Dreiundzwanzig

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"Oh, nicht.", hauchte Delilah.
Sie hatte es geahnt. Die Seelen waren unsterblich. Sie waren in den Körpern der Mönche gefangen. Und diese waren nach all diesen Jahren nicht mehr als halb zerfallene Skelette. Und diese wollten ihren Schatz unbedingt beschützen. Delilah verzog das Gesicht, als die knochigen Albtraumgestalten mit Waffen auf die Crew losgingen. Es war ein schlechter Witz. Sie hatte es geahnt. Ihre Mutter hatte sie gewarnt. Zwei Rhajis unter lauter Piraten. Kein Wunder, dass die Seelen sie als Feinde betrachteten. Bevor sie noch etwas herausbrachte, war Sin schon losgestürmt. Leilani wollte sie aufhalten, aber Delilah lief bereits hinterher.

*

"Leilani..."
Malik klang nicht panisch, aber man konnte ihm die Sorge ansehen.
"Ich überlege ja schon!", rief sie und unterdrückte einen Schrei als eins der Biester auf sie zukam. Es hätte geköpft, wenn Malik nicht dazwischengegangen wäre. Sie brauchte Delilah. Zwei Rhajis konnten mehr ausrichten als eine. Ohne nachzudenken sprintete sie auf die Goldberge zu. Sin und Delilah waren auf der anderen Seite wieder hinunter gerutscht und kämpften beide. Rücken an Rücken, voller Vertrauen. Sie riss sich von diesem Bild los.
"Delilah!"
Die junge Diebin sah zu ihr hoch und wurde so abgelenkt. Sin schlug eins der Skelette auseinander, bevor er sie erreichte.
"Wir müssen... Die Seelen. Hat dir deine Mutter etwas über das Seelengeschenk erzählt?"
Delilah nickte heftig und kletterte wieder zu ihr nach oben.
"Ich hab meine Seele bereits gegeben. Vielleicht..."
"Das Meer vertraut dir.", sagte Leilani mit einem Lächeln.
Sie nahm ihre Hände und begann mit einem alten Lied. Delilah erinnerte sich daran. Es war eine Bitte an das Meer, Seelen als Geschenk anzunehmen. Dies funktionierte allerdings nur bei den Seelen der Toten. Es war beinahe perfekt.

*

Sindbad sah zu, wie sich die Skelette langsam in Staub auflösten. Er sah zu Delilah und Leilani. Dieser Moment der Unachtsamkeit reichte aus. In letzter Sekunde schlich sich eine der Seelen an. Und stach zu.

*

"Sindbad!"
Leilani rannte sofort los, aber Delilah war schneller. Die Crew, einige schwer verletzt, aber noch am Leben, kam ebenfalls angerannt. Malik stützte ihn von hinten und Amir beugte sich über die Wunde. Als er nur stumm in die Runde sah, entfuhr Delilah ein Schluchzen. Was war nur los mit ihr?

Sin bekam keine Luft mehr. Sein Bauch, sein Rücken... Jede Faser seines Körpers schmerzte. Er spürte, wie warmes Blut über seine Haut rannte. Er sah den Ausdruck seiner Leute und Delilahs. Dann wurde alles schwarz.

*

Delilah umfasste Sins Gesicht und schüttelte seinen Kopf. Es würde nichts bringen. Ihre Augen brannten und sie war kurz davor, loszuweinen, als ihr eine Idee kam.
"Wir müssen ihn nach draußen bringen! Zum Meer, schnell!"
Sie wartete gar nicht, ob die Crew gehorchte. Der Fluch der Seelen war gebrochen und die Tür ließ sich leicht öffnen. Sie sprintete nach draußen zum Strand und watete ins Wasser, bis sie zu den Knien darin versank. Sie brauchte kein Lied, keinen Zauber mehr. Das hier war etwas anderes.
"Nimm seine Seele auch!", schrie sie.
Die ruhige Wasseroberfläche veränderte sich. Leichte Wellen umspülten sie. Die Crew hatte glücklicherweise auf sie gehörte und Amir und Malik hoben Sin zu ihr ins Wasser.

*

Sindbad war sich eigentlich sicher, dass er sterben würde. Aber er konnte etwas fühlen. Es war ... Wasser.
Sindbad
Diese Stimme kannte er nicht. Und doch klang sie vertraut zugleich. Als hätte er sein ganzes Leben nur auf diese Stimme gewartet.
Sindbad, Käpt'n der Silbertiefe, ich kann dein Leben retten. Ich bin das Meer und somit das Leben
Ohne den Mund zu öffnen, konnte er antworten.
Was willst du dafür?

Deine Seele. Du wirst mein sein, aber das warst du doch schon immer, oder? Du bist ein Pirat. Dein Leben gehört dem Meer.

Er brauchte wohl nicht zu antworten. Das Meer wusste es bereits. Es war immer so gewesen, wie es gesagt hatte.

*

Delilah fiel ihm als Erste um den Hals, als er aufwachte. Dann Leilani, dann Amir. Malik und die anderen klopften ihm auf die Schulter und sagten ihm, dass sie froh waren, ihren Käpt'n wiederzuhaben. Als die Crew auf das Schiff zurückkehrte, blieben nur er und Delilah am Strand zurück.
"Langsam wäre es Zeit, sich zu entscheiden, Diebin.", sagte er grinsend und sah sie ein.
Nun leuchteten seine Augen auch in einem intensiven Blau. Sie zog den Kompass, den er ihr geschenkt hatte, hervor und starrte auf die grüne Nadel. Sie deutete direkt auf die Silbertiefe.

Sindbad (Märchenadaption)Where stories live. Discover now