02. Wien

514 28 2
                                    

"Ja Mama, ich bin in 2 Stunden da.. Nein ich hab kein Hunger.. Weil ich wusste das wenn ich mich früher melde du ein Essen für eine ganze Armee kochst.. Ich erzähl dir alles wenn ich da bin.. Ich hab dich auch lieb Mama..", ich legte auf und hörte weiter Musik.

Ich hatte jetzt schon keine Lust auf die Fragen meiner Mutter und wusste auch genau was sie ungefähr fragen würde, fragen die ich garnicht beantworten wollte.

Meine Mutter liebte Armin schon immer.
Nach dem Tod meines Bruders vor 20 Jahren, wurde Armin wie der Sohn den sie verloren hatte.
Waren ich und Armin am streiten, hieß es immer:
"Zügel dein Temperament, mach ihn glücklich, kein Mann liebt dich wie er, ihr seid füreinander bestimmt, er ist ein toller Mann und so weiter."

Sie würde nicht verstehen wenn ich ihr sage das wir uns nicht mehr lieben und das er sich mit einer anderen Frau trifft konnte ich ihr nicht sagen, es würde ihr das Herz brechen.

Meine Mutter war trotz allem eine tolle Frau, die beste Frau und ich bin froh das ich eine starke Mutter wie Sie habe.
Nach dem tod eines Sohnes wären viele Mütter in ein tiefes Loch gefallen, ich jedoch hatte meine Mutter nie weinen sehen.
Am nächsten Tag schon sah ich sie fröhlich wie sonst auch.
Klar, Sie trauerte, aber nicht vor ihrer Tochter.
Sie trauerte vor meinem Vater, der es irgendwann nicht mehr aushielt, da er selbst mit dem Tod meines Bruders nicht klar kam, also verschwand er nach Bosnien als ich gerade 7 Jahre alt war. Gemeldet hatte er sich nie wieder. Wobei ich denke das er es versucht hat, meine Mutter es aber nicht zuließ.
Ich bin ihm nicht böse, ich bin auch ohne Vater eine aufrichtige Frau geworden, ganz wie meine Mutter.

Endlich war ich in Wien angekommen, 10 Stunden Flixbusfahrt waren mehr als genug.
Ich stieg aus und wartete auf meine Reisetasche. Dann lief ich zur Bahn, mit der ich nochmal eine halbe Stunde bis nach Rudolfsheim - Fünfhaus fahren musste.

Ich freute mich wahnsinnig auf die Wohnung in der ich groß geworden war. Vor 3 Jahren war ich ausgezogen und mit Armin nach Berlin gezogen, da er dort eine gute Arbeitsstelle gefunden hatte.
Unter unserer Wohnung hatte meine Mutter ein kleines Restaurant mit meiner Tante aufgemacht in der die Balkanische Küche angeboten wird, dort hielte ich mich die meiste Zeit meiner Kindheit auf und war nach einer Zeit eine kleine Berühmtheit im Fünften Bezirk, jeder aß bei uns.

"Hallo mein Mädchen!", ich betrat den Laden und wurde zuerst von meiner Tante empfangen.
"Hallo Tante, wie gehts dir?", fragte ich auf bosnisch während sie mein Gesicht abknutschte.
Mit 25 Jahren war ich eigentlich zu alt für dieses Geknutsche aber ich war zu müde für unnötige diskussionen.

"Sie ist in der Küche, wir schließen heute früher, die Familie kommt und wir feiern das du da bist. 3 Jahre hast du dich nicht blicken lassen! Komm wir bringen deine Sachen erstmal hoch. Ich wusste immer dieser Armin ist kein guter. schau wie fertig du aussiehst!", sie kniff mir in die Seite und ohne was zu antworten lief ich ihr einfach hinterher nach oben in die Wohnung.

"Kennst du noch den frechen Raphael? Er ist jetzt ein Prominenter! Wegen ihm kommen Leute aus aller Welt zu uns in Laden! Und was ein schöner Mann er geworden ist!", schwärmte meine Tante.

Sie redete so viel, ich wollte mich doch nur ausruhen..
Zum Thema Raphael, wäre er 10 Jahre älter hätte sie sich wahrscheinlich damals schon den Typen gekrallt. Ich mochte ihn nie wirklich, er sah mich ständig so abwertend an, ich verstand aber nicht warum.
Anfangs dachte ich das ich vielleicht schlecht aussehe aber ich war schon immer ein schönes Mädchen.
Allgemein machte ich mir aber nie einen großen Kopf um ihn, weder um ihn noch um andere.
Ich hatte ja Armin, schon immer.

Oben angekommen ging ich in mein altes Zimmer, es sah noch genauso aus wie damals als ich auszog.
Total plackatiert mit Fotos von mir und Armin, die ich erstmal anfing alle abzuhängen bevor ich mich in mein Bett legte.

Pause. Endlich hatte ich eine Pause.

Die Tür knallte auf.
"Alisa!", warum konnte ich nicht kurz Pause machen? Nur eine kurze Auszeit?

RagucciWo Geschichten leben. Entdecke jetzt