Kanez

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Kanez. Eine Stadt, so verwinkelt, so groß, dass ein jeder Stadtplan mehr in die Irre führt als hilft.

Die Häuser erinnern an die Stadt Zaun, sie sehen aus als hätte man auf bestehende große Containerboxen immer weiter nach oben gebaut, bis man schließlich auch nach rechts und links baute, sodass Plateaus entstanden, die mit Brücken verbunden waren. Und weil es so viele Menschen waren, entstanden ganze vier Schichten, die unterste in der man den Himmel nicht mehr erkennen konnte, zum einen wegen des Daches, das die Brücken der oberen Plateaus bildeten, und zum anderen wegen den Abgasen und dem Rauch aus den Fabriken. War man es nicht gewohnt, in so stickiger Luft zu atmen, dann sollte man das unterste, die Sub meiden, man sollte sie allgemein meiden, weil dort unten alles illegale, ungern gesehene stattfand, was man in den oberen Schichten so dringend verdrängen wollte.

Im Oben ignorierte man weitestgehend was in der Sub vor sich ging. Wer da unten geboren wird, der bleibt dort unten.

Kanez war eigentlich drei Städte auf einmal. Die aus der Sub wollten mit denen aus der Dhanee, der obersten Schicht nichts zu tun haben und umgekehrt, während die mittleren beiden gut miteinander zurecht kamen und zusammen die Chukra bildeten.

( Dhanee = reich, der Reiche; indisch) (Sub = englisch Slang/ subway/ Untergrund oder lat. unter) ( chukra = Mitte, von dem japanischen Wort Chukan/ 中間 abgeleitet)

Wenn man mit dem Zug ankam, dann landete man für gewöhnlich zuerst im unteren Teil der Chukra. Und weil dort auch Tante Besche wohnte, mussten Jenn & Beth nur aus dem Zug steigen und sich aneinander festhalten, damit sie sich nicht in der Menschenmenge verloren.

Ihre Tante fing sie am Bahnsteig ab und begrüsste sie mit einem freundlichen 'Willkommen in Kanez', auf das ein weniger freundliches, beinahe entnervtes Lächeln folgte. Die Wahrheit war, dass sie diese Mädchen nicht bei sich haben wollte, nicht weil sie Kinder hasste, sondern weil es gefährlich war. Krieg. Der nicht nur den Kontinent, sondern auch die Städte auseinander brachte, denn die Rohstoffe, die eingingen waren seit der Südlichen Besetzung stets weniger als die, die ausgingen. Und weil die Lebensmittel knapper, oder zumindest bald weniger sein würden, wollte sie sich nicht um gleich drei hungrige Kinder kümmern müssen. Sie hatte nämlich ihrer Schwester Esche versprochen, falls der Plan doch schief gehen sollte...wenn sie nicht zurückkommen würde..

Es gab niemanden sonst, dem sie ihre Töchter geben konnte. Und Besche wusste sicher, dass der Plan ihrer Schwester zu riskant war. Sie entschied sich für ihren Sohn, für eine unmögliche Mission und schickte ihre anderen Kinder weg, in eine Stadt, die kein Ort für Menschen aus Roothe war. Damals als sie selbst zu ihrem Verlobten Edears gezogen war, hatte die Stadt sie verschlungen und so eingeschüchtert, dass sie kaum hinaus ging. Sie war eines von den schüchternen, prüden Mädchen vom Dorf. Wie Jenn & Beth.

Anders als Ailey. Sie war hier geboren. Hatte gelernt an diesem Ort zu leben, zu überleben, von klein auf. Vielleicht verstanden sie sich deshalb nicht mehr gut. Weil ihre Tochter ganz anders war als sie selbst. Sie machte Probleme und führte sich auf, als käme sie von ganz unten. Ihr liebes kleines Mädchen fing so jung schon an sich mit den falschen anzufreunden und die Welt des Sub zu entdecken. Nur verstand sie mit ihren zwölf Jahren nicht alles und sah Dinge ganz anders als ihre Mutter. Sie fand Freunde, die zwar in der Chukra zur Schule gingen, aber unten geboren wurden. Sie fand die Leute nett, unterhielt sich mit den drogenabhängigen Geschwistern ihrer Freunde und brachte die mit nach Hause.

Also schickte Besche ihre Tochter in ein Internat der oberen Chukra, weil sie Angst hatte ihr einziges Kind in den Tiefen der Sub zu verlieren.

Seitdem stritten sie wann auch immer sie sich sahen und Besche kam es vor als hätte sie nun alles was einmal ihr Leben war verloren.

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⏰ Last updated: Feb 22, 2019 ⏰

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Jenn & BethWhere stories live. Discover now