TRES

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Nach unserem kleinen Picknick stehe ich auf und verziehe mich hinter zwei Bäumen, um mich schnell umzuziehen. Unwohl schaue ich mich um, nicht in der Lage mich ohne ein unangenehmes Bauchgefühl auszuziehen. Als ich mein T-Shirt ausgezogen habe und nur noch mit Shorts und peinlichem Pünktchen-BH hektisch an meiner Shorts zuschaffen mache, vernehme ich ein Rascheln gefolgt von einem lauten Knurren. Erschrocken drehe ich mich um, mein T-Shirt vor meinen Oberkörper gedrückt und meinen Rücken an den Baum hinter mir gelehnt, schaue ich mich zitternd im Wald um. Etwas stimmt hier nicht!
Das Rascheln wird immer lauter und ein leises Fiepen ertönt hinter dem nächsten Busch. Gebannt starre ich auf die wackelnden Zweige vor mir, bis etwas aus dem Busch springt und ich ohne es wirklich zu registrieren, anfange zu kreischen. Erst als Louis neben mir steht und erschrocken fragt was los ist, öffne ich meine zugekniffenen Augen wieder und schaue auf.
Vor uns steht Krümel, der Hund von Gisela.

Erleichtert, aber auch stark verwundert, ziehe ich mir mein T-Shirt wieder über den Kopf und nähere mich langsam dem kleinen Fellknäuel. "Hallo Krümel, wo hast du denn gesteckt. Viele Leute haben dich schon gesucht. Vor allem Gisela!" Beim Namen Gisela horcht der Hund auf und fängt an, freudig mit dem Schwanz zu wackeln. Lachend hebe ich den kleinen Kläffer hoch, meine zitternden Hände und Louis eindringlichen Blick ignorierend, und drücke ihn an mich.
"Wir müssen Krümel zurück zu Gisela bringen.", meine ich an Louis gewandt und streichel das aufgewühlte Ding in meinen Armen. "Lass uns nach Hause gehen.", antwortet Louis zu meiner größten Erleichterung und schreitet mit mir zurück zur Picknickdecke. Dabei streiche ich immer wieder beruhigend über den Kopf von Krümel, in dem Wissen, dass er die gleiche Angst wie ich verspürt.

Zurück von unserem kurzen Trip, fällt uns Gisela um den Hals, gibt ihrem Hund und mir tausende von Küsschen und versucht auch an Louis dran zu kommen, der mit einem schiefen Lächeln schnell einwirft, dass er noch dringend etwas zu erledigen hat.
Grinsend winke ich ihm zu, als er den Vorgarten unseres Hochhauses verlässt, und versuche die in mir aufkeimende Angst runterzuschlucken. Mit einem Blick auf Krümel gerichtet, bestätigt sich meine Angst nocheinmal, denn der sonst so lebhafte Hund sitzt mit zwischen den Hinterbeinen eingeklemmtem Schwanz neben Gisela und starrt feindlich in Richtung Wald, wobei er die Richtung wohl nur erahnen kann. Trotzdem beruhigt sich mein schnell schlagendes Herz nicht von diesem jämmerlichen Anblick. Gerade jetzt wünsche ich mir nichts sehnlicher, als den heißen Kakao von meiner Mutter, den sie mir früher immer gemacht hat, wenn ich einen Albtraum hatte. Und die letzten paar Tage fühlen sich wie ein Albtraum an, der noch nicht zur eigentlichen Handlung gekommen ist. Eine angsteinflösende Vorahnung durchschleicht mich und setzt sich tief in meine Knochen.

Erst als ich in unserem gemütlichen Wohnzimmer sitze, mit meiner Mutter neben mir, die mir beruhigend über den Kopf streicht und sanfte Worte vor sich hin flüstert, klärt sich mein Verstand, bis mir meine zuvor verspürte Angst lächerlich vorkommt und ich müde die Augen schließe und in einem traumlosen Schlaf verfalle.

Am nächsten Tag werde ich von Vogelgezwitscher und dem fröhlichen Kläffen von Krümel geweckt, was meine letzten Zweifel verpuffen lässt und einen entspannten Samstag ankündigt.
Gestern Abend hatte ich meiner Mutter von den vermeintlichen Vorfällen erzählt und sie war der Meinung gewesen, dass ich Mal wieder maßlos übertreiben würde und zum ersten Mal war ich von diesen Worten erleichtert gewesen.

Samstag Nachmittag stelle ich fest, dass ich meinen Badeanzug im Wald vergessen habe. Für einen kurzen Moment durchläuft mich ein kalter Schauer, doch demonstrativ schnappe ich mir Schlüssel und Schuhe, und laufe mit knappen Worten an meine Mutter gerichtet, Richtung Wald. Vor der Grenze des Waldes bleibe ich kurz stehen und atme tief durch.
Alles nur Einbildung, mach kein Drama aus Dingen, die nicht da sind, denke ich mir und betrete den kühlen Wald.
Nach 20 min stehe ich an unserem Steinstrand und suche gedankenverloren nach meinem Badeanzug. Zögernd bewege ich mich auch an den Bäumen entlang, doch der Badeanzug scheint verschwunden zu sein. In Gedanken versunken drehe ich mich um, um den Steinstrand wieder zu verlassen, als vor mir eine schlanke Gestalt auftaucht.
Erschrocken keuche ich auf und mache einen Schritt zurück.
"Pass auf!", ruft mir die Person zu und kommt mir schnell näher. Irritiert drehe ich mich um und bemerke, dass ich fast über einen größeren Stein gestolpert wäre. "Danke", lache ich auf und wende mich wieder dem Jungen zu, der nun nur noch zwei Schritte von mir entfernt steht.
Ungewollt mustere ich ihn, und er tut es genauso, bis er sich verlegen räuspert und weg schaut. "Ich bin Nolan.", grinst er mit einem schiefen Lächeln und streicht sich unbewusst über den Hinterkopf. Gebannt verfolge ich seine Bewegung und erst als er seinen Namen sagt, finde ich zurück in die Realität. "Ich weiß!", antworte ich wie aus der Pistole geschossen und laufe bei meinen Worten direkt rot an. "Äh! Ich meine ich habe dich auf dem Schulhof gesehen... und... Jayden... ja", murmel ich vor mich hin und versuche peinlich berührt mein Gesicht hinter meinem Haaren zu verstecken. "Du hast schöne Augen!", bringe ich zu stande und würde mich im nächsten Moment am liebsten selbst schlagen für diesen Kommentar.
"Danke, du auch", lächelt Nolan verlegen und schaut wieder auf. "Du bist allgemein sehr schön.", meint er mit völlig ernster Miene und schaut mir dabei direkt in die Augen.
Bei jedem anderen hätte ich die Augen verdreht und den Mittelfinger gezeigt, doch bei ihm habe ich nicht auch nur eine Sekunde den Zweifel, dass er seine Worte ernst meint, was es eigentlich nur noch peinlicher macht. "D-Danke", stotter ich und wische mir nervös meine Schweißfinger an der Hose ab.

"Warum bist du hier?", bricht Nolan das Eis, was mich erleichtert aufatmen lässt und mit zu viel Enthusiasmus in der Stimme antworte ich: "Ich habe gedacht, ich hätte hier gestern meinen Schwimmanzug verloren und wollte ihn suchen, aber er scheint wohl tatsächlich verloren gegangen zu sein."

Einen Moment scheint Nolan zu überlegen, dann greift er in seine hintere Hosentasche und bringt einen blauen Badeanzug zum Vorschein. "Ist es der hier?", grinst er mich an und wie gebannt starre ich auf meinem Badeanzug in seinen Händen und bringe nur ein kurzes Nicken zu stande.  "Hier", lacht er verlegen auf und reicht ihn mir. Dabei kommt er mir so nah, dass ich seinen Körpergeruch riechen kann, der wider meiner Erwartungen, nicht nach Aftershave, sondern nach Sommerregen riecht. Dankend nehme ich den Badeanzug an und schaue auf.
Seine Mimik hat sich verändert und ein fast gequälter Ausdruck scheint im sein Gesicht gemeißelt.
"Alles okay?", frage ich besorgt und möchte ihm fürsorglich auf die Schulter klopfen, als er meine Bewegung mit einem Schlag gegen meinen Unterarm abwehrt und drei Schritte zurück geht. Mit dem anderen Arm hält er sich die Hand vor die Nase und schaut überall hin, nur nicht in meine Richtung. "M-Mir geht es gut. I-Ich... M-Mir ist nur eingefallen, dass ich etwas wi-wichtiges zu erledigen habe. Man sieht sich!", stottert er vor sich hin, ehe er sich umdreht und rennend in die Schatten der Bäume verschwindet.
Merkwürdiger Typ, denke ich mir und umfasse meinen Badeanzug mit beiden Händen. Gewissentlich verdränge ich die Tatsache, dass meine Wangen rot glühen.

the Life of L O N D Y NWhere stories live. Discover now