Alptraum einer Nacht

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Blinzelnd wache ich auf. Und wieder ertönt das Geräusch das mich geweckt hat. Es sind die Stimmen meiner Eltern und meines Onkels und das Lachen meines Bruders die wieder aus dem Wohnzimmer schallen. Sie sind zurück aus dem Gartengelände in dem sie gefeiert haben. Schnell springe ich auf, öffne meine Zimmertür, laufe in den Wohnungsflur hinaus und bleibe kurz einen Moment stehen. Seltsam das unsere kleine Lampe auf dem Schränkchen nicht eingeschaltet ist. Eigentlich leuchtet sie abends immer, damit sich keiner extra das große Licht einschalten muss um vorne zur Toilette zu gehen. Ein wenig ist das auch aus Rücksicht auf mich, da das große Licht sehr stark durch das Oberlicht in meiner Zimmertür scheinen würde und mich beim Schlafen stören könnte. Naja, vielleicht wollten sie nicht das ich aus meinem Schlaf geweckt werde und haben deswegen jegliches Licht aus gelassen. Dann hätten sie aber auch etwas leiser sein müssen. Ich grinse in mich hinein, nehme mir vor ihnen das im Spaß vorzuhalten, drücke die Klinke der Wohnzimmertür, hinter der ich erneut lautes Lachen höre und die Tür auf und will gerade die Versammlung grüßen, als ich mit einem Schlag verstumme. Das Wohnzimmer ist stockdunkel und leer. Verwundert stehe ich da, kann überhaupt nicht verstehen was ich sehe bzw. nicht sehe. Ob sie mich ein wenig auf die Schippe nehmen wollen und einfach das Licht ausgemacht und sich versteckt haben? Vorsichtig und nun etwas ängstlich schalte ich das Licht ein. Niemand da. Da plötzlich ertönt ein lautes Gelächter hinter mir und ich fahre herum. Erwarte mit dem hoffnungsvollen Teil in mir das es sich einfach um ein Missverständnis handelt und sich meine Familie statt im Wohnzimmer in der Küche aufhält, die gleich gegenüber liegt. Doch der realistische andere Teil hat längst erkannt dass die Küchentür weit offen steht und niemand sich in dem kleinen Raum befindet. Eiskalt läuft es mir den Rücken runter. Was ist hier los? Alle meine Instinkte warnen mich schnell nach draußen zu laufen, doch ich bin unfähig mich zu bewegen. Schleiche schließlich zur Schlafzimmertür und lege vorsichtig ein Ohr daran um zu lauschen. Und höre ein Geräusch das mir so vertraut ist, aber so gar nicht zu dem passt was ich vorher zu hören meinte. Dieses vertraute Geräusch ist ein Schnarchen; das Schnarchen meines Vaters. Ein Gedanke bringt mir ein wenig Erleichterung. Ob ich nach dem Aufwachen einfach noch im Halbschlaf war und mir dadurch die Stimmen einfach nur eingebildet habe? Vielleicht hatte ich sie daher noch so gut im Kopf weil ich sie gehört habe, bevor meine Familie die Wohnung verlassen hatte. Na klar! Ich fasse mir an den Kopf und lache erleichtert auf, leise um meine Eltern nicht zu wecken. Öffne dann die Tür zum Schlafzimmer. Tatsächlich! Ich sehe meine Mutter aufrecht im Bett sitzen und sie sieht in meine Richtung. Durch die Dunkelheit kann ich ihr Gesicht nicht erkennen, kann nicht sagen ob sie gerade erst zurückgekehrt sind und mein Vater wie immer direkt eingeschlafen ist, während meine Mutter dafür immer etwa eine halbe Stunde braucht oder ob sie schon länger da sind und meine Mutter gerade wach geworden ist. Komischerweise bewegt sie sich gar nicht. Langsam trete ich näher zu ihr, lege ihr eine Hand an die Schulter. „Mama?" Da wendet sie mir ihr Gesicht zu und ich erstarre, kann kaum mehr einen klaren Gedanken fassen, dann schreie ich los. Statt der schönen gebräunten Haut besteht das Gesicht meiner Mutter nur aus Knochen, vermoderte Haut hängt ihr vom Kinn, von den Wangen und der Stirn und ein irres Grinsen im Gesicht und den Augen lässt mir beinahe das Herz stehen bleiben. Ich wirble herum und sprinte aus dem Schlafzimmer. Nur noch ein Gedanke in meinem Kopf: Ich muss hier raus! Keuchend reiße ich die Wohnungstür auf, erwarte halb dass sie sich nicht öffnen lässt, habe aber Glück und renne in den Flur. Während ich die erste Treppe von dreien hinunter renne, schreie ich laut um Hilfe doch nirgends öffnet sich eine Tür, nirgends höre ich auch nur annähernd ein Geräusch. Darum renne ich weiter, renne so schnell ich kann. Bis ich mit Schrecken feststellen muss das hier noch etwas nicht stimmt. Ich sehe nach unten. Ich bin mindestens schon vier Treppen hinunter gerannt und unser Treppenhaus hat eigentlich nur drei. Wo bleibt das Erdgeschoss und die rettende Haustür? Erneut erstarre ich. Was ich unter mir sehe, raubt mir den Atem, lässt mich jede Hoffnung verlieren. Das Treppenhaus windet sich über mindestens noch weitere hundert Treppen nach unten, verliert sich dort im stockdunklen und ich wage nicht mir vorzustellen was mich dort unten erwartet. Ich blicke wieder nach oben. Meine Mutter steht am Treppengeländer, sieht zu mir herunter, grinst mich wieder mit diesem grausam entstellten Gesicht an, tritt nun auf die erste Stufe und kommt langsam zu mir hinab. Ihr Mund klafft dabei weit auseinander was den Horror noch schlimmer macht. Erneut wirble ich herum, renne so schnell ich kann die Treppen hinunter. Was auch immer mich dort unten erwartet, der Anblick dieses hämisch grinsenden Leichnam der dort oben auf mich zu kommt, ist für mich nicht zu ertragen. Eilig renne, springe und haste ich weiter nach unten, da ertönt plötzlich die Stimme meines Vaters. Sanft spricht sie zu mir: „Hey Kleines, wach auf! Du hast einen Alptraum. Wach auf!" Ich versuche der Stimme zu folgen, kann zunächst den Alptraum aber nicht abschalten, sehe wie dieses Etwas das meine Mutter sein soll immer näher auf mich zu kommt, trotz das sie in langsamen Schritten die Treppen hinunter schreitet, während ich um mein Leben renne. „Wach auf!" Wieder höre ich die Stimme meines Vaters und schließlich öffne ich meine Augen, muss mich zunächst orientieren und werde von tiefer Erleichterung erfasst. Ich liege in meinem Bett, mein Vater lehnt über mir und streichelt mir sanft über die Wange. Ein Alptraum! Erlöst lache ich auf, drehe ich mich zu meiner kleinen Lampe auf dem Nachttisch um, schalte sie ein und will gerade meinem Vater von dem Alptraum erzählen als ich erschrocken inne halte. Vor meinem Bett ist niemand. Aber...Aber...Ich habe deutlich gehört wie er mit mir sprach, habe deutlich seine Berührung an meiner Wange gespürt! Um nicht zu hyperventilieren, atme ich langsam und tief ein und aus und versuche nachzudenken. Okay, ruhig! Überlege logisch. Du bist eingeschlafen, hattest einen Alptraum und hast währenddessen geträumt dass dein Vater bei dir ist und dich weckt. Das kann passieren. Träume sind halt merkwürdig. Langsam stehe ich auf und setze die Füße auf den Boden. Meine Blase meldet sich zu Wort und auch wenn ich absolut keine Lust habe, nach diesem Alptraum wieder in den Flur zu gehen, bis nach vorne wo sich die Toilette gleich neben der Eingangstür befindet in deren großer Milchglas Fläche man gerne auch mal Dinge sieht, die gar nicht da sind, stehe ich auf, öffne vorsichtig meine Zimmertür und gehe hinaus. Im Wohnungsflur ist es still. Langsam gehe ich auf die beiden Türen am Ende des Flurs zu, behalte die Eingangstür gut im Auge und bin mit einem schnellen Öffnen der Toilettentür schließlich dort wo ich hin wollte. Nachdem ich mich dann erleichtert habe, öffne ich ebenso langsam die Toilettentür wieder. Doch etwas stimmt nicht. Wo eben vorher noch die Eingangstür gewesen war, ist nun plötzlich ein langer Flur. Angst erfasst mich. Das kann doch nicht sein! >>Bitte!<< sende ich gen Himmel oder was auch immer es da oben gibt, >>Lass diesen Alptraum doch bitte enden. Meine Nerven halten das nicht mehr aus!<< Als ich aus dem Raum heraus trete, hat sich auch der Teil des Flures der zu meinem Zimmer führt verändert. Kommode und Schränke sind verschwunden, dafür ähnelt der Gang einem Kellergewölbe. Zu Tode geängstigt beschließe ich das es das sicherste ist wenn ich zunächst auf der Toilette bleibe und hoffe das der Spuk sich einfach von alleine erledigt. Ich schließe die Tür wieder, drehe den Schlüssel im Schloss und warte ab. Zunächst bleibt es still, dann höre ich leise Geräusche vor der Tür und schließlich die Stimme meines Vaters. „Brauchst du noch lange da drin? Ich müsste auch mal!" Er klingt so normal. So echt. Doch was wird mich erwarten wenn ich die Tür tatsächlich öffne? Ich wage es nicht. Ein Klopfen ertönt. „Hey, wie lange brauchst du noch? Es ist echt dringend!" Zitternd kauere ich mich zusammen, ziehe die Knie an und lege die Arme darum. Wenn ich doch nur wüsste ob du echt bist, Dad. Erneutes Klopfen. Diesmal ertönt ein zartes Stimmchen. Meine jüngere Schwester. „Dad möchte wissen ob du noch lange brauchst. Er sagt wenn du ihn jetzt rein lässt, bekommst du nachher leckeren Schokopudding zum Nachtisch." Eiskalte Schauer laufen mir den Körper hinab. Wir haben mitten in der Nacht. Da würde es niemals bei uns Pudding geben. Die da draußen sind nicht echt! Langsam laufen mir Tränen die Wange hinunter. Was passiert nur mit mir? Was ist hier los? Und wo sind die alle? Wieder ertönt die Stimme meines Vaters vor der Tür. „Hey du musst keine Angst haben. Wir wollen dich nur bei uns haben." Dabei stößt er ein Lachen aus das mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. „Haut ab!" schreie ich, „Haut alle ab! Lasst mich in Ruhe!" „Na gut!" höhnt die Stimme. „Irgendwann musst du da wieder raus kommen. Du kannst schließlich nicht ewig ohne Essen und Trinken!" Wieder dieses Lachen. Ich kauere mich noch mehr zusammen, wimmere vor mich hin. Irgendwann wird mir klar das er oder es recht hat, ewig kann ich nicht hier drinnen bleiben. Mir bleibt nur eines: Flucht. So leise es mir möglich ist öffne ich die Toilettentür, sehe mich nach allen Seiten um, renne dann los den langen Gang entlang der einst unsere Wohnungstür war. Schon höre ich meinen Vater hinter mir: „Na also! Wusste ich es doch!" Ich blicke kurz nach hinten und erkenne sofort dass es ein Fehler war. Sein Gesicht ist merkwürdig verzerrt wie als wenn er auf einem Bildschirm wäre und dieser kaputt geht. Eine hässliche Fratze verunstaltet ihn zusätzlich während er grausam kichernd hinter mir her sprintet und dabei eine Hand nach mir ausstreckt die klauenartig ist. Am Ende des Ganges erscheint wieder unser Hausflur und statt nach unten renne ich diesmal nach oben. Ich kann selber nicht sagen warum, ein leiser Gedanke wie eine Eingebung will mir erzählen das wenn nicht unten der Ausweg ist, das er dann oben sein muss. Ich nehme alle meine Kräfte zusammen, erklimme die Stufen so schnell es geht, dabei stets das grausame Lachen meines Vaters im Ohr und schließlich erscheint vor mir unsere Haustür. Die reiße ich auf und stürze nach draußen, renne so weit vom Haus weg wie ich nur kann. Erst als ich mindestens fünf Blocks weiter gerannt bin, bleibe ich endlich mal stehen, stütze die Hände auf die Knie und versuche keuchend wieder zu Atem zu kommen. Da legt sich mir eine Hand auf die Schulter und ich schreie auf. „Hey! Ganz ruhig! Alles gut, ich bin's!" beruhigt mich die Stimme unseres Bekannten von der Imbissbude. „Was machst du hier draußen? Was ist passiert?" Außer Atem und wahrscheinlich völlig zusammenhanglos erzähle ich ihm die Geschehnisse der letzten Nacht. Er muss mich für verrückt halten doch er nicht verständnisvoll und erklärt: „Du bleibst die Nacht erstmal bei uns und wir rufen die Polizei, die soll sich um alles kümmern. Wie gut das wir gerade schließen wollten und meine Frau deshalb an der Eingangstür war. Sie hat dich so panisch angerannt kommen sehen und mir direkt Bescheid gesagt. Dankbar lasse ich mich von den beiden in ihre Wohnung bringen, lege mich im Gästezimmer auf das mir bereitgemachte Bett und schlafe schließlich erschöpft ein. Am nächsten Morgen klingelt es früh während wir frühstücken an der Tür. Zwei Polizisten stehen dort und bitten um Einlass. Das Gespräch dauert etwa eine Stunde, danach fährt eilig ein Krankenwagen vor, der den Patienten mit Verdacht auf völligen psychischem Zusammenbruch plus dadurch ausgelösten Herzinfarkt in die Klinik bringt. Als ich nach einigen Tagen wieder langsam in der Klinik zu mir komme und durch meinen Mitpatienten die Nachrichten mitbekomme die im Fernseher laufen, klappe ich erneut zusammen nachdem ich wie verrückt kreischend und schreiend wild um mich geschlagen und getreten habe.

Aktuelle Nachrichten:
So berichtete eine junge Frau der Polizei das sie seit Jahren mit ihren Eltern in dem Haus gelebt hatte bis zu jenem Abend vor einigen Tagen an dem ihre Eltern mit Verwandten weg gingen und nicht mehr wieder kehrten. Das Horrorszenario das die junge Frau durchlitten haben musste, konnte bisher weder von Polizei, noch von Experten für das Übersinnliche bestätigt werden. Zudem erfuhren wir dass das Haus schon seit einigen Monaten leer stand, da es durch einen Brand der im Jahr zuvor durch eine defekte Gasleitung ausgelöst worden war, so schwer beschädigt worden war, das ein Wohnen darin nicht mehr möglich ist. Die Polizei ermittelt wo die Eltern der jungen Frau sind und die Psychologen setzen alles daran heraus zu finden was im Falle der jungen Frau passiert ist



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⏰ Last updated: Jan 03, 2019 ⏰

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