4 | D u n k e l h e i t

145 28 68
                                    

Dunkelheit.
Nichts außer Dunkelheit nahmen meine Augen wahr.

Sie wanderten umher, versuchten einen kleinen spalt Licht zu finden, doch nichts. Kein einziges Licht in diesem Raum war zu finden.

Ich hob meine Hand, versuchte sie zu erkennen, doch; wieder nichts.

Das einzige, was ich spürte, war die kalte, undurchdringliche Wand hinter mir. Sie ließ mich nicht durch, ließ mich nicht atmen, ließ mich nicht frei.

An meinem Ellenbogen, spürte ich die nächste, fein geschliffene Wand. Sie war nah - zu nah.

An meinen Füßen war die nächste Abtrennung von der Welt. Meine Füße, sie waren nicht einmal einen Meter von mir entfernt.

Ich spürte wieder diese Angst, diese Angst hier fest sitzen zu bleiben.

Die Wände krochen auf mich zu, Sie flüsterten Dinge, die ich nicht hören wollte; sagten Wörter, die nicht stimmten. Doch irgendwo stimmten sie.

Schon lange; zu lange, war ich hier.

Eingeschlossen. Verlassen. Allein.

Meine Hoffnung schwand immer mehr, wie ein Faden, der langsam zu ende ging.
Wie ein Fluss, der langsam seiner Mündung entgegen kam.
Wie ein Autor, der die letzten Wörter auf Papier brachte.
Wie die Wolken, die dahin schwanden.

Meine Hoffnung, gerettet zu werden, geholt von irgendjemanden, hier heraus zu kommen, verflog mit jeder Sekunde.

Doch nach ewiger Warterei, nach langer Überlegung, nach langem Schreien, wurde mir klar: Nur einer konnte mir helfen.

Nur einer, konnte mich von diesem Leid erlösen.
Nur einer, wollte mich vor diesem Leid beschützen.

Die Wände flüsterten wieder, erzählten Geschichten, erzählten Dinge.
Kamen auf mich zu, erdolchten mich mit ihrem starren. Schauten mir unter die Haut, auf die Knochen. Erkannten meine Geschichte, die kein anderer kannnte.

Lachten mich aus.

Meine Haut, sie brannte.
Tausende Nadeln stachen auf sie ein.
Eine feine, unangenehme Gänsehaut überzog meinen Körper.
Sie brannte weg, floss langsam herunter, wurde zu neuem. Entfloh mir. Floss weg, entfloh mir.

Ein Tropfen.
Zwei Tropfen.
Drei Tropfen.
Vier Tropfen.
Ein Regenschauer.

Jedoch, es war kein Regen.
Es waren Tränen - meine Tränen. Tränen, der Angst. Tränen, der Einsamkeit. Tränen, von mir.

Sie flossen über mein Gesicht, schmiegten sich leise und langsam an meine Haut und verließen sie wieder. Kamen dem Boden näher und - pling - sie waren an ihrem Ziel.
Die nächste, eine andere, eine Träne.

Ein Schluchzen erfüllte den Raum, schallte an den Wänden zurück und ließ den Raum erzittern.
Ein nächstes, ein anderes, das Schluchzen.

Mit jeder Träne, mit jedem Schluchzen, entfuhr meinem Körper ein Teil der Hoffnung. Ein Teil von mir.

Mit jedem Atemzug, der in dem Raum hinein gehaucht wurde, verlor an Wichtigkeit, verlor meine Hoffnung.

Mit jedem Gedanke, der in meinem Kopf herum spuckte, verlor ich meine Seele. Sie entfloh mir, mit jedem Atemzug stieg sie nach oben, in die Welt, mit jedem Gedanke, verabschiedete sie sich von meinem Körper und geriet in Vergessenheit.

Die Dunkelheit umhüllte mich, sog sich in meinen Körper wie Tinte in das Papier, schmiegte sich an meine Haut und blieb bei mir.

Ich spürte, wie sich mein Herzschlag verlangsamte.
Ich spürte, wie sich meine Atmung verlangsamte.

Ich spürte, wie mein Körper aufhörte zu Leben.

Ich spürte, wie die tiefe Dunkelheit mir entgegen kam, in die Unendlichkeit flog und mich mitnahm.

Ich spürte, wie mein Herz den letzten Herzschlag machte, der in dem kleinem Raum wiederhallte.
Ich spürte, wie ich meinen letzten Atemzug tätigte, wie die warme Luft nach oben stieg, mit ihr mein Seele.

Ich spürte, wie mein Körper aufhörte zu Leben; wie ich aufhörte zu Leben.

Die Dunkelheit umhüllte mich, wie ein samtiges Tuch, nahm mich mit, trug mich fort.

Das einzige, was dort liegen blieb war der Rest meines Körpers, ohne Leben.

Der letzte Herzschlag hallte noch an den Wänden zurück.
Der letzte Atemzug stieg noch in die Lüfte.
Das letzte Leben konnte man noch sehen.
Die letzte Träne, konnte man noch erkennen.

Doch dort, wo ich nun war, dort fühlte ich mich wohl.

Denn, als ich das nächste mal aufwachte, war meine Haut glänzend weiß, wie spiegelnder Marmorboden.
Meine Kleidung war ein wunderschönes, weißes Kleid.
Meine Haare glänzten Golden und über ihnen war ein Goldring; ein Heiligenschein, der leuchtete.
Und an meinem Rücken waren große, riesige, glänzende Flügel. Sie waren nicht einmal schwer, sie waren Federleicht und die Federn an den Flügeln glänzten silbern.

Ich stand auf, schaute mich um: alles war in weißen, goldenen und silbernen Tönen gestaltet, ein großer Palast ragte in diesen Tönen vor mir herauf. Der Himmel darüber hatte Regenbogenfarbene Streifen, der Hintergrund war weiß. Es sah aus, wie die Polarlichter, die ihren Weg durch den Nachthimmel tanzten.

Ich streichelte sanft meine Flügel, sie waren weich.
Meine Flügel stellten sich auf, waren riesig, waren bereit zum fliegen.

Somit hob ich ab, flog durch den angenehmen Wind, welcher auf meiner Haut eine diesmal angenehme Gänsehaut ausbreiten ließ.

Somit flog ich weiter; flog ich in mein neues Leben.

- pixie

p o e m s .Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt