Kapitel 3

22 2 1
                                    

Es war ende Oktober. Langsam kam der Winter, die wohl mit Abstand traurigste Jahreszeit. Die Tage wurden dunkler und die Stimmung kippte.
Früher glaubte ich an den Weihnachtsmann und Weihnachten war immer aufregend und spannend, aber heute sind es nur noch ein paar Tage der Trauer.
Vor ein paar Jahren wurde mein Vater krank. Erst brach er sich bei einem Unfall seine Schulter und später wurde er wieder ins Krankenhaus eingeliefert. Diesmal wegen Krebs. Die wohl unnötigste Krankheit die es auf dieser Welt gibt.
Zum Ende des Jahres verschlechterte sich sein Zustand immer weiter. In dieser Zeit war ich so gut wie jeden Tag im Krankenhaus. Aber ich hatte immer noch Hoffnung. Mit 12 Jahren rechnet man eben nicht damit, dass so etwas passiert, denn rückblickend betrachtet war ich zuvor ein sehr glückliches Kind. Ich hatte Freunde und Familie die immer für mich da waren und mich unterstützen. Außerdem lebte ich in einer Wohnung gegenüber von einem Spielplatz was natürlich jedes Kind toll finden würde.
Die Probleme fingen erst richtig an als wir umzogen. Nicht sehr weit weg aber ich wechselte trotzdem die Schule. Meine neue Klasse war nicht der Brüller. 17 Jungs und 3 Mädchen. Jungs wahren zu dieser Zeit eh nicht wirklich was für mich aber eines der zwei anderen Mädchen wurde eine echt gute Freundin von mir. Bis sie mich verarschte. Sie hatte mich quasi die ganze Zeit angelogen. Zu dem anderen Mädchen hatte ich kein gutes Verhältnis. Sie verbrachte die meiste Zeit bei den Jungs und war generell einfach reifer als ich. Doch nachdem die beiden Mädchen sich annäherten wurden sie dicke Freunde. Von da an hassten sie mich. Das letzte halbe Jahr auf dieser Schule war die Hölle. Sie bedrohten mich und ich hatte zu diesem Zeitpunkt so gut wie keine Freunde.
Doch dann kam die Erlösung im Sommer. Ich kam in die 7. Klasse einer neuen Schule und ich fühlte mich sehr schnell sehr wohl. Die Klasse war toll und ich wurde akzeptiert. Ich schloss neue Freundschaften und es ging wieder bergauf. Bis zum November.
Ende November bekam mein Vater die Diagnose. Seine Chancen standen gut. Und trotzdem ließ er uns am 25.12. für immer allein. Diese Tage werde ich wohl nie vergessen. Als ich am Morgen des 25. aufwachte schien die Sonne. Ich sah in den Himmel und dachte mir nur „jetzt bist du angekommen". Ich konnte nicht weinen irgendwie war ich in diesem Moment sogar etwas glücklich. So ging es etwa zwei Monate. Ich ging wieder zur Schule. Die Welt drehte sich weiter. Doch es war nichts mehr so wie es war. Und trotzdem kam so etwas wie Alltag wieder.
Ich gewöhnte mich schnell daran nur noch zu zweit zu sein. Doch das was blieb war ein Weihnachtsfest, dass voller Trauer gefeiert wurde. Das schlimmste jedoch sind die Momente in denen mir bewusst wird, dass er nie mehr hier sein wird. Er wird so viele Dinge verpassen. Meine erste große Liebe, meine erste eigene Wohnung, mein erster Job. Das alles kann ich nicht mit ihm teilen und das ist das was einen auf Dauer fertig macht. Es sind nicht die Todestage an denen man an die Person denkt. Es sind die Momente voller Glück in denen man an sie denken muss. Und dann wird man wieder traurig und fragt sich warum. Warum du? Und warum so früh?

helplessWhere stories live. Discover now