Lesson 12.

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Ich durfte eine halbe Ewigkeit auf den Bus warten und kam erst später nach Hause als eigentlich geplant. Noch etwas, was mich an diesem Tag nervt. Als ich dann endlich zuhause angekommen bin, stapfe ich direkt in mein Zimmer, werfe meine Sachen einfach in eine Ecke und versuche mich abzulenken. Allerdings habe ich nicht lange meine Ruhe und kurz darauf kommt Alina in mein Zimmer.
„Auch mal da?", fragt sie beim Eintreten, ohne einmal angeklopft zu haben. Den Spott in ihrer Stimme überhöre ich natürlich nicht und verdrehe bereits genervt die Augen. Als ob meine Laune nicht schon schlecht genug wäre.
„Ich hab den Bus verpasst", sage ich einfach und gebe mir nicht einmal Mühe sie anzuschauen.
„Ach ja? Wo warst du denn?", fragt sie weiter und setzt sich zu mir aufs Bett.
„In der Schule", lüge ich ohne mir Mühe zu geben glaubwürdig zu wirken und starre weiterhin an ihr vorbei.
„Ach echt? Da habe ich aber anderes gehört."
Mit einem leisen Stöhnen wende ich meinen Blick jetzt doch in ihr Gesicht. Ihre Augen funkeln und ihr Mund grinst hämisch.
„Was willst du?"
Sie streckt ihre Arme und kommt mir ein wenig näher: „Du warst heute mittag nicht im Unterricht. Was, wenn ich das unseren Eltern erzähle?"
Ich muss mich beherrschen sie nicht gleich aus meinem Zimmer zu jagen: „Und wie oft hätte ich ihnen schon etwas von dir erzählen können und habe es nicht getan?"
Ihr Lachen wird nur noch breiter.
„Du leugnest es nicht. Also warst du wirklich wo anders."
Im nächsten Moment steht sie von meinem Bett auf. Mein Blick erstarrt und ich würde mir am liebsten auf die eigene Stirn schlagen.
„Keine Angst, ich habe kein Interesse darin dich bei unseren Eltern schlecht zu reden. Aber es würde mich schon wundern, wo du warst. Vielleicht möchtest du mir den Grund ja mal vorstellen."
Mit diesen Worten und einem Augenzwinkern geht sie aus meinem Zimmer und schließt die Türe hinter sich ganz sachte. Ich halte kurz inne. Ihr den Grund vorstellen? Ich muss mir ein Lachen verkneifen. Ihr Luca vorstellen? Ich wüsste nicht wieso. Reicht ja schon, dass ich wegen ihm geschwänzt habe, da will ich ihn doch nicht auf noch meiner Familie vorstellen.
'Hallo Familie, das hier ist Luca, wegen ihm habe ich Bio geschwänzt und verschwende meine kostbare Zeit, die ich für etwas anderes verwenden könnte.'
Nein, ganz sicher nicht. Ich beschließe nicht weiter daran zu denken und lenke mich mit einem Buch ab, das ich bereits gelesen habe.

Das Ablenken läuft so gut, dass ich erst als meine Mutter an die Tür klopft wieder vom Buch aufblicke.
"Max? Ich habe dir schon dreimal gerufen, es gibt essen."
Verwirrt blicke ich auf die Uhr. Ist es tatsächlich schon so spät? Ich habe gar nicht bemerkt, dass die Zeit so schnell verging.
"Oh, tut mir leid, das habe ich wohl nicht gehört", entschuldige ich mich schnell, schließe das Buch und stehe vom Bett auf. Meine Mutter mustert mich noch einmal ganz komisch von oben bis unten, bevor sie aus meinem Türrahmen geht. Etwas irritiert folge ich ihr und setze mich an den bereits gedeckten Esstisch. Ich bin der letzte, wenn man Anna nicht dazu zählt. Es ist sogar bereits später als normalerweise, als wir alle mit dem Essen beginnen. Meine Mutter holt den letzten Topf aus der Küche und stellt ihn in die Mitte des Tisches: "Heute musste es schnell gehen, ich hatte vorhin noch einen kurzfristigen Termin, weshalb ich etwas später nach Hause kam."
Ich verschlucke mich beinahe an meinem Wasser und muss ein paar Mal kräftig husten. Sofort muss ich an den Jungen denken, der wie Luca aussieht. War er vielleicht der kurzfristige Termin? Hätte ich ihn heute doch noch abpassen können? Hätte ich heute sogar vielleicht schon das ganze Rätsel lösen können?
"Alles okay?", fragt mich mein Vater und legt mir mitfühlsam die Hand auf die Schulter.
"Ja, alles gut."
Ich bemerke erneut einen komischen Blick auf mir und als ich meine Mutter anschaue, sehe ich wieder diesen prüfenden Blick, mit dem sie mich bereits in meinem Zimmer gemustert hat. Als sie ebenfalls meinen Blick bemerkt, wendet sie sich wieder zu ihrem Essen und isst weiter, als wäre nichts gewesen. Mich durchfährt es eiskalt. Meine Eltern wissen immer genau, wenn etwas passiert. Sie wissen, wann man lügt. Sie wissen, wenn man Probleme hat. Was ist, wenn meine Mutter weiß, dass ich heute bei Luca war. Alleine der Gedanke daran gefällt mir überhaupt nicht und es ist mir unangenehm, wenn das jemand wissen würde. Ich beschließe so unauffällig wie möglich weiter zu essen, was allerdings gar nicht so einfach ist, da ich den ständigen Blicken meiner Mutter ausgesetzt bin. Ich beschließe sie zu ignorieren und stehe nach dem Essen auch als erster auf. Schnell bringe ich das Geschirr in die Küche um dann so schnell wie möglich wieder in meinem Zimmer verschwinden zu können.
Ich greife sofort nach meinem Buch und fange bereits zu lesen an, da öffnet sich ganz sachte meine Türe. Zuerst denke ich, ich hätte sie nicht richtig zugemacht, doch als meine Mutter mit verschränkten Armen im Türrahmen steht, dämmert es mir bereits. Ganz langsam lege ich das Buch auf die Seite, unter dem stetigen Blick meiner Mutter.
"Du warst heute mittag nicht im Unterricht?"
Mein Herz setzt kurz aus, bevor ich mich wieder fange: "Ja..."
Es ist mir peinlich und ich traue mich nicht einmal ihr in die Augen zu schauen. Ich schäme mich gerade so sehr.
"Ist etwas vorgefallen oder hast du Probleme mit jemandem?", fragt sie dieses mal ein wenig sachter weiter, dabei bin ich mir sicher, dass sie genau weiß, dass ich keine Probleme oder dergleichen habe.
"Nein, das ist es nicht", druckse ich ein wenig herum und schaue dabei in meinem Zimmer herum.
"Achja, wieso denn dann? Normalerweise verpasst du doch nie freiweillig ein Fach."
Ich möchte, dass dieses Gespräch so schnell wie möglich endet. Ich beschließe ihr einfach die Wahrheit zu sagen. Ist vermutlich auch besser als sie anzulügen.
"Ich habe einem Jungen Nachhilfe gegeben."
Erwartungsvoll blicke ich das Gesicht meiner Mutter, in der Hoffnung, dass sich darin irgendetwas regt. Doch sie schaut mich gleichbleibend an.
"Achso. Ich finde es toll, dass du anderen hilfst", sagt sie, tut dabei überrascht, obwohl man ihr ansieht, dass sie es nicht ist. Auch ihr Lob ist wohl eher sarkastisch als ernst gemeint.
"Vielleicht sollten diese Nachhilfestunden aber nicht während deinem Unterricht sein. Nur weil du jemandem hilfst musst du ja nicht dich selber vernachlässigen."
Mit diesen Worten verlässt sie wieder mein Zimmer, bevor ich etwas erwidern konnte. Perplex bleibe ich auf meinem Bett sitzen. Woher weiß sie immer alles? Ich werde wohl nie dahinter kommen. Ich nehme mir fest vor nicht mehr für Luca zu schwänzen, gleichzeitig aber auch nicht ihn dazu anzuregen, da er dringender denn je in den Unterricht muss. Ein wenig erleichtert lese ich mein Buch weiter und schlafe irgendwann dann auch ein.

Subject (Mauz/BoyxBoy)Where stories live. Discover now