[7] Drowning

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Ein eigenartiges, drückendes Gefühl auf meiner Brust lässt mich die Augen aufschlagen. Ich versuche, etwas zu erkennen. Einen Punkt zu fokussieren. Ich spüre mein Bett, in dem ich eingeschlafen war, nicht mehr. Mich umgibt vollständig das Gefühl, erdrückt zu werden. Etwas scheint durch die Poren meiner Haut in meinen Körper einzudringen. Meine Haare scheinen zu schweben. Ich bin vollkommen träge, komme nicht recht zu mir. Mein Gehirn fühlt sich an wie gelähmt und als hätte ich am Vorabend viel zu viel Alkohol getrunken.

Ich versuche meine rechte Hand zu meiner Stirn zu bewegen, um diese zu massieren. Es kommt mir allerdings so vor, als würde irgendetwas meine Bewegungen aufzuhalten versuchen. Es fühlt sich gerade so an, als würde ich meine Hand durch Schlamm oder etwas dergleichen zu ziehen versuchen. Meine Augen können nicht wirklich viel erkennen. Rund um mich herum ist die gesamte Welt in einem tiefen Dunkelblau versunken.

Mein Hirn wacht langsam auf. Meine Kleidung fühlt sich verdammt schwer an und klebt an meinem Körper fest. Fast könnte man meinen, sie versuche, mich nach unten zu ziehen. Gute Frage, wo ist eigentlich unten? Ich verliere vollständig meine Orientierung und gerate in Panik. Wie ein wildes Tier trete und schlage ich um mich, in der Hoffnung, etwas zu fassen zu bekommen, etwas zu spüren, irgendetwas festes. Ich reiße die Augen auf, versuche etwas zu erkennen.

Nichts. Überall dunkelblau. Tiefstes Dunkelblau. Mein Puls beginnt in die Höhe zu schießen. Mein Herz ist kurz davor, meine Brust in tausend Einzelteile zu zerreißen. Warum ist alles so dunkel? Wo bin ich denn, verdammt nochmal?? Ich steigere mich immer weiter in meine Panikattacke hinein. Ich bekomme keine Luft mehr. Ich bekomme keine Luft mehr! Ich versuche zu atmen, doch meine Lungen werden nicht mit Luft gefüllt. Stattdessen durchdringt eine ekelhafte, schleimige Substanz meinen Brustkorb. Mit einem verzweifelten Hustenanfall versucht mein Körper, meine Lunge freizubekommen. Er scheitert jedoch kläglich. Mein Puls schießt immer weiter in die Höhe. Ich werde sowas von ersticken. Keine Überlebenschance.

Nein, das kann nicht sein. Das DARF nicht sein! Irgendwo muss es hier doch einen Ausweg geben. Komm schon, denk nach! Ich finde immer noch nicht den Unterschied zwischen oben und unten, links und rechts oder hell und dunkel. Alles ist einfach gleich. Ich scheine wie verrückt in dieser ätzenden Substanz umherzutrudeln. Meine Haut scheint förmlich von meinen Armen gefressen zu werden. Am ganzen Körper spüre ich diese kleinen Nadelstiche, als würden tausende kleine Zähne an mir nagen.

Und plötzlich ertönt ein Geräusch. Fast wie ein Schrei. Es kommt ziemlich weit aus der Ferne, scheint aber doch zugleich direkt neben mir zu sein. Neben mir? Oder doch unter oder über mir? Verzweifelt winde ich mich hin und her, eingesperrt in dieser Flüssigkeit, hustend, sterbend. Was passiert hier nur mit mir...

Der Schrei ertönt erneut, diesmal aber aus einer deutlichen Richtung. Zuckend wende ich mich in die Richtung und beginne, wild um mich zu treten und zu schlagen, in der Hoffnung, so durch die dickflüssige Substanz zur Quelle des Geräusches zu gelangen. Der Schrei scheint nicht mehr aufhören zu wollen. Ich versuche, mich weniger auf meinen Sauerstoffmangel zu konzentrieren, der mein Blickfeld inzwischen schon mit schwarzen Punkten übersät. Stattdessen höre ich nur auf den Schrei. Versuche, ihn zu lokalisieren. Höre auf die Richtung. Strample immer weiter darauf zu. Ich scheine näher zu kommen. Und irgendwie hört es sich nun deutlicher an. Als wären es die Schreie eines Mädchens, das in absoluter Panik ist. Bin ich etwa doch nicht der einzige hier? Aber ich selbst kann keinerlei Ton aus meinem Körper hervorbringen, es ist fast so, als würden meine Stimmbänder plötzlich einfach fehlen.

Ich komme dem Schrei immer näher und er wird immer lauter. Mein Blickfeld wird immer noch kleiner, die schwarzen Punkte nehmen langsam aber sicher die Überhand. Ich bekomme keine Luft, die Substanz steckt immer noch in meiner Lunge fest und scheint mich von innen zu zerfressen. Meine Glieder beginnen langsam zu schmerzen und träge zu werden. Ist das jetzt der Sauerstoffmangel oder die Tatsache, dass ich scheinbar langsam aber sicher gefressen werde?

Der Schrei verstummt immer wieder und beginnt erneut. In einem ewigen Zyklus. Von vorne, beenden. Und dann nochmal. Wer ist dort? Ich hoffe, ich bewege mich in die richtige Richtung. Es muss einfach die richtige sein. Wo sollte ich sonst denn hin.

Plötzlich taucht in der Ferne ein heller Strahl auf. Ist das etwa Licht? Bewege ich mich gerade zur Oberfläche dieses... Meers? Der Lichtstrahl wird immer größer, die Schreie immer lauter. Langsam aber sicher kann ich etwas in dem Lichtstrahl erkennen. Es ist keine Oberfläche oder dergleichen. Es ist einfach ein Lichtstrahl, der dort in dieser schweren Masse zu schweben scheint. Ich kann ihn klar und deutlich erkennen. Und inmitten davon schwebt etwas. Ich komme der Quelle der Schreie und dem Lichtstrahl immer näher, während mein Blickfeld immer noch enger wird. Ich werde müde, kann die Augen kaum noch offen halten. Doch mein unterbewusster Wille zu überleben treibt mich immer weiter voran.

In dem Lichtstrahl schwebt ein Mädchen. Und aus ihrer Richtung scheinen auch die Schreie zu kommen. Sie bewegt sich aber keinen einzigen Millimeter. Im Näherkommen erkenne ich, dass sie dort schwebt als wäre etwas um ihre Taille gebunden. Doch da ist nichts. Nur diese Substanz. Ihre Beine hängen schlaff nach unten, ihr Rücken ist nach hinten durchgestreckt und ihre Arme hängen ebenfalls schlaff herab. Den Kopf hat sie ebenso in den Nacken gelegt. Allerdings sieht sie vollkommen leblos aus. Kein Heben und Senken der Brust, keine Bewegungen, nichts. Der Schrei wird plötzlich ohrenbetäubend laut. Ihre Lippen bleiben jedoch weiterhin geschlossen. Mein Körper versucht in einem weiteren verzweifelten Hustenanfall, meine Lunge doch noch freizubekommen. Ich erreiche den Lichtstrahl und somit das Mädchen. In dem grellen Licht kann ich kaum etwas erkennen. Ich sehe nur ihre leicht gewellten, langen blonden Haare, ihr leicht rundlich angehauchtes Gesicht und ihren zerbrechlichen kleinen Körper. Vorsichtig kämpfe ich mich durch das Licht zu ihr hindurch und richte ihren leblosen Körper auf. Die schwarzen Flecken in meinem Blickfeld machen es mir beinahe unmöglich, ihre geschlossenen Augen zu erkennen.

In dem Moment, in dem ich sie berühre, verstummt der Schrei augenblicklich. Stattdessen kann ich ein leises, schwaches Seufzen vernehmen, als wäre sie plötzlich erleichtert, dass ich hier bin. Meine Beine machen schlapp. Ich kann spüren, wie ich langsam in die Tiefe gleite, in Richtung Ende des Lichtstrahls. In aufkommender Panik versuche ich, mich mit den Händen nach oben zu retten, doch meine Kraftreserven sind nahezu vollständig aufgebraucht. Ich habe keine Chance. Mit weit aufgerissenen Augen sinke ich langsam immer tiefer. Doch plötzlich schlingen sich zwei schwache, zerbrechliche Arme um meinen Oberkörper und halten mich fest. Das Mädchen blickt mich aus tiefblauen Augen traurig an und drückt sich dann ganz fest an mich. Ich stelle jeglichen Versuch ein, mich nach oben zu retten. Es hat sowieso keinen Sinn. Ich habe keine Kraft mehr. Mein Blickfeld besteht beinahe nur noch aus schwarzen Punkten. Mit allerletzter Kraft lege ich meine Arme um das Mädchen und drücke sie genauso sehr an mich, wie sie mich an sich. Sie vergräbt ihr Gesicht in meinem Oberteil und ich merke, wie ihre Muskeln sich langsam entspannen. Meine Panik scheint langsam zu verfliegen. Mein Puls beruhigt sich. Das Mädchen scheint unser Schicksal akzeptiert zu haben. Hier in dieser tödlichen Substanz zu ersticken. Auf den Grund dieses Meeres zu sinken. Dort für immer liegen zu bleiben, irgendwann vielleicht zersetzt zu werden. Ich weiß es nicht. Und es wird mir auch gerade egal. Das einzige, das ich noch wahrnehme, ist das Mädchen, das nun schlaff in meinen Armen liegt. Meine letzte Kraft schwindet dahin. Ich merke, wie sich auch meine Muskeln entspannen und erschlaffen. Meine Augenlider fallen zu. Langsam sinken wir immer weiter, immer weiter. Wahrscheinlich bis ganz nach unten. Und dort werden wir dann gemeinsam liegen, eng umschlungen, unbekannt und doch irgendwie vertraut, vollkommen leblos. Aber das ist in Ordnung. Es soll wohl so sein. Und langsam spüre ich, wie die Gedanken mir entgehen und alles ein Ende nimmt.

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