34 ~ Wednesday

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Unruhig lag ich in meinem Bett. Ich konnte nicht schlafen, weil Mama und Daddy noch spätabends unterwegs waren. Mir kam es schon wie eine Ewigkeit vor, dass sie das Haus verlassen hatten. Müssten sie nicht schon längst zurück sein?

Plötzlich hörte ich, wie die Tür aufging. Das mussten meine Eltern sein! Voller Vorfreude sprang ich aus dem Bett und stand auf. Mittlerweile konnte ich schon ohne Probleme gehen. Eilig ging ich zum Treppenhaus. Während ich vorsichtig eine Stufe nach der anderen runterging, hörte ich die Stimmen meiner Eltern.

»Du hast mich die ganze Zeit über angelogen!«, schrie Daddy.

»Wenn du gewusst hättest, was ich bin, hättest du mich umgebracht«, erwiderte Mama. »Ich kann doch nichts dafür, dass ich so bin, wie –«

»Die ganze Zeit über dachte ich du wärst auch ein Dämonenjäger, dabei warst du nichts weiter als ein Dämon. Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, mich zu verführen?«

»Ich hab mich in dich verliebt, Tony, das weißt du doch. Und ich liebe dich immer noch.«

»Liebe? Du redest von Liebe? Dämonen wissen doch nicht einmal was Liebe ist.«

Ich war am Ende der Treppe angekommen. Unauffällig lugte ich um die Ecke, um meine streitenden Eltern zu beobachten.

»Unsere Tochter ist der lebende Beweis, dass Dämonen lieben können«, sagte Mama. »Dämonen können nur Kinder bekommen, wenn sie ihren Partner wirklich lieben. Ich lie–«

»Ach, erzähl du mir doch keinen Unsinn!«, rief mein Vater und schubste Mama in Richtung Treppenhaus. »Ich empfinde nichts mehr für dich, einen Dämonen kann ich nicht lieben.«

»Wenn du mich so sehr hasst, dann töte mich doch!«

Wutentbrannt packte Daddy meine Mama und hielt ihr ein Messer an den Hals. Ich versuchte zu schreien und Mama zu Hilfe zu eilen, doch ich war vor Angst erstarrt und bekam keinen Laut heraus.

Daddy verharrte einige Sekunden, dann ließ er das Messer wieder sinken.

»Ich kann es nicht«, murrte er, ließ dabei aber nicht Mama aus den Augen.

»Ich wusste doch, dass du Gefühle für mich hast.«

»Gefühle?«, äffte er sie nach. »Ich hatte mal welche für dich, aber jetzt nicht mehr. Du bist eine Gefahr für mich. Für mich und für Monday. Weißt du eigentlich, wie gefährlich es war, dass du mit unserer Tochter unter einem Dach gelebt hast? Bei einem deiner dämonischen Wutausbrüche hättest du sie töten können!«

»So etwas würde ich nie ma–«

»Raus aus meinem Haus, Wednesday!« rief Daddy und fuchtelte mit seinem Messer vor ihr herum. »Ich will dich hier nie wieder sehen. Falls du noch ein einziges Mal mich oder Monday aufsuchst, dann schwöre ich dir, so bringe ich dich um.«

Wednesday, meine Mama, stolperte ein paar Schritte zurück. Als sie das Treppenhaus betrat, kreuzten sich unsere Blicke ein letztes Mal.

»Monday, ich liebe dich«, flüsterte sie mit Tränen in den Augen.

Dann machte Daddy die Haustür auf und Mama verschwand im Dunkel der Nacht.


Als ich von meinem Wecker aus dem Traum geholt wurde, fühlte ich mich vollkommen überrumpelt, denn es war kein normaler Traum gewesen, sondern eine Erinnerung, die ich verdrängt hatte. Eine Erinnerung, von der ich nicht einmal gewusst hatte, dass es sie gab. Sie war genauso echt wie die anderen Rückblenden, die ich in meinen Träumen wieder erlebt hatte.

Daddy war nicht so lieb, wie ich immer gedacht hatte.

Evelyn war nicht meine echte Mutter.

Meine echte Mama war ein Dämon.

Das machte mich zu einem Halbdämonen. Was auch immer das für mich zu bedeuten hatte.

Warum bekam ich jetzt plötzlich diese alten Erinnerungen in meinen Träumen? Was hatte das zu bedeuten? Die Rückblenden wirkten so realistisch, dass ich nicht eine Sekunde an ihrer Echtheit zweifelte.

Ich hatte immer zu Daddy aufgeschaut. Er hatte genauso gedacht wie ich, als ich noch Dämonen verabscheut hatte. Voller Hass. Aber ich konnte nicht nachvollziehen, wie er Mama hatte verscheuchen können. Spätestens da hätte er realisieren müssen, dass Dämonen lieben konnten. Den Blick, den ich in ihren Augen gesehen hatte, konnte man nicht fälschen. Es war echte Liebe.

Wie hatte ich nicht sehen können, wie fies Daddy war? Er hatte mir Mama weggenommen.

Wednesday. Daddy hatte mir immer erzählt, dass er mich Monday genannt hatte, weil ich an einem Montag geboren worden war. Nie hatte er gesagt, dass meine Mutter auch nach einem Wochentag benannt war.

War Mama noch am Leben? Wenn ja, wo könnte sie sein? Wie sollte ich sie jemals finden?


Evelyn war noch nicht wach, als ich mich in die Küche begab, um zu frühstücken. Ansonsten hätte ich sie nur allzu gerne gefragt, warum sie mir nie gesagt hatte, dass sie nicht meine leibliche Mutter war.

»Guten Morgen, Monday«, sagte Adam.

»Morgen«, murmelte ich. Als ich meinen Blick über ihn gleiten ließ, bemerkte ich, dass er die Silberkette, die wir am Vortag gekauft hatten, um sein Handgelenk gewickelt hatte. »Die Kette steht dir.«

»Du hast sie ja auch ausgesucht. Was meinst du, wird dein Freund jetzt Angst vor mir haben?«, fragte er.

»Meinst du Jack? Ach, gegen ihn hast du noch keine Chance. Und selbst wenn, dann würde ich nie zulassen, dass du ihm mit deiner Silberkette wehtust. Er ist der liebste Dämon, den ich kenne.« Als ich das sagte, musste ich an Lina denken. »Naja, zumindest der liebste männliche Dämon.«

»Also läuft da etwas zwischen euch?«, wollte Adam wissen.

»Nicht wirklich«, gab ich zu. »Er will nichts mehr von mir, weil ich Jared geküsst habe, welcher auch noch sein bester Freund ist.«

»Das wird ja immer schlimmer! Er ist ein Dämon und noch dazu der beste Freund von Jared? Dann bin ich echt froh, dass nichts zwischen euch läuft.«

»Aber Jack ist wirklich kein schlechter Dämon«, widersprach ich. »Ich glaube er ist auch nur mit Jared befreundet, weil sie beide Dämonen sind.«

»Wie? Jared ist auch ein Dämon?«, fragte Adam.

Ich nickte.

Auf einmal wirkte Adam aufgebracht. »Jetzt ergibt alles Sinn!«, rief er und gestikulierte wild mit seinen Armen. »Er hat mich nicht bloß belästigt, weil er wollte, dass ich seine Hausaufgaben mache. Ich habe mich jedes Mal schwächer gefühlt, nachdem er bei mir war. Ich glaube er hat mich immer ausgesaugt.«

»Von irgendetwas muss er ja leben«, sagte ich. »Aber du hast recht, Jared ist kein netter Dämon. Er könnte seine Opfer auch höflicher aussaugen. Ich gehe mal davon aus, dass er Kim netter aussaugt.«

»Kim saugt er auch aus?«

»Na ja, ich habe nie mit Jared darüber gesprochen«, gab ich zu. »Aber von irgendwo braucht er ja Seelen, um zu überleben und stärker zu werden. Ich glaube, er macht immer mit so vielen Mädchen rum, weil er dabei deren Seelen aussaugt. Zumindest habe ich das bei ihm und Kim beobachtet. Ansonsten fällt mir auch kein guter Grund ein, warum er freiwillig mit Kim abhängen sollte. Sie ist so nervig. Ich meine, er hat selbst zugegeben, dass er sie nervig findet.«

»Wenn er sie so nervig findet, dann kann er sich doch einfach eine andere suchen«, sagte Adam verächtlich.

»Stimmt. Wenn du das so sagst, habe ich wirklich keine Ahnung, warum er sich noch mit ihr abgibt.«

Monday - Dämonen der VergangenheitWhere stories live. Discover now