für ein letztes Mal

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"Oh man, Timo!" begann ich fürchterlich zu lachen, vergaß, dass mein Herz so schnell pulsierte, dass ich fast keine Luft mehr bekam und sah dann den Stürmer an. Ich grinste breit bis zu den Ohren und fühlte mich frei. So frei, wie eben ein gesunder Mensch war. Mit dem einzigen Unterschied, dass ich eben nicht gesund war und damit hatte ich mich nun wohl, oder übel abgefunden. Ich drehte mich zu Timo, der sicherlich auch so fürchterliche Seitenstechen, wie ich hatte und begann direkt wieder zu kichern. "Genau das habe ich gerade gebraucht." Murmelte ich und erinnerte mich an die Worte, die mein Arzt einmal äußerte. Kein Sport, so wenig Bewegung wie möglich. Also einfach all das vermeiden, was meinen Herzschrittmacher zum stehen bringen könnte. Alkohol eingeschlossen, aber das war wirklich das Unmöglichste.

Timo hatte sich in der Zeit nur einmal kurz zu mir gedreht. Er kaute nachdenklich auf seiner Zunge und starrte die Wand vor uns an, als wäre er von uns getreten und nur noch sein Körper war hier. Ich fuchtelte also vor seinem Gesicht umher und sobald er den Kopf schüttelte, mir damit signalisierte, dass er wieder unter den Lebenden war und mich ansah, lächelte ich und atmete dann erschöpft aus.

"Weißt du, Timo." murmelte ich einfach nur und überlegte mir einfach, was ich sagen wollte. Ich hatte nämlich angefangen zu sprechen, bevor ich mir überhaupt Gedanken darüber gemacht hatte, was ich sagen wollte. Timo stattdessen, hatte es nur geschafft, mich anzusehen und wieder wegzusehen. Irgendetwas beschäftigte ihn und Inspectora Leo wollte dem ganzen auf die Schliche kommen. "Was beschäftigt dich?" Lachte ich dann, doch als er sich nur zu mir drehte und mich ernst musterte, verging mir das lächeln und nun war ich es, die besorgt durch die Gasse starrte. Ich ging einen Schritt auf ihn zu, um meinen Arm schützend um ihn zu legen und sah ihn dann einfach an. 

"Weißt du, du kannst mit mir über alles reden, Timo."- begann ich und versuchte dabei so aufmunternd wie nur irgendwie möglich zu klingen. "Was ist denn passiert? Wir zwei sind schließlich schon durch schlimmeres gegangen, als irgendeine Phase der schlechten Laune. Und Timo, meine Selbstmordphase geht auch irgendwann vorbei. Mario musste durch diese schließlich schon mindestens zwei Mal und wir sind immer noch beste Freunde. Wir schaffen das schon irgendwie und ich möchte noch so viel mit dir machen." Ich merkte, dass ich seine Aufmerksamkeit hatte, weshalb ich wieder lächeln musste.

-"Überleg dir nur mal, was wir noch zusammen machen können. Irgendwie bekommst du mich schon noch in ein Stadion und vielleicht kann ich ja nochmal mit dir in den Urlaub, oder endlich nach Amsterdam auf die höchste Schaukel der Welt, oder ich feier mit dir einfach einen DFB-Pokalsieg." 

"Leo." Murmelte Timo nur, doch ich hatte mich so in Rage geredet, dass ich aus dieser gar nicht mehr raus kam. Ich stellte mir einfach die ganzen schönen Orte dieser Welt vor. Ich dachte daran, was ich alles noch machen wollte und ich erträumte mir Dinge, die ich noch nie zuvor gesehen hatte,

"Wie wäre es, wenn wir im Oktober zum Oktoberfest gehen? Dann zieh ich endlich ein Dirndl an, einfach, weil ich sowas schön finde und dann betrinken wir uns mit Bier und-" machte ich weiter und mit jedem Satz, den ich aussprach, wurde mir bewusst, wie unmöglich das alles war. Mir wurde von Satz zu Satz klar, dass ich viel zu wenig Zeit hatte, um meinen Träumen nach zu gehen. Mir wurde bewusst, wie hilflos ich war und damit kam die Verzweiflung, die meine Augen langsam mit Tränen füllten.

"Leo." Murmelte Timo nur wieder, doch ich war nicht aufzuhalten. 

"Was wäre denn, wenn wir einfach-"

"Leo! Jetzt hör auf, verdammt!" er packte meine Schultern und zog mich zu sich rum, sodass wir uns gegenüber standen und uns in die Augen sehen konnten. Seine Augen waren ebenfalls glasig und er wirkte auch verzweifelt. 

"Was ist denn?" fragte ich schüchtern und total kleinlaut. Ich war so leise, dass ich mich vor mir selbst erschreckte und mit großen Augen sah ich zu Timo rauf, der seinen Griff lockerte und die abgestandene Luft ausatmete.

"Ich muss zurück nach Leipzig. Noch heute Abend."

HerzschrittmacherWhere stories live. Discover now