Scares {WinterWidow}

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Dieses Thema enthält unter anderem das Thema Depressionen und Selbstverletzung. Bitte überspringt es, falls ihr sowas nicht lesen könnt!

Natasha

Schweißgebadet schreckte ich aus einem Albtraum. Keuchend realisierte ich erst nach einigen Sekunden, dass ich nicht mehr in meinem ehemaligen "Trainingslager" war. Ich blinzelte und meine Sicht wurde klarer. Zitternd und erschöpft als wäre ich einen Marathon gelaufen ließ ich mich zurück ins Kissen sinken. Neben mir lag Bucky. Wir waren erst seit wenigen Tagen zusammen und die Albträume wurden weniger, seitdem wir gemeinsam in einem Bett schliefen. Jedoch waren es immernoch viele. Zu viele.

Meine Vergangenheit holte mich sehr oft ein und häufig konnte ich nichts dagegen tun. Wie ein Parasit hatten sich Gedanken, Gefühle und Erinnerungen aus vergangenen Zeiten in mir eingenistet und ich wurde ihn einfach nicht los, egal wie sehr ich mich auch anstrengte.

Eine Zeit lang lag ich wach im Bett, starrte an die Decke und lauschte dem regelmäßgim Atem Buckys. Es beruhigte mich auf eine seltsame Weise. Auch er hatte eine sehr dunkle Zeit hinter sich und es kam mir vor, als wäre er der Einzige, der mich verstehen konnte. Wir beide hatten uns dieses Leben -unser Leben- so mühsam aufgebaut, doch es schien, als wäre sei so, als würden wir eine kleine brennende Kerze in einem Sturm beschützen wollen.

Nach einiger Zeit beschloss ich, dass es sinnlos war, zu versuchen, wieder einzuschlafen. Die Stimme in meinem Kopf, die mich verhöhnte und verspottete wollte nicht verstummen. Leise stand ich aus dem Bett auf und schlich zur Badzimmertür auf der anderen Seite des Raums. Aufgrund meiner Spion-Fähigkeiten schaffte ich es, ohne auch nur einen einzigen Ton zu machen. Ich drückte die Türklinke herunter und betrat das kleine Bad. Das Mondlicht fiel durch das Fenster und wurde von den Fließen matt wiedergespiegelt. Der geflieste Boden spürte sich kühl und glatt unter meinen nackten Füßen an. Ich ging zu dem Waschbecken und erblickte in dem darüber hängenden Spiegel eine Frau, die keinerlei Ähnlichkeit mit der taffen Super-Spionin hatte, die die Avengers kannten. Meine Haare waren zerzaust, einzelne Strähnen klebten an meiner vor Schweiß nassen Stirn und unter meinen Augen zeichneten sich dunkle Ringe. Wie lange würde es noch dauern, bis die anderen diese Seite von mir kennenlernten? Sie werden es herausfinden, sprach die Stimme in einem Kopf. Und sie werden dich ausschließen. Bucky wird dich verlassen. Ich biss mir auf die Lippe und krallte meine Finger in das weiße Waschbecken. Ich muss etwas gegen diese Stimme unternehmen.

Mit zitternden Fingern öffnete ich einer der Schubladen und durchsuchte sie. Neben Bürsten, Haarspangen und anderen Hygiene-Zeug fand ich sie. Die Rasierklingen, mit denen ich leider viel zu sehr vertraut war. Eine seltsame Zufriedenheit durchfuhr mich, als ich sie berührte. Manchmal gab es keinen anderen Ausweg. Ich streckte meinen linken Arm aus und legte ihn auf das Waschbecken. Dabei fiel das Mondlicht auf meinen Unterarm und silberne, hauchdünne Narben schimmerten auf. Eigentlich waren sie so kaum sichtbar, aber hier im Mondlicht waren sie deutlich erkennbar. Jede silberne Linie stand für einen Tag, an dem ich die Albträume und Stimmen nicht mehr ertragen konnte. Und es gab nicht gerade wenige dieser Tage.

Ich biss mir auf die Unterlippe und hasste mich ein bisschen mehr.

Ich wollte gerade die Klinge meine Haut setzen, da hörte ich eine Stimme hinter mir. "Tu's nicht." Heftig zuckte ich zusammen und ließ die Rasierklinge fallen. In der darauffolgenden Stille hörte sich der Aufprall der Klinge so laut an wie ein Donnerschlag. Ich fuhr herum und erblickte Bucky, der sich gegen den Türrahmen gelehnt hatte. Ich sah ihm in die Augen, die mich fixierten. "Tu's nicht", wiederholte er erneut. Ich war wie versteinert und meine Zunge lag mir schwer wie Blei im Mund, weshalb ich keinen Ton herausbrachte. Ohne ein Wort schob Bucky mit seinen Metallarm den Ärmel seines rechten Armes hoch. Mondlicht fiel darauf und jetzt erkannte auch ich unzählige feine Linien, die sich über die Innenseite seines Unterarms zogen. Er war genauso kaputt wie ich.

Heiße Tränen traten mir in die Augen und ich stürzte zu Bucky, welcher mich sofort seine Arme um mich schloss. Sacht strich er mir durchs Haar, während ich in seine Schulter weinte. Es war, als wäre ein Damm gebrochen. Viel zu lange hatte ich meine Tränen zurückgehalten. Und er würde mich nicht verlassen. Bucky wird für mich dasein und gemeinsam werden wir das durchstehen. Die Albträume werden vermutlich nie aufhören aber wir werden es schaffen. Nicht nur für uns selbst sondern auch für den anderen.

Die Stimme in meinem Kopf verstummte und zum ersten Mal war ich mir sicher, dass ich sie so schnell nicht wieder hören würde.

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