Jäger Nr. 2

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Der Jäger blieb wenige Meter vor mir stehen und ließ den recht massiven und fortschrittlich wirkenden Langbogen in der Hand sinken. Meine Finger schlossen sich krampfhaft um den Griff meiner Sense. Alles in meinem Kopf schrie nach Gefahr und alarmierte mich die Flucht zu ergreifen. Aber eine feige Flucht war keine Option für mich. Ich könnte nie wieder erhobenen Hauptes in den Spiegel schauen mit der Gewissheit ängstlich den Schwanz eingekniffen zu haben. Außerdem musste ich die Strohhüte da raus halten, das war ein Kampf zwischen uns beiden.

Mein Körper spannte sich an, jederzeit bereit den Kampf zu beginnen, sollte der Jäger auch nur mit einem Muskel zucken.

Dieser jedoch stand ruhig und selbstsicher vor mir und schien mich genauso zu analysieren wie ich ihn.

Ein weißer Marineumhang lag locker um seine schmalen Schultern und flatterte leicht im Wind. Das war allerdings auch schon das einzige Marine-Typische für ihn.

Über dem Gesicht trug er eine lederne Atmenschutzmaske, ähnlich einer Gasmaske. Der längliche Atemschutzfilter wirkte weniger wie ein Rüssel, eher wie ein Schnabel und machte das Konstrukt zu einer Kombination aus Gasmaske und Pesthaube. Die Augen waren hinter zwei gläsernen Linsen versteckt in denen sich mein Spiegelbild zeigte und auch auf der rechten Seite ein eingezeichnetes Visier.
Die Bebänderung war am Hinterkopf befestigt, der kahl rasiert war, und presste die Vollmaske so auf das Gesicht. Ansonsten trug der Soldat eine kurzärmliche Weste in hellem Braun, sowie eine enge Hose in einer etwas dunkleren Nuance. An den Unterarmen trug er den Armschutz fürs Bogenschießen.

"Wer bist du", verlangte ich zu wissen aber erhielt keine Antwort.
"Was willst du?", versuchte ich es dennoch weiterhin. Seine Ziele waren mir nicht ganz klar. Okay, er war Kopfgeldjäger und wollte womöglich tatsächlich nur meinen Kopf und den der Strohhüte. Aber warum stand er hier und wartete? Auf was? Eine Erkenntnis erlangte ich nicht, dafür fehlten mir die Informationen zu meinem Gegner.

Vielleicht war er Sadist und wollte seinen Gegnern Angst einjagen? Oder er suchte das Duell, denn unsere Position ließ gerade auf nichts anderes schließen. Dass er mit einem Bogen im Fernkampf bessere Aussichten hatte als ich mit einer Sense musste ich wohl nicht erwähnen.

"Na gut, dann lass uns beginnen", wollte ich das Unvermeidbare nicht länger hinauszögern. Schneller als meine Augen es wahrnehmen konnten zog er einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn ab und ließ ihn in meine Richtung schnellen. Geschockt warf ich meinen Körper nach rechts und spürte trotzdem den scharfen Schmerz aufreißender Haut. Dunkles Blut quoll aus der langen Wunde an meinem Hals und einige kleine zerfetzte Federn stoben auf, da der Pfeil auch noch mein Flügelgelenk gestreift hatte.

Verflucht. Das konnte nicht gut enden. Nicht für mich zumindest. Meine Füße suchten auf den Planken nach Halt, doch bevor ich mein Gleichgewicht wieder gefunden hatte, nahm ich das Sirren eines weiteren Pfeils wahr. Instinktiv riss ich die Arme hoch und überließ meinen Schatten einen Großteil meiner Kraft.

Diese bildeten innerhalb eines Wimpernschlags riesige Tentakel, die von allen Seiten gleichzeitig kamen um eine schützende Hülle um mich herum zu bauen. Wiederwillig zuckten bei diesem Bild meine Mundwinkel. Es sah doch tatsächlich so aus als ob ein gigantischer Kraken hier sein Unwesen tat, mit meiner Wenigkeit als Epizentrum. Ein paar Schatten lösten sich aus dem kugelförmig Schutzgewölbe und gingen in den Angriff über. Sie züngelten aus drei verschiedenen Richtungen auf den Jäger zu, ein vierter durchbrach die Planken und suchte sich seinen Weg von unten zu meinem Gegner.

Ein siegessicheres Lächeln zierte nun mein Gesicht. Da hatte mich wohl jemand unterschätzt. Macht machte mich leichtsinnig, die Energie kribbelte in meinen Fingerspitzen und ich war mir gewiss, dass mich nichts in der Welt je in die Knie zwingen konnte. Was könnte man denn schon gegen jemanden wie mich ausrichten? Ich war und blieb eine Dämonin, mit unvorstellbaren Kräften, unbezwingbaren Willen und einem Herz aus Stein. Ich würde diesen Jäger mit einem Fingerschnippen ausradieren und damit die Marine in aller Welt blamieren. Ihre beste Waffe - pah.

Lorelei Morgenstern (OnePiece FF)Where stories live. Discover now