Chapter 6

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Ein weiteres Mal hatte Patrick mich im hinteren Bereich des Ladens auf denselben kleinen Tisch abgesetzt, nachdem ich meine zitternden Hände nicht von ihm losreißen konnte. Meine langen Beine löste ich nur widerwillig von ihrem Platz um Pats Hüfte, doch ich wusste, dass ich ihm nur auf die Nerven gehen würde, wenn ich schon wieder nicht losließ.

Als mein Hintern sanft auf die kalte Holzplatte abgesetzt wurde, wimmerte ich kurz auf, da sich vor meinem inneren Auge dieser schreckliche Moment abspielte. Der Moment, in dem Claus seine Hand von meinem Hals entfernte und mich wie ein Sack Müll zu Boden schmiss, auf dem ich mehrere Stunden bewusstlos gelegen hatte. Die Tatsache, dass er sich nicht darum bemüht hatte, sich in irgendeiner Weise um mich zu kümmern, sendete einen stechenden Schmerz durch meinen Körper bis hoch zu meinem Herz.

Wie sehr er sich doch verändert hatte oder vielleicht war er immer schon gewaltsam gewesen, doch ich hatte es vor Liebe zu ihm nie wahrgenommen. Was es auch war, am heutigen Tag hatte unsere komplizierte Beziehung vermutlich den Punkt erreicht, ab dem es nur noch bergab gehen konnte. Der Punkt, der in anderen Worten das Ende bedeutete.

Egal wie sehr ich ihn zu Anfang geliebt hatte, länger hielt ich es nicht mehr aus. Länger hielt es mein Körper nicht mehr aus.

„Ich weiß zwar nicht, was passiert ist und ich will dich auch auf keinen Fall dazu zwingen, es mir zu verraten, aber alleine an deinem Blick kann ich erkennen, dass du jetzt eine Ablenkung brauchst", sprach Pat mich mit einem warmen Lächeln auf den Lippen an, wobei er sich schwungvoll neben mir auf den Tisch setzte.

Ein wohliges Gefühl durchflutete meinen Körper und entspannte meine Muskeln, vertrieb alle schlechten Erinnerungen aus meinen Gedanken. Erleichtert seufzte ich kurz, bevor ich mich lächelnd nach hinten lehnte und den harten Beton der Mauer an meinem Rücken spürte. Auf Patrick gestoßen zu sein musste einfach ein Zeichen des Schicksals gewesen sein. Womöglich hatte es Mitleid mit mir oder wollte sich für all die schlechten Erlegnisse aus meiner Vergangenheit entschuldigen. Denn es hatte mir einen wahren Engel geschickt. Anders konnte ich es nicht erklären. In meinen Augen war Patrick ein Geschenk des Himmels, seine überaus freundliche und verständnisvolle Persönlichkeit, darüber hinaus noch sein herzerwärmendes Lächeln, konnten einfach nicht von dieser Erde sein. Er war wahrlich etwas Besonderes.

„Wie wärs mit einer Runde Wahrheit oder Pflicht? Das perfekte Spiel, um jemanden besser kennenzulernen und das will ich nur zu gerne", meinte der grinsende Braunschopf, während er seinen niedlichen Kopf fragend zur Seite legte und mich mit diesen hinreißenden braunen Augen beinahe anflehte.

All meine Sorgen waren wie weggeflogen, denn dieser Blick ließ mein Herz schneller klopfen und mein Gehirn konnte sich nur auf das Hier und Jetzt konzentrieren, alles andere war unwichtig. Es zählten nur Patrick und ich. Hauptsächlich Pat, der mein Inneres zum Kribbeln brachte.

„Gerne. A-Aber nur, wenn d-du anfängst. Wahrheit oder Pflicht?", erwiderte ich strahlend, seine gute Laune war mehr als ansteckend. So sehr, dass ich den Schmerz und die Trauer, die immer wieder tief in seinen Augen aufblitzte, nicht erkannte.

„Aber klar doch. Ich nehme", nachdenklich kratzte er sich mit seinen langen Fingern am Kinn und starrte kichernd in die Luft, ganz so als könnte er sich selbst kaum ernst nehmen. Beim Anblick seiner Grimasse, die er beim 'Nachdenken' zog, entfloh selbst mir ein leises Kichern, was Pats Augen kurz aufleuchten ließ.

„Wahrheit. Aller Anfang ist langweilig, aber ich hab Angst vor Pflicht. Man kann nie wissen, was in deinem Kopf abgeht", meinte Patrick neckend und gab ein helles Lachen von sich, bei dessen Klang mein Herz rasant an Tempo zunahm. Was stellte er bloß mit mir an?

„Hmm...", ahmte ich kurzzeitig seine Handlung nach. Ein gespielt beleidigtes Schnauben, gemischt mit einem überaus männlichen Kichern, brachte mich aber schnell wieder zur Vernunft.

„Ich weiß, das ist so eine Standardfrage, aber wie alt bist du?", stellte ich nun meine Frage und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich wäre nicht gespannt auf seine Antwort. Irgendwie sah Pat nämlich fast so aus, als wäre er fast im gleichen Alter wie ich, aber irgendwie dann doch wieder nicht. Wäre ich nicht so schüchtern gewesen, hätte ich diese Frage bereits gestern gestellt, aber damals erschien es mir als wirklich unpassend, wenn man meinen gestrigen Zustand bedachte.

„21, du kannst mich ruhig alter Sack nennen", gab er schmunzelnd zurück und zwinkerte mir beim letzten Teil belustigt zu. Merkwürdigerweise kroch mir dabei die Hitze in die Wangen, weshalb ich beschämt in die entgegengesetzte Richtung blickte.

Plötzlich spürte ich, wie sich eine große Hand auf meine legte, die sich wie immer auf meinem Schoß verkrampft hatte. Dadurch entspannte ich mich wieder etwas und blickte zurück zu Patrick, der mir nur aufmunternd zulächelte. In diesem Moment bemerkte ich erst den seltsamen Funken in seinen warmen braunen Augen, der einen Hauch Verunsicherung in mir verbreitete.

Anscheinend fiel auch ihm auf, wie sich meine Miene verdunkelte und das Lächeln von meinen Lippen wich, als ich meine kleine Hand aus seinem Griff entzog.

,,Was ist denn, Kleiner", wollte Pat nun wissen, doch aus irgendeinem Grund setzte diese Frage eine gewisse Wut in mir frei, von der ich nicht sagen konnte, woher sie kam.

„Erstens, nenn mich nicht Kleiner! Wir sind verdammt nochmal gleich groß! Und frag erst gar nicht so bescheuert, es interessiert dich doch sowieso nicht. Wieso siehst du mich die ganze Zeit so komisch an? Wenn du es nicht mit mir aushältst, dann geh doch einfach. Das tut doch sowieso jeder. Ich sehe doch, dass du das hier nur aus Mitleid tust. Mir ist es egal, ob du nun Sanitäter bist oder nicht, aber fühl dich nicht dazu verpflichtet, mir zu helfen. Weißt du, ich dachte anfangs wirklich, du willst mich kennenlernen. Ich dachte, ich habe endlich einen richtigen Freund gefunden. Aber anscheinend habe ich mich getäuscht, schon wieder. Verdammt, wieso mache ich auch immer alles falsch!", schrie ich mit heiserer Stimme, da sich ein weiteres Mal an diesem Tag die Tränen in meinen Augen gebildet hatte. Bei dem letzten Satz, welcher eigentlich nur für mich bestimmt war, fuhr ich meine stark zitternden Hände in meine ungepflegten Haare und vergrub verzweifelt meine Finger in diese.

,,Wieso mache ich alles falsch?", schluchzte ich wieder, setzte bereits dazu an, mit einem schwachen Sprung vom Tisch zu hüpfen, doch wurde von einer kräftigen Hand daran gehindert.

Aus tränenverschleierten Augen blickte ich ein letztes Mal auf, entdeckte eine kleine Träne, die über die Wange eines bestimmten Wuschelkopfes kullerte und warf mich wimmernd in seine Arme. Egal wie wütend ich noch vor wenigen Sekunden auf ihn war, er bot mir als einziger Schutz und Halt. Etwas, was ich gerade mehr denn je brauchte.

,,Es tut mir so leid, was dir passiert ist", entschuldigte Pat sich schniefend, strich mit einer Hand beruhigend über meinen Rücken und wischte mir mit der anderen die Tränen von den Wangen.

,,Ich bin für dich da und das so lange, wie du willst."

Mit diesem Satz legten sich weiche Lippen auf meine Stirn, während leise Schluchzer meinen Körper erschütterten.

Mein Herz war an diesem Tag endgültig in tausend kleine Scherben zerbrochen, doch zum Glück half mir ein warmherziger Verkäufer mit einem strahlenden Lächeln, es Stück für Stück wieder zusammenzusetzen.

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Naaa?
Da hatte Manu wohl einen kleinen Nervenzusammenbruch, ich kann es ihm nicht verübeln.
Feedback bitte in die Kommentare, es würde mir sehr helfen.

[1234 Wörter]

Love, Patrick  [Kürbistumor] ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt