(18/15) Abschied

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Er schaffte es nicht, vorbei zu gehen. Mit einem schmerzenden Klumpen, dort, wo sein Herz war, die Augen brennend und müde, blieb er noch einmal im Türrahmen stehen. Sein Blick schweifte durch den großen Raum, hielt sich an den beiden Sesseln vor dem Kamin fest. Sie wirkten verlassen, und ja, das würden sie sein. Wer konnte wissen, wann dort wieder jemand sitzen würde - oder ob überhaupt. Vielleicht blieb das Haus still und leer, bis es im Morast versank. Oder jemand fand es und nistete sich hier ein, verschandelte die schönen Räume, betrank sich... und ließ alles in Flammen aufgehen.

Das trübe Nachmittagslicht streifte den roten Samt und die beschriebenen Papierbögen, die ihm als Tagebuch gedient hatten... sie leuchteten jetzt in der beginnenden Dämmerung. Er hatte sie auf Valerios Sessel gelegt, er wusste nicht, ob das ein guter Platz war. Aber wenn er jetzt hier hinein käme, er würde sie sofort sehen, also lagen sie wohl richtig. Und in seinem Schlafraum, da würde er den Brief finden. Auf dem Kissen. Er hatte ihn erst hier auf den großen Tisch gelegt, ihn dann in die Küche mitgenommen - um ihn schließlich an den Ort zurück zu bringen, an dem er verfasst worden war. In Valerios Raum. Auf seinem Bett. Er hatte die Bücher weggeräumt, sie ordentlich gestapelt, die Bettdecke glatt gezogen und die Kissen geordnet, den Brief auf dem Kopfkissen platziert, die schweren Vorhänge halb zugezogen, wie sie zuletzt gewesen waren - und dann hatte er gemacht, dass er hinaus kam.

In der Küche gab es nichts, was abgewaschen oder weggeräumt werden musste, alles war ordentlich, beinahe so, als hätte er beabsichtigt keine Spuren zu hinterlassen. Dabei wollte er, dass Valerio sich an ihn erinnerte! Sogar eine Liste der verbrauchten Dinge aus seinen Vorräten hatte er geschrieben und sie auf den kleinen Tisch gelegt. Er hatte sich vorgemacht, es sei deshalb, weil Valerio doch erfahren musste, was fehlte. Damit er es neu besorgen konnte. Jetzt wusste er, er hatte einen Beleg dalassen wollen. Einen Beweis, dass er tatsächlich da gewesen war. Er hatte Dinge verbraucht, also war alles... real. Es hatte ihre gemeinsame Zeit in diesem Haus gegeben und nichts konnte das auslöschen, es ins Reich der Halluzinationen verbannen.

 Es hatte ihre gemeinsame Zeit in diesem Haus gegeben und nichts konnte das auslöschen, es ins Reich der Halluzinationen verbannen

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 Von unten drang kein Licht in den Gang hinauf, auch Treppe und Halle lagen in tiefer Dunkelheit. Er zog die Fackel aus der Wandhalterung neben der Tür und entzündete sie.

Am Treppenabsatz drehte er sich ein letztes Mal um. Bilder von flackerndem Licht, dessen Schein die Treppe hinauf schwebte, von Valerio, wie er ihn das erste Mal hier hinauf und in seinen Kaminraum geführt hatte, standen ihm plötzlich vor Augen. È bello averti qui, es ist schön, dass du da bist, hörte er ihn flüstern, und einen Augenblick lang waren seine Augen blind von den Tränen. Er schluckte, blinzelte, bis sein Blick auf die Treppe wieder klar wurde. Das Licht der Fackel blendete ihn. Er musste aufpassen auf den Stufen. Unten in der Halle sang der Wind.

Auf dem Weg hinunter hatte er mehrmals das Gefühl, er könnte nach vorne fallen, einfach wegstürzen, wie schon einmal... Er war müde. Beinahe zwei Tage war er wach geblieben, hatte gegrübelt, mit sich gekämpft, um die Kraft zum Gehen zu finden.

Die Treppe erschien ihm endlos lang. Mit jeder einzelnen Stufe kamen ihm neue Bilder in den Kopf. Seit er hier allein war, hatte er sich an vieles wieder erinnert. Und es fühlte sich nicht an wie bloße Erinnerungen, es war... absolut lebendig und echt. Es war unglaublich. All das hatte er hier tatsächlich erlebt. Und es war so viel mehr als in elf Wochen hinein passte. Da waren Bilder, Eindrücke, Fetzen von Gesprächen, Lachen und Streit. Und noch ganz andere Momente, die Verwirrung und Staunen in ihm zurück ließen; so vieles war zu ihm zurück gekommen, seit Valerio verschwunden war. Du hast Fragen, hörte er ihn sagen. Mit dieser weichen Stimme, die er immer hatte, wenn er vorsichtig aussprach, was Magnus dachte. Ja, so viele neue Fragen hatten sich angesammelt, aber seine Erinnerungen an die Zeit in Valerios Haus hatten ihm auch Antworten beschert. Und diese waren es, die ihm das Gehen noch viel schwerer machten als es unbeantwortete Fragen jemals zu tun vermochten.

 Und diese waren es, die ihm das Gehen noch viel schwerer machten als es unbeantwortete Fragen jemals zu tun vermochten

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Als er die Halle durchquerte, beschleunigte er seine Schritte. Das Wasser stand niedrig, ein Großteil des Fliesenmosaiks lag trocken, Er konnte die Motive und Ornamente erkennen. Wie gerne hätte er noch einmal die tanzenden Lichtreflexe an Decke und Wänden gesehen, grüngolden und magisch, wenn sie in den Spiegeln aufblitzten... aber es gab kaum Wasser, es hatte in der letzten Woche nicht geregnet, der Kanal war mit Schlamm und Algen angefüllt. Er hatte extra diesen Tag zum Aufbruch gewählt. Er wollte nicht über die Kanäle fahren, sondern über Land wandern, nach Norden. Hinaus aus dem sumpfigen Gelände. Die Trockenheit draußen und das Absinken des Grundwassers kamen ihm gerade recht.


... uciano. Luciano, warte ...


Er blieb stehen. Da war eine Bewegung im Spiegel gewesen. Ein huschender Schatten. Er lauschte. Hob die Fackel über den Kopf, wandte sich nach allen Seiten.

Es war nur der Wind. Der Spiegel nahe der Treppe dort hinten schnarrte leise in seiner rostigen Halterung. Die Fackel sprühte Funken, als ein starker Windstoß durch die Halle fuhr.

Er dachte, sein Herz würde stehen bleiben. Einige Meter vor ihm öffnete sich langsam, knarrend die Tür.

Ende Teil 177

Ende Teil 177

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WELTENTANZ - Band 1 & 2: Schattenwege u. Die dreizehnte KarteOnde as histórias ganham vida. Descobre agora