40.°Luft°

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40.

»Was zur Hölle?!«, schreie ich und springe von der Bank. Im Laufe des Briefes haben sich Tränen gesammelt, die jetzt alle nur noch vor sich hin fließen. »Lexi, beruhig dich. . .«, flüstert Ava besorgt und streichelt mir über die Schulter. »Beruhigen? Er hat im Brief klipp und klar gesagt, dass er sich umbringen wird!«, sage ich hysterisch und mit voller Panik.

»Was machen wir noch hier? Ich muss zu William!«, mache ich nun Ava blöd an und renne zur Bushaltestelle. An dieser angekommen gucke ich auf die Anzeigetafel. Sieben Minuten sind zu lange! Ich brauche ein Auto, sofort. »Hab Aidan's Auto!«, kommt Ava angefahren und ich flitze in das Auto. »Fahr schon.«, sage ich zitternd und halte den Brief so fest, dass ich beinahe Löcher ins Papier bohre. Wir rasen wie verrückte durch den Verkehr und hören von weiten die Polizei und den Krankenwagen. »Nein, nicht jetzt! Das mit dem Zettel war doch nur reiner Zufall, oder?«, schluchze ich komplett verzweifelt und fange an bitterlich zu weinen. »Lexi, hör zu, sobald wir da sind, wirst du erfahren was passiert ist oder ob überhaupt was passiert ist. Die Polizei und der Krankendienst sind fast immer im Einsatz, also muss es nicht unbedingt was mit ihm zutun haben.«

Als wir nur noch paar Häuser entfernt waren, konnte ich meine Augen nicht öffnen, die ich wegen Verzweiflung und Nervosität zusammengekniffen habe. Ich höre Leute, mehrer Leute und mich überfällt eine angsteinflössende Panik.

Beruhig dich, sind bestimmt nur die Nachbarn.

Ich mache meine Augen leicht auf, als wir zum stehen kommen. Was in mein Visier kommt, lässt alles in mir zusammen brechen. Fast drei Sanitäter, die Polizei und Williams Eltern stehen dort. Ich hatte recht. Alles um mich herum erschien wie in einer Blase festzusitzen.

Meine Tränen fließen weiterhin, aber das einzige was ich sehen kann, ist William, welcher mit einer Sauerstoffmaske in den Krankenwagen transportiert wird. Ich steige automatisch aus und halte mir den Mund zu, um einen weiteren Schluchzer zu verhindern. Ich schaue geschockt zu William, dann zu seinen Eltern und erst jetzt erkenne ich seine Brüder. Beide halten sich im Arm und können es genauso wenig wie ich fassen.

Ich gehe wie paralysiert auf die Familie zu und falle sofort seiner Mutter um den Hals. »I-ich wusste nie, dass er so- so denkt. . .«, schluchze ich und kann kaum noch sprechen, da mir die Luft fehlt. Selbst die Frau geben über von mir ist nicht dazu im Stande zu sprechen, dennoch sprechen ihre Augen Bände. »S- sei- seit wann?«, frage ich und zeige auf den Krankenwagen, indem William - vermutlich tot - liegt. »ge- gestern Abend.«, antwortet mir einer seiner Brüder brüchig. Ich nicke schwach und fange, mit einem erneuten Blick auf den Krankenwagen, wieder zu weinen und das mehr als denn je. Ava kommt auf mich zu gerannt und zieht mich in eine dichte Umarmung. »Er muss nicht unbedingt tot sein.«, sagt sie leise und sanft. Ich nicke, ja, er könnte noch leben, doch wie er es so beschrieben hat, hat es sich eher nach einem Plan angehört, den er schon lange vor sich hatte. Und wenn er Pläne hatte, gingen sie nie schief.

Plötzlich fällt mir das Atmen genauso schwer, wie mich zu halten und schon kippe ich zur Seite, doch nicht auf den Boden, denn Ava hat mich schon aufgefangen.

»Miss, geht es Ihnen gut?« Ich schaue verletzt und noch immer weinend und schluchzend zum Sanitäter und schüttele dann mit dem Kopf. Mir geht es beschissen. Wenn ich das gleiche wie bei Romeo und Julia machen würde, wäre es denn auffällig?

Der Sanitäter hebt mich ruckartig hoch und wendet sich zur Familie. »Ich nehme sie noch mit, um sicher zu gehen, dass sie nicht gleich umkippt und ohnmächtig wird.« Sie könnten alle zur kaum merklich nicken. Er trug mich in den Krankenwagen hinein, weshalb ich plötzlich eine erneute Panikattacke kriege.

Luft. William. Luft. William. Tot. Luft. William. Tot. Luft.

An was anderes konnte ich nicht denken und kurzerhand kippte ich auf ihn drauf. Wenn er drauf geht, würde ich es auch tun.

°°°

»Ist sie wach?« Höre ich eine Stimme sagen. »Nein.« Ein Seufzen ertönt. »Weiß sie es?« Ein erneutes Seufzen. »Nein, sie weiß es noch nicht.« Ich öffne erschöpft meine Augen. »E-Er ist t-tot?«, krächze ich und schließe wieder meine Augen, um die aufkommenden Tränen zu verhindern. »Alexi-« Ich unterbreche sie leise. »Bitte, nein. Ja oder nein, mehr nicht.« Ich höre ein Schluchzen, weswegen mein Herz anfängt zu rasen und meine Atmung schwerer wird.

»J-ja.«

Erst jetzt konnte ich die Stimmen ausmachen. Es war Aidan mit meiner Mutter. »Schatz, es tut mir so leid.« Meine Mutter weint ebenfalls und schließt mich in die Arme, für eine lange Zeit. Aidan setzt sich auf einen Stuhl neben mir und greift nach meiner Hand. »Alles wird gut.« Ich schüttele den Kopf. »D-das ist zu viel. Viel zu viel. Ich kann das nicht mehr.«, sage ich verweint und vergrabe meinen Hals in die Halsbeuge meiner Mutter. Er kann nicht für immer weg sein. Nein, das geht nicht. Nicht in seinem Alter, nicht mit seinem Wissen und nicht mit seinem Herz. Das kann ich nicht zu lassen, aber ich kann nichts mehr ändern. Ein Mensch kann nicht alles im Leben haben. Bei mir war es diese eine Person, für die ich so viel getan habe. Diese Person wird natürlich mir entzogen und seiner ganzen restlichen Familie (Freunde ebenso). Wie jeder sagt, ist das Leben kein Ponyhof und man sollte sein Leben jeden Tag leben, denn man weiß nie, wann es endet. In Williams falle konnte er aber selber entscheiden, wann sein Leben ein Ende nimmt. Nun war es dieser Tag und nun für mich immer sein Todestag.

Ich verspreche dir eins, William. Ich werde dich niemals vergessen und immer in meinem Herzen haben. Vielleicht kommt es so, dass ich keinen festen Freund mehr will, weil meine Verlustängste nun in vollem Betrieb sind. Ich weiß es nicht, aber ich werde dich immer lieben, bis zu meinem Tod. Und ich danke dir William, dass ich deine beste Freundin sein durfte und mit dir Zeit verbringen konnte. Ich danke dir für all das Glück, das ich mit dir hatte.

Rest In Peace, William.



[Big disclaimer: Keiner ist gestorben im echten Leben, trotzdem danke für eure lieben Kommentare, wollte es nur noch einmal klarstellen!!]

WilliamWhere stories live. Discover now