Kapitel 3 - Gefährten

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Lia stützte sich mit beiden Händen auf ihren Oberschenkeln ab und versuchte mit tiefen Atemzügen den stechenden Schmerz in ihrer Brust weg zu bekommen. Als sie aufsah erkannte sie Birken und Eschen, die aus dem Boden ragten und allerlei Arten von Büschen und Sträuchern, die zusammen die dichte Grenze zu dem Wald bildeten, in dem sie als Kind mit ihrer Schwester so oft gespielt hatte. Verwirrt griff sie sich an den Kopf.

"Warum...warum bin ich hier her gelaufen?"
"Weil ich dich gerufen habe........."

Verdutzt verlor Lia das Gleichgewicht und fiel in die weiche Grasfläche, die sich um den Wald erstreckte. Die Stimme schien nicht aus einer bestimmten Richtung zu kommen, stattdessen hallte sie in Lia's Kopf nach, so als wären es ihre eigenen Gedanken gewesen.

"Komm............wir haben nicht viel Zeit..............um deine Schwester zu retten............"

Bevor Lia antworten konnte sah sie auf einmal einen deutlich gekennzeichneten Weg vor ihr, der sie direkt in den Wald leiten würde. Der Pfad war klar ersichtlich, doch wenn sie sich auf eine bestimmte Linie konzentrierte konnte sie sehen, dass sie nicht in der realen Welt existierte. Bildete sie sich das nur ein?

"Schnell..........."

Zögerlich stand Lia wieder auf und betrat langsam das Waldgebiet. Egal wer oder was versuchte sie zu sich zu locken wusste irgendetwas bezüglich ihrer Schwester. Das war alles, was zählte.
Anfangs war der Weg noch recht geradlinig und durch die existierenden Wanderwege auch nicht allzu schwer zu bewältigen, doch nach einiger Zeit musste Lia sich durch dichtes Geäst und stachelige Sträucher durchkämpfen. Sie war schon dabei zu überlegen ob sie lieber umkehren sollte, da schien sich ein paar Schritte vor ihr auf einmal eine freie Fläche zu befinden. Dort angekommen konnte Lia auch endlich sehen wohin sie der Pfad führen sollte: Einem riesigen Ahornbaum, der in der Mitte der Lichtung stand. Seine Wurzeln waren so groß wie Lia selbst und der Stamm so dick wie kein anderer Baum im gesamten Wald. 

"Ist das hier...wirklich real?", fragte sich Lia laut.
"Ja, das ist es..."

Die Stimme klang nun viel intensiver und klarer als vorher. Wie eine Melodie hallten die Worte in ihrem Kopf nach. Erneut sah Lia sich um, bis sie  vor sich eine Silhouette erkannte, die immer mehr Gestalt annahm. Es war kein Mensch, so viel stand fest. Das Wesen flog knapp einen Meter über dem Boden, mit Flügeln die das bisschen Sonnenlicht, das sie erhaschten, wie Kristalle reflektierten. Seine langen Haare hatten einen tiefen, dunkel-lila Farbton und seine großen, mandelförmigen Augen waren pechschwarz. 
Plötzlich erinnerte sich Lia an eine Geschichte, die ihre Schwester und sie früher sehr gerne gehört haben. 
Es hieß, dass es in diesem Waldgebiet Feenwesen mit magischen Kräften geben soll, die nur von Leuten gesehen werden konnten, die ein reines Herz besaßen. Wenn man als gute Person also in den Wald ginge, würde man früher oder später auf so ein Wesen treffen, und es würde dir einen Wunsch erfüllen. Außerdem kam der Name des Waldes, nämlich "Goldblatt-Wald",  auch von einer Legende dieser Kreaturen. Angeblich würden sich die Feen manchmal in der Nacht in der Mitte des Waldes treffen und beginnen eine wunderschöne Melodie zu singen. Daraufhin soll ein goldener Regen von den Sternen auf den Wald herabrieseln und alle Bäume, Büsche und Sträucher in einen wunderschönen, gold-schimmernden Glanz hüllen, der am nächsten Tag wieder weg sei.  
Anna und Lia hatten sich oft in der Nacht auf ihren Balkon gestellt und Stunden lang gewartet um  den schönen Gesang der Feen und den goldenen Regen einmal zu erleben, doch es gelang ihnen nie. 

"Es scheint als hätten Menschen Geschichten über uns erzählt..."

Die Stimme in ihrem Kopf riss Lia aus ihren Gedanken. Immer noch erstaunt begutachtete sie die Fee und fragte:

"Hast du gerade meine Gedanken gelesen?"
"Ja, das habe ich... und ihr seid in vielem getäuscht worden..."
"Getäuscht? Was meinst du damit?

Das Feenwesen flog langsam auf Lia zu und begann zu erzählen.

"Wir werden Rhodorondra genannt... Magische Wesen, die Wälder und andere Naturgebiete beschützen... Es stimmt nicht, dass wir uns Menschen mit guten Herzen zeigen... Wir zeigen uns Menschen überhaupt nicht und erfüllen auch keine Wünsche... Es ist allerdings wahr, dass wir uns manchmal versammeln und zusammen singen... doch das hat nichts mit den Sternen zu tun... durch den Gesang produzieren wir einen goldenen Staub, den wir über den Wald verteilen, wenn er krank oder beschädigt ist..."

"Und du bist wirklich...ein magisches Wesen?", fragte Lia.
"Das bin ich... Ich habe dich mit meinen Kräften hier her geführt, weil ich dir helfen möchte... Und weil ich selbst Hilfe brauche..."

Blitzartig wurde Lia wieder bewusst weshalb sie eigentlich hergekommen ist.

"Weißt du, wo Anna ist? Und wer sie verschleppt hat???"
"Ich weiß einiges, aber hier zu reden ist zu gefährlich... Komm mit mir..."

Die Rhodorondra wandte sich dem großen Ahornbaum zu und sang eine kurze Melodie, woraufhin sich eine Art Eingang aus der Rinde des Baumes bildete. 

"Tritt ein...hier drin werde ich dir alles erzählen, was ich weiß..."

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⏰ Last updated: Jul 21, 2019 ⏰

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