Krank vor Liebe

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Das Nächste, was ich wahrnahm, waren zwei Personen, die sich angeregt über etwas unterhielten. Meine Augenlider waren zu schwer, um sie zu öffnen. Ja, ich konnte mich nicht mal bewegen. Nur mein Gehör funktionierte geradeso. Ich versuchte dem Gespräch zu folgen, stufte es jedoch irgendwann doch als zu anstrengend ein. Die Unterhaltung endete und ich konnte ein verzogenes "Ich denk' dran." ausmachen. Ich hörte, wie jemand die Tür schloss und sich dann wieder links neben mich setzte. "Hey, kannst du mich hören?", fragte die Stimme sanft. Ah, meine Sinne schienen langsam wieder zu mir zurückzukommen. Eine Hand strich mir über die Stirn und ich schlussfolgerte, dass es sich um Kaito handeln musste. Ich war erleichtert darüber, dass er in meiner Nähe war. Doch da war noch etwas anderes, das meinen privaten Kreis unterbrach. Plaste, definitiv etwas aus Plaste. Es reichte von meinem Kinn bis hoch zu meinem Nasenrücken. Irgendwo dämmerte mir schon, um was es sich da handelte, aber ich kam irgendwie nicht drauf. War auch egal, ich bekam in dem Moment auch die Kontrolle über meine überaus schweren Augenlider zurück. "Shinichi?" Der Magier musste mitbekommen haben, dass ich mir nun wieder mehr bewusst war und versuchte, die Augen zu öffnen. Für einen Moment passierte dann nichts, weil es doch anstrengender war, als ich mir das von dem kleinen Energieschub erwartet hatte. Doch dann erblickte ich durch halb geöffnete Augen Kaitos verschwommenes Gesicht. "Da bist du ja wieder.", stellte er sichtlich erleichtert fest. Was war eigentlich passiert? Ich hatte das Gegenmittel genommen und ich konnte mich mehr als klar an die höllischen Schmerzen erinnern, aber was war danach passiert? Mein Körper pochte noch immer dumpf von den vorherigen Strapazen, doch es war weitaus angenehmer, als die Transformation. Meine Hand passte nun wieder perfekt in die von Kaito. Ich war also tatsächlich wieder Shinichi. "Wie geht es dir?", fragte der Magier und küsste liebevoll meine Hand. Mein Blick wanderte einmal durch den gesamten Raum. Ich war noch in meinem Zimmer, trotzdem hatte ich das Gefühl, dass irgendwas anders war.

Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass mein Puls so schnell war, man könnte meinen, ich sei mehrere Stunden bei brütender Hitze über die Straßen gesprintet? Und da machte es Klick bei mir und ich erkannte, was das Ding auf meiner unteren Gesichtshälfte war. "L-Luft.", stotterte ich schwach und in Kaitos Augen schwamm Sorge. "Beruhige dich.", kam es zurück, "Alles wird gut." "Nein, ich... keine Luft." Meine Atmung beschleunigte sich und ich wurde panisch, da ich noch immer keinen Sauerstoff in meine Lungen bekam. "Beruhige dich.", wiederholte Kaito, "Du bildest dir nur ein, dass du keine Luft bekommst." Verstand er denn nicht? Ich würde an Sauerstoffmangel sterben. "Ich helfe dir. Mach es mir einfach nach, ok?" Meine Handfläche legte sich, gelenkt durch Kaito, auf sein Herz. Ich starrte den Magier verzweifelt an, während er anfing, tief ein- und auszuatmen. Seine blauen Augen strahlten Ruhe und Gelassenheit aus. "Folge meiner Atmung.", erinnerte er mich, da ich mich für einen Moment im Blau seiner Augen verlor. Ich schaute ihm zu und versuchte, die gleichmäßigen Bewegungen seiner Brust zu kopieren. Doch es tat sich nichts und als mir dann auch noch schwindlig wurde, atmete ich sogar noch schneller. "Shinichi, schau mich an.", befahl Kaito mit einem ernsten Unterton. Der Raum verschwamm, weshalb es für mich schwer war, den zwei blauen Punkten zu folgen. "Dass du keine Luft bekommst, ist gerade nur eine Täuschung deines eigenen Denkens. Dir ist schwindelig, da du den höher konzentrierten Sauerstoff aus der Maske viel zu schnell einatmest. Vertrau mir. Wenn sich deine Atmung erstmal stabilisiert hat, wird es dir auch besser gehen." "Kaito..." Ich wackelte mit den Fingern meiner freien Hand und Kaito nahm sie, wie in dem Moment von mir gewünscht, an sich. Sein Daume strich mir beruhigend über den Handrücken und er sprach: "Komm, wir versuchen es nochmal, zusammen."

Ich schloss die Augen und folgte seinen Anweisungen, so gut es durch die Watte in meinem Kopf ging. Ich fühlte das rhythmische Heben und Senken von Kaitos Brustkorb. Langsam, ganz langsam beruhigte ich mich. Ich schaffte es nach einer Weile, meine Atemzüge mit denen des Magiers zu synchronisieren. Der Schwindel verschwand, genau, wie er es vorhergesagt hatte. Ich blinzelte. Die sich windende Welt vor mir kam zum Stillstand und alles wurde wieder klarer. "Sehr gut.", kommentierte Kaito und fuhr sich mit der Hand über die Stirn, "Hör' auf, mir ständig so viel Angst zu machen, ja?" Ich brachte ein angedeutetes Lächeln als Antwort zustande. "Ich hole etwas zu trinken für dich. Ich bin gleich wieder da." Kaito stand auf und ich griff geistesgegenwärtig nach seiner Hand und bekam den Ringfinger zu fassen. "Bleib.", bat ich und dem Magier entfiel nicht, wie sich meine Atmung bei diesem Wort wieder zuspitzte. "Ganz ruhig. Ich bin doch gleich wieder da.", versicherte er und löste sich vorsichtig aus meinem Griff. Mit flehenden Augen schaute ich ihm nach, doch er blieb nicht stehen. Sofort drückte ich mir die Sauerstoffmaske fester ans Gesicht und schloss beinahe schon ängstlich die Augen. Der Kunststoff grub sich in meine Haut. Warum ging das denn nicht? Ich atmete schon viele Jahre selbstständig und ordentlich. Warum funktionierte das jetzt plötzlich nicht mehr? Mein Herz hämmerte angestrengt unter dieser mentalen Last. Ich biss die Zähne zusammen, während meine Hände an der Maske anfingen, zu zittern.

Grenzen der FreiheitHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin