Begreifen und Verstehen

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Schon seit einer Weile war Paddys Leben nicht mehr so ruhig und entspannt, wie in den ersten Jahren nach dem Kloster. Es kostete ihn Mut und Überwindung wieder Schritt für Schritt in die Öffentlichkeit zu treten, Rede und Antwort zu stehen und im TV präsent zu sein. Aber tief in seinem Inneren hatte er sich danach gesehnt. Er wollte die Menschen mit seiner Musik erreichen und verbinden, ein bisschen wie früher, aber dann doch nicht so ganz wie früher. Er fühlte sich gut, er liebte diese kreativen Prozesse. Sein Herz schlug für die Musik, er brauchte dieses Leben und diese Arbeit wie die Luft zum Atmen. Schritt für Schritt entwickelte er sich weiter. Musikalisch, aber auch persönlich.

Als Paddy aus dem geschützten Kreis seiner Mitbrüder das Kloster verließ war er im Glauben gefestigt, er habe seine Antworten gefunden. Aber das Leben in der Realität, fernab der Klostermauern, erschrak ihn. Es war laut und chaotisch. Als Paddy und seine Frau zueinander fanden war er noch sehr stark mit dem Klosterleben verbunden und lebte seinen Glauben intensiv und regelmäßig aus. Sie teilte mit ihm die Liebe zum Glauben. Er fand bei ihr Halt und Kraft.

Nur wenig ließ er in der Öffentlichkeit durchsickern und nur selten sprach er über sein Privatleben. Die schlimmen Jahre des Hypes lehrten ihn, wie er mit der Presse umzugehen hatte. Wie auch bei Anna, wollte er seine Liebe zu Joelle nicht in der Öffentlichkeit breittreten.

Im Laufe der Jahre wurde aus dem geerdeten und zurückhaltenden Paddy, ein geerdeter aber offener und freier Paddy. Es schien, als sei bei ihm ein Knoten geplatzt. Er strotzte nur so vor Energie und Tatendrang. Durch viele kleine und große Projekte gelang er zurück in das Rampenlicht, öffnete sich der Welt und schloss Freundschaften zu anderen Musikern. In den sozialen Netzwerken fand er ein gutes Mittel zum Zweck und konnte so besser aber, mit einer gesunden Distanz mit seinen Fans kommunizieren.

Diese Entwicklung entging seiner Frau nicht. Auch in seiner Ehe waren diese Veränderungen spürbar. Schon lange war Paddy nicht mehr der Mann, der aus dem Kloster zurückgekehrt war. Der Mann den sie geheiratet hatte. Durch seine Arbeit wurden viele ihrer Pläne auf Eis gelegt und verschoben. Oft diskutierten sie bis spät in die Nacht und merkten, dass sich ihre Ansichten und Vorstellungen verändert hatten.

Anfangs genossen sie ihre jeweiligen Freiheiten, denn die gemeinsame Zeit war großzügig und wurde nicht von neugierigen Blicken beäugt.
Seitdem Paddy präsenter in den Medien war und viele Angebote annahm, wurden die Veränderungen noch klarer und größer. Die gemeinsame Zeit war oft nur auf wenige Tage im Monat reduziert. Auch sie hatte ein Leben, einen Job der sie forderte und oft reisen ließ. Je weniger Paddy über Joelle und sein Privatleben sprach, desto größer war das Interesse daran. Die Fans spekulierten heiß und das in aller Öffentlichkeit direkt auf seinen offiziellen Seiten.

Paddy liebte seine Freiheit, auch wenn er sich in Deutschland nur bedingt frei bewegen konnte. Deswegen kam ihm, der schon lange geplante Roadtrip durch den Westen der USA sehr gelegen. Sie begleitete ihn für eine Woche, bevor sie zu ihrer Arbeit zurückkehren musste. Aus dem geplanten Urlaub der Beiden, wurde aber vielmehr eine Reise für Paddys kreatives und schöpferisches Denken. Auch das deutsche Fernseher war vor Ort und Paddy stand ihnen Rede und Antwort.  Nur wenige Tage dieser Woche verbrachten sie ausschließlich gemeinsam. Nachdem seine Frau wieder zurück flog fühlte sich Paddy ein Stück weit befreiter. Er konnte sich endlich wieder voll und ganz auf das Songwriting konzentrieren ohne sich rechtfertigen zu müssen, weshalb er auch während des Urlaubs arbeitete. In den letzten Monaten kam ihm die Musik immer mehr wie eine Flucht vor. Er spürte die Veränderungen in seiner Ehe und er spürte auch, das sie es spürte.

Die letzten Wochen seiner Zeit in den USA fühlte er sich befreit und er genoss immer wieder die Tage am Meer. Das Meer, er und in Gedanken war sie bei ihm. Während er am Strand saß und den Sand durch seine Finger rieseln lies, sah er sie direkt vor sich stehen. Seine Anna mit den Augen die goldbraun wie Bernstein funkelten. Ihr Lächeln war seine Rettung gewesen. So klein und zart sie auch gewesen war, so stark, voller Temperament und humorvoll war sie auch gewesen. Sie löste in ihm immer das Gefühl aus, beschützt werden zu müssen. Doch im Gegenzug hatte sie ihn beschützt. Er hörte ihre Stimme in den Wellen die das Meer an den Strand spülte.

So tief und weit wie das MeerWhere stories live. Discover now