Drei

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Der nächste Tag sieht für uns kein Programm vor. Wir können in den Ort gehen oder uns hier auf dem Gelände vergnügen. Ich nutze die Gelegenheit und gehe nach dem Frühstück los in den Ort in dem unsere Jugendherberge steht. Dort hole ich mir ein paar Brötchen und einen Kaffee und setze mich auf eine Parkbank am Marktplatz. Ich schaue den Menschen zu und denke über Neles Vorschlag nach. Ihre Idee ist gut. Allen mal sagen was Sache ist. Ich könnte allen zeigen wie es mir wirklich geht, mein wahres Gesicht zeigen, nicht das, dass ich jeden Tag zur Schau trage und so sorgfältig pflege.

Ich habe noch Zeit, also gehe ich einen kleinen Umweg zurück zur Herberge. Ich komme an einer anderen Klasse vorbei. Sie ist aus einer anderen Herberge und macht hier am Ackerbaumuseum Mittagspause. Im Vorbeigehen mustere ich die Schüler. Was denken sie? Was würden sie über mich denken? Gibt es bei ihnen auch so einen wie mich? Was machen sie mit ihm oder mit ihr? Schikanieren sie sie genauso?

Mir werden einige Sachen klar. Ich habe so lange nichts gesagt, weil ich dachte es kommt jemand der mir das abnimmt. Ich habe mich vor der Wahrheit verschlossen. Außenstehende können meine Lage nicht sehen. Sie sehen nur so eine Klasse wie ich sie gerade sehe. Ich kann also nicht auf Hilfe hoffen, ich muss mir selbst helfen und jetzt weiß ich auch was ich sage. Nicht morgen, ich mache es heute! Heute helfe ich mir aus dieser Scheiße heraus!

In der Jugendherberge erwische ich Nele kurz alleine. Ich weihe sie in meinen Plan ein, heute Abend schon, es allen zu sagen. Sie ist voll und ganz einverstanden. Meinem Tutor sage ich, ich müsste bei der Versammlung nur kurz was sagen. Er hat nichts dagegen.

Es ist soweit. Die Versammlung am Abend steht an. Ich bin ein kleines bisschen aufgeregt, aber nicht wegen der Rede an sich, sondern wegen Reaktionen. Wie werden sie reagieren?

Mein Tutor übergibt das Wort an mich, die Schüler sind verwirrt. Sie haben nicht damit gerechnet und tuscheln miteinander. Ich bin das gewöhnt, auch als sie nicht aufhören als ich vorne stehe. Ich kenne das. Ich warte einfach. Sich beschweren wäre fatal. Ich warte einfach bis alles still ist. Ich habe Zeit. Ich will nicht ins Bett und mich dann noch unterhalten wie alle anderen. Endlich wird es still. Ich schaue nach unten, dann zu den anderen.

"Leute, ich bin sauer! Und das aus gutem Grund!"

"Aber wir haben doch gar nichts gemacht!", kommt es sofort zurück.

"Genau das ist es was mich stört! Erstmal die große Klappe aufreißen ohne nachzudenken! Das ist ja mal wieder typisch!" Ich mache eine Kunstpause.

"Allerdings...wenn man es genau nimmt hat er gar nicht so Unrecht. Ihr habt wirklich nichts gemacht. Und genau hier liegt das Problem! Ihr habt noch nie den Versuch unternommen euch auch nur ansatzweise Gedanken zu machen wie es sich anfühlt wenn man tagaus tagein von 26 Idioten auf das primitivste - auf das allerprimitivste - herabgewürdigt wird. Habt ihr geglaubt mir hätte es Spaß gemacht ausgerechnet für euch als unter 24-Jähriger ohne Führerschein Klasse C und ohne Personenbeförderungerlaubnis einen Reisebus über die Autobahn zu fahren? Obwohl ihr mich jeden Tag auf das schlimmste beleidigt, habe ich euch geholfen und inzwischen muss ich sagen, es war die dümmste Entscheidung die ich jemals in meinem Leben getroffen habe und getroffen haben werde!"

Keiner spricht. Alle hören zu. Außer Georg, der mit seinem Nachbarn tuschelt.

"Georg Hauswald, ich habe nicht die leiseste Ahnung was bei deiner Erziehung falsch gelaufen ist, aber wenn du nicht sofort deine Klappe hälst und dich wie ein anständiger Mensch benimmst werde ich etwas tun was dir und uns allen nicht gefallen wird. Ich finde es unglaublich respektlos von dir, dass du es nicht für nötig hältst auch nur so zu tun als wenn du zuhören würdest. Du bist gerade das beste Beispiel für die beispiellose Unverschämtheit die auch die anderen an den Tag legen, also halt die Klappe und zeig den anderen wie man sich im 21. Jahrhundert zu benehmen hat!"

KlassenfahrtWhere stories live. Discover now