mit zusammengebissenen Zähnennickte ich. "Ich wollte ins Internet, solange ich wartete."
Die junge Frau sah aus, als würde sie jeden Moment umkippen. Ich war mir sicher, dass ich ihre Haltung und ihren Gesichtsausdruck spiegelte. "Nicht schlimm, My Lady", sagte Alistair und seine Stimme allein wirkte wie Balsam auf mich. "Lord Ethan besitzt einen Universalschlüssel, es dauert nur ein bisschen, da er die Schilde einzeln deaktivieren muss."

Bei Ethans Erwähnung zuckte ich leicht zusammen. Ich hatte Mist gebaut und mehr noch, wie viele Menschen waren noch meiner Dummheit zum Opfer gefallen? Mein Blick zuckte zu Alistairs Füßen, dort, wo vorhin noch die Frau gelegen hatte. "Es tut mir leid", sagte ich mit erstickter Stimme, wissend, dass eine Entschuldigung nichts wieder gut machen würde.
"Es gibt nichts, wofür Ihr euch entschuldigen müsst", sprang Alistair sofort ein, aber er irrte. Die Frau war unschuldig, abgesehen davon, dass sie ein Miststück gewesen war.

"Ihr Irrt." Ich blinzelte. Jaswinda war nun auch näher gekommen, ihre Augen zwei dunkle Strudel, in denen etwas brannte, von dem ich annahm, dass es ihre Lebensgeister waren, die sie vor langer Zeit vergraben hatte. "Diejenigen, die es getroffen hat, werden es verdient haben." Ihr Blick zuckte an die gleiche Stelle wie meiner vorhin und ich fragte mich, ob sie Gedanken lesen konnte.

Wir fochten ein kurzes Duell mit unseren Augen aus, bis mir plötzlich klar wurde, dass Jaswinda wusste, weshalb ich hier war. Sie wusste, was für einen Versuch ich hier durchgeführt hatte und das plötzliche Feuer in ihren Augen verriet mir, was sie davon hielt. "Opfer gibt es überall", teilte sie mir von der anderen Seite mit und der von der roten Wand erzeugten Schimmer auf ihrem Gesichtverlieh ihr eine zusätzlich entschlossene Note. Ich musste erneut schlucken. Ich hatte nichtsdestotrotz versagt, ein Umstand, den ich nicht rückgängig machen konnte.

Alistair, der keine Ahnung hatte, wovon wir wirklich sprachen, nickte Jaswinda zustimmend zu. "Opfer gibt es jeden Tag in der Welt und die Menschen in diesem Anwesen sind eure Spielfiguren. Sie sind dazu verpflichtet, euch dieses Opfer zu bringen." Ich wusste, dass Alistair es nur gut meinte, aber die absolute Überzeugung in seinen Augen und die absolute Loyalität zu seinen Worten ließ in mir den Drang aufkommen, mich wieder zu übergeben.

Ich wollte mich wegdrehen, aber in diesem Moment flackerte die rote Wand und fiel in sich zusammen. Das Nächste, was ich wahrnahm, war, dass Jaswinda und Allistar zur Seite gestoßen wurden, um Platz für den einen Mann zu machen, in dessen Gegenwart ich mich sicher genug fühlte, um meinem Tränen freien Lauf lassen.
Eben jener Mann, dessen Untergang ich zu bekommen beschlossen habe.

"Mia!" Ethan stürzte auf mich zu, schlang seine Arme um mich und presste mich an seine breite Brust. Fast schon automatischklammerte ich mich an ihn und vergrub mein Gesicht in sein durchgeschwitztes Hemd. Vielleicht würde es nicht nur sein eigener Untergang sein. Viel wahrscheinlicher erschien es mir, dass ich mich selbst an die Klippe manövrierte, die zu meinem Grab werden würde.

B

Schachmatt #3 Das Spiel der Könige Where stories live. Discover now