III. Hoffnungen

23.9K 1K 17
                                    

↠𝐒 𝐂 𝐀 𝐑↞

,,Du bist verletzt!“, stellte meine Freundin Lilien erschrocken fest und begutachtete den Schnitt an meinem Oberarm.
,,Sie kann froh sein, dass Sie noch lebt. Gegen zwei Malice auch nur eine Minute zu bestehen gleicht einem Wunder“, sagte Dante grimmig und blickte mich streng an. Er hatte die Vaterrolle nach dem Tod meines Leiblichen Vaters vor 10 Jahren übernommen und mir das Kämpfen beigebracht. Dante war ein Werwolf und ein wahrer Gott des Schwertkampfes. Aber er hatte die Grippewelle, die vor einigen Wochen ausgebrochen war, nur knapp überlebt und war deshalb noch zu schwach, um gegen die Besatzungen der Sklavenschiffe anzutreten.
,,Sei nicht so gemein, Dante! Scar ist eine tolle Kämpferin“, verteidigte Lilien mich vor dem Mitte 20-jährigen. Dieser schnaubte nur.
,,Ich habe nie gesagt, dass sie nicht kämpfen kann, Lilien“, versuchte der Werwolf zu erklären. „Scar,du bist die beste Kämpferin,die mir unter die Augen getreten ist,aber auch das wird nichts an der Tatsache ändern,dass wir alle Ihnen irgendwann zum Opfer fallen." Er legte seine große, warme Hand auf meinen unverletzten Arm und sah mich eindringlich an. ,,Aber wir können entscheiden,ob wir als Helden für die Menschen oder als Fußabtreter der Malice enden"
Ich nickte ernst und auch Lilien wurde still. Dante hatte Recht und das wussten wir alle.
,,Ich kümmere mich um die verängstigten Menschen und du dich um Scar", befahl er Lilien und ging langsam unter Deck. ,,Komm Scar..."

[...]

Am Bug waren provisorisch kleine Kisten als Liegen zusammengestellt und die Hexen mit Heilungsmagie versorgten unentwegt die Wunden der Krieger.

,,Wie viele haben wir verloren?", wisperte ich, als Lilien meinen Umhang hochzog und die Wunde beäugte.
,,Vier der Neuen", erwiderte sie traurig und nahm einen nassen Lappen zur Hand. Zittrig atmete ich ein, ignorierte das abflauende Adrenalin und die Tränen in meinen Augenwinkeln. Ich hatte oft gesehen, wenn jemand starb. Ich hatte selbst getötet. Aber ich trauerte um jeden Menschen, jeden Übernatürlichen, der durch die Hand der Malice starb.
,,Wir haben Proviant,Kleidung und sogar Medizin auf dem Schiff entdeckt und werden die Menschen,die sich uns nicht anschließen wollen, mit genug Verpflegung am Ufer etwa 100 Meilen von hier absetzen.“
Ich nickte langsam und verzog schmerzvoll das Gesicht, als Lilien mit ihrer Magie meine Wunden reinigte. Wenn ich ehrlich war, beneidete ich Lilien. Sie war perfekt. Eine fantastische Hexe, die Menschen heilen konnte und den Wind beherrschte. Mit ihren schwarzen Haaren, den dunkelgrünen Augen und vollen Lippen war sie wunderschön. Sie war recht dünn, besaß aber Kurven und bei ihrer kleinen Gestalt wirkte sie eher zierlich als abgemagert. Alle liebten Sie und ich konnte es verstehen. Sie war zu jedem freundlich und das Gute in Person.
Ich war das komplette Gegenteil. Ich war kein Fan von diesen ganzen vorgetäuschten Lächeln und dieser übertriebenen Höflichkeit. Wir saßen alle im gleichen Boot und ich würde mich niemals irgendjemanden unterordnen. Auch wenn es um Magie ging, war ich außer meinem kleinen Feuerzauber und meine recht guten Sinne nicht wirklich begabt und hatte lange blonde Haare, die mir spröde und glanzlos über die Schultern fielen. Meine Statur war hochgewachsen und abgemagert und die Wangen eingefallen. Das Einzige, was ich an mir mochte, waren meine Fähigkeiten im Kampf und meine violetten Augen, die je nach Gemütslage mal heller und mal dunkler erschienen.
,,Fertig. Die Wunde ist tiefer als gedacht und wir müssen aufpassen, dass sie sich nicht entzündet. Du brauchst jetzt Ruhe", sagte Lilien und sah mich prüfend an. Ich nickte und zog meinen Umhang wieder um.
,,Wo ist meine Mom?", fragte ich meine Freundin. Sie deutete zur Kapitänskajüte und ich erhob mich. ,,Bis gleich", verabschiedete ich mich und trat in die kleine Kajüte.
,,Mom?", fragte ich und erhielt ein gemurmeltes Hier. Verwundert sah ich mich um und erkannte einen blonden Haarschopf hinter den vielen Unterlagen auf einem Schreibtisch.
,,Es ist zum Mäuse melken. Diese Kreaturen geben aber auch gar nichts von sich preis", murrte sie, als ich um den Schreibtisch zu ihr ging. Ihre blauen Augen wirkten Trüb und ihr Gesicht war von tiefen Falten durchzogen. Sie war Mitte fünfzig und wirkte wie siebzig. Aber wer konnte es ihr verübeln? Sie führte den Clan nun schon seit sieben Jahren an und stellte sich aktiv gegen die Malice. Seufzend fuhr sie sich durch die leicht ergrauten Haare. ,,Scar?", fragte sie und sah mich an.
,,Ja?", fragte ich zurück und lehnte mich an den beladenen Schreibtisch.
,,So können wir nicht weiter machen", eröffnete mir meine Mutter.
Verwundert sah ich sie an.
,,Was meinst du?"
,,Wir brauchen Informationen! Über die Malice, ihre Pläne, ihren König. Wir kratzen nur an der Oberfläche", seufzte sie und stützte ihr Gesicht in der Handinnenfläche.
,,Ich weiß,aber wo sollen wir das herbekommen?", entgegnete ich genervt und massierte mir die Schläfen. Meine Mutter blickte nachdenklich auf ihre Papiere und biss sich auf die Unterlippe. Das tat sie immer, wenn sie eine Idee hatte.
,,Wie gefährlich ist die Idee?", seufzte ich und ließ meine Hände sinken.
Sie seufzte nun ebenfalls.
,,So gefährlich, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist zu sterben."

Gefährtin des KönigsWhere stories live. Discover now