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Liebende finden stets zueinander

   Nun erhob eine weitere Nymphe interessiert ihre Stimme. „Was bei Neptuns Zepter?", brachte sie ungläubig hervor und weitete ihre Augen. „Du bist es ja wirklich! Ich glaubte dich verloren, am anderen Ende der Welt." Ehe der Zauberer antworten konnte, tauchte die Nymphe unter Wasser, um mit aller Kraft aus dem Wasser empor zu springen. An dem äußeren Gelände des Schiffs anlehnend, war sie nun auf gleicher Augenhöhe mit dem Zauberer.

Große Rehaugen musterten den Magier empfindsam. Eine helle Blässe legte sich über die makellose Haut der Nereide, von der einige Wassertropfen abperlten. Ihre vollen, leicht rosigen Lippen zogen sich zu einem herzlichen Lächeln, wodurch sich kleine Grübchen auf ihren Wangen bildeten. Trotz ihrer markanten dunkelbraunen Augenbrauen wirkte das Erscheinungsbild der Nymphe zart und ästhetisch. So, wie sich ihr langes Haar, das die Farbe des Nachthimmels angenommen hatte, glatt über ihre Schultern legte und dabei ihre zierliche Figur betonte, wirkte die kleine Nixe, wie ein junges, unschuldiges Mädchen. Doch als scheinbar alte Freundin des längst ergrauten Kyron konnte sie wohl kaum so jung sein, wie sie es nach außen hin vermittelte. Dies schien auch Merrick schnell festgestellt zu haben, denn er musste leicht grinsen.

Sich beschämt räuspernd, richtete Kyron seinen Körper auf und sog die frische Nachtluft ein. „Darf ich vorstellen, das ist Enfys", überwand er sich schließlich. Ein Gefühl der Entzückung flirrte in den Pupillen des Mannes auf. In den großen braunen Augen der Nymphe, sah er die fröhlichen Erinnerungen aus alten Zeiten vorbeiziehen.

„Sie ist mir stets eine gute Freundin gewesen, die mich vor Unheil bewahrte." Kaum hatte er lächelnd zu Ende gesprochen, verdunkelten die düsteren Schatten der Erinnerung seine Augen. Ohne innezuhalten fuhr er sogleich mit ernster Miene fort.

„Sofus und ich versuchten den Nymphen einen Ort zu suchen, an dem sie vor den wahren Ungeheuern des Ozeans sicher wären, doch dieses Unterfangen stellte sich als äußerst komplex heraus. Eines Tages trennten sich unsere Wege dann."

Ein liebevolles Lächeln zuckte über Enfys Gesicht und sie legte den Kopf seitlich auf ihre Hände. „Bedauerlicherweise sind gütige Zauberer nicht mit ewiger Jugend gesegnet, sonst wären meine Chancen sicherlich besser gewesen", tändelte die Nymphe ein wenig mit dem Zauberer. Nun konnte sich auch Merrick ein Kichern nicht mehr verkneifen. Als sich jedoch unvorhergesehen eine weitere Nixe auf das Geländer des Schiffes schwang, verging Merrick das Lachen augenblicklich und er verwandelte sich erneut in eine unbewegliche Eisskulptur.

Die Nixe mit dem feuerroten Haar grinste frech durch die Runde, sodass ihre blitzweißen Zähne zum Vorschein kamen. Ihre blasse Haut war beinahe gänzlich mit hellen Sommersprossen besprenkelt und untermauerte dadurch ihre unbefangene Art nur allzu gut. „Wer seid ihr und wohin geht die Reise?", äußerte die Nixe neugierig und sah in die Runde.

Enfys verdrehte lächelnd die Augen und spitzte die Lippen. „Na wohin schon? Sie folgen Neptuns Route."

Die Nixe mit dem Haar aus Flammen zuckte mit den Schultern und sah zu beiden Seiten. „Dann haben sie aber den gefährlichsten Weg genommen, denn sie steuern direkt auf Tritons Meer der Heimsuchung zu." Triton war ein fischleibiger Meeresgott und gleichzeitig der Sohn Neptuns. Die Nixe gluckste. „Glaubt mir, da wollt ihr ganz sicher nicht hin!"

Kyron und Merrick sahen sich für einige Momente stillschweigend an. Schließlich reckte sich Enfys und machte einen tiefen Seufzer. „Du bist auf der Suche nach der vergessenen Insel Maceira, habe ich nicht recht?" Das Mondlicht verlieh Enfys einen magischen Schein und ließ sie noch unwirklicher aussehen.

So viele Jahre, so viel Energie hatten Sofus und Kyron damit vergeudet eine legendenumwogene Insel zu suchen. Viele stempelten die beiden Zauberer als Verrückte ab und sagten ihnen nach, sie seien kopflose Narren, doch das hielt sie nie von ihrem Ziel ab. Sofus und Kyron waren sich der zahlreichen Schätze aller Art, die sich an Land, wie auch auf See verbargen, sicher. Es gab so viel zu entdecken und so vieles zu sehen. Man könnte nicht einmal alle Bücher der Welt mit den einzigartigen Erlebnissen dieser Reisen füllen.

Der Zauberer nickte zustimmend. „Ja, nach Sofus Tod erreichte mich seine Nachricht, dass er das Rätsel bezüglich der verborgenen Insel gelüftet hätte. Es war sein letzter Wille mich auf diese Reise zu schicken, Enfys."

„Ich verstehe." Enfys biss sich auf ihre Unterlippe und linste zu Merrick, der die ganze Zeit begierig von ihrer Freundin betrachtet wurde.

„Wir werden euch helfen. Wie es der Zufall will kennt sich Yara im Salzmeer besser aus, als jeder andere, nicht wahr?" Die betörende Nymphe blinzelte neckisch zu ihrer Nixenfreundin. Diese nickte sofort bestimmt und grinste breit, ehe sie ihre Hände vom Geländer löste und sich kopfüber ins Wasser platschen ließ.

Die anderen Nymphen waren bereits verschwunden. Nun leisteten nur noch Enfys und Yara den Matrosen Gesellschaft. Bevor auch Enfys wieder unter Wasser tauchte, lehnte sie sich noch zu Kyron und flüsterte ihm etwas zu. „Apollo hat meine Gebete erhört und erneut Licht in mein Leben gezaubert."

Das Juwel des Ozeans #Ideenzauber | ✓ Where stories live. Discover now