Kapitel 2

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A m a r a

Erst als mein Husten nachließ, blinzelte Nathaniel ein paar Mal nacheinander fieberhaft, als könnte er noch immer nicht glauben, dass ich hier in dieser bequemen, blauen Ecke saß.
Ich wollte nicht, dass er zu mir kam, aber genau das tat dieses Schwein. In mir brach eine Welle des Schmerzes aus, der Frustration und der Hilflosigkeit. Er blickte mir stur und zielstrebig in die Augen, setzte selbstbewusst einen Schritt nach dem anderen und ich wusste nicht, wo ich hinsehen sollte, während ich weiterhustete und es mir die Tränen in die Augen jagte. In sein Gesicht? Mein Essen vor mir oder doch lieber zu Luon?

Ich war in ihn verliebt, und trotzdem hatte er meine Liebe schamlos ausgenutzt. Endlich waren die Rückstände fort und ich atmete tief durch die Nase ein.

»A-Amara. Hey, mein Engel«, flüsterte Nathaniel, als er mir nahe genug war und setzte sich wie selbstverständlich frontal mir gegenüber, was nicht gerade zur Milderung meines starken Pulses führte. Mit dem Stottern schwand sein Selbstbewusstsein, denn nun, als er direkt vor mir saß, wirkte er sehr unsicher. Seine Hände versteckte er unter dem Tisch und sein Blick war sehr unruhig. Mein Engel? Hatte er sie noch alle?

Meine Handflächen waren auf einmal völlig nass und ich ließ instinktiv die glänzende Gabel mit zwei aufgespießten Pommes sinken, während ich die dunklen Schatten unter seinen Augen entdeckte. Ob es ihn im Inneren genauso quälte, wie mich?

Aber er war derjenige, der den Fehler begangen hatte, nicht ich, das durfte ich selbst nicht vergessen. Und jetzt, nicht einmal eine Woche später, wollte ich nicht schwach werden.

»Nate... Ich will einfach nur in Frieden hier essen. Bitte nimm' dir einen anderen Tisch, davon gibt es reichlich«, sagte ich leise, aber bestimmend. Ein Wunder, dass ich das überhaupt über die Lippen bekam. Unauffällig zupfte ich an einem abstehenden Stück Haut an meinem unlackierten Fingernagel.

Ich wollte ihn nicht in meiner Nähe. Nicht nach dieser kurzen Zeit, in der ich versucht hatte, ihn zu verdrängen.
Einfach alles. Nate. Die Liebe zu ihm. Die Gedanken, sein Lachen, seine Sorge, wenn ich krank war.
Und jetzt, als er vor mir saß und seine schwarzen Augen mich traurig musterten, die Schatten unter seinen Augen das widerspiegelten, was in mir vorging und seine Körperhaltung nicht mehr die Souveränität ausstrahlte, sondern kraftlos wirkte, merkte ich erst, wie sehr ich diesen Mann vermisste.

Meine Finger begannen unkontrolliert zu zittern, also legte ich sie bewusst auf meinen bebenden Schoß und erwiderte seinen Blick eisern, doch Nathaniel erhob sich nicht.
Er saß vor mir, als könne er nicht glauben, was hier geschah. Wir waren getrennt. Nicht mehr das Paar, welches wir vor fünf Tagen waren. Das perfekte Paar. Ein Jungunternehmer und seine Verlobte.

»Amara, bitte. Gib mir diese eine Chance, bitte. Es war ein Fehler, ein verdammt dummer und großer Fehler«, murmelte der schwarzhaarige Mann und streckte eine Hand über den schmalen Tisch in meine Richtung aus.
Nachdenklich musterte ich diese und unterdrückte den Instinkt, nach ihr zu greifen. Ich unterdrückte den Instinkt, zu weinen. Unterdrückte alles, aber ich wusste, sobald ich allein war, fing alles wieder neu an. Diese dauerhafte Spirale des Schmerzes. Dieser Druck in der Brust, das Gefühl der Einsamkeit und diese Angst, nur ausgenutzt worden zu sein. Doch unser Gespräch wurde unterbrochen, als die große Gestalt von Luon an dem hellen Tisch auftauchte und eine Cola mit drei Eiswürfeln darin abstellte, welche keiner von uns beiden bestellt hatte.

Anschließend zog er einen niedrigeren, grauen Stuhl von dem Tresen her und setzte sich auf diesen, nahm das kalte Glas in die Hände, nahm einen Schluck und lächelte erst Nate und anschließend mich breit an.
»Na, alles fit?«, fragte er provokant höflich, und ich hatte absolut keine Ahnung, was ich darauf sagen sollte. Ebenso Nathaniel, welcher nicht gerade begeistert Luon musterte. Die beiden sahen sich einen Moment unzufrieden an, bevor Nate seufzte und kurz die Augen schloss, als sei er wirklich genervt von Luons Anwesenheit.

Luon Cooper Where stories live. Discover now