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Heute ist es endlich soweit - ich darf Amina auf der Frühchenstation besuchen! Sie ist jetzt 3 Tage alt und kann mittlerweile ohne Unterstützung ganz alleine atmen. Ich bin so stolz auf unsere Kleine! Als Prof. Patzelt vorhin nach der Visite grünes Licht gegeben hatte, dass ich zumindest im Rollstuhl auf die Kinderstation geschoben werden durfte, war ich ihr so unfassbar dankbar. Natürlich hatte ich noch Schmerzen von der OP und mein Kreislauf sponn auch immer wieder, aber das würde mich alles nicht davon abhalten Amina endlich zu sehen, sie zu berühren und einfach kennen zu lernen.
Als Ben mich über die Gänge chauffierte, konnte ich kein Wort mit ihm reden, so nervös war ich! Wir kamen unserem Ziel immer näher und ich hatte ein richtiges Kribbeln im Bauch. Es fühlte sich ein wenig an wie die Schmetterlinge vor dem ersten Date - nur viel schöner. Ich liebte die Kinderstation sehr! Alles war so bunt und freundlich - auch wenn hier manchmal sehr traurige Dinge passierten... aber daran wollte ich im Moment einfach nicht denken! „Schau mal da!", riss mich Ben plötzlich aus meinen Gedanken. Er zeigte auf eine große Glocke, die neben einer Schiefertafel an der Wand hing. „Amina - 1480 Gramm" stand dort mit weißer Kreide geschrieben. Sie hatten nach der Geburt also auch die Glocke für unsere kleine Prinzessin geläutet! Das hätte ich ja zu gerne gehört.
Kurz darauf waren wir endlich da - hinter dieser Tür lag unsere Tochter! Ben stoppte den Rollstuhl, kam zu mir und ging in die Hocke. „Bist du bereit, deine Tochter kennenzulernen, Mama-Leyla?", fragte er mich leise und lächelte. „Ich kann es kaum erwarten!", entgegnete ich und merkte schon wieder, dass meine Augen feucht wurden. Ben küsste mich und stand dann wieder auf. Mit einem „Na dann mal los" öffnete er die Tür und schob mich in den abgedunkelten Raum, in dem die kleine Maus auf uns wartete...
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Dann sah ich ihn: Aminas Inkubator. Er stand einsam an der Wand und war mit einem Leinentuch bedeckt. Zu viele Sinneseindrücke waren für Neugeborene oft belastend - so fühlte es sich jetzt wahrscheinlich geborgener an. Wie in einer kleinen Höhle oder einem Nest. Neben dem Bettchen sah ich den Überwachungsmonitor, der fortwährend den Kreislauf der kleinen Maus überwachte, sowie ein Turm an Perfusoren, über die die Schwestern Amina Medikamente verabreichen konnten. Ich war jedoch mehr als erleichtert als ich sah, dass im Moment keine Infusionen lief. Unsere kleine Prinzessin war so tapfer! "Darf ich sie in den Arm nehmen? Ist sie stabil genug?", flüsterte ich und sah Ben erwartungsvoll an. Er lächelte nur. "Natürlich! Ich glaube Amina kann es kaum erwarten, deine Wärme zu spüren!", entgegnete er dann. Er deutete auf den Sessel, der neben dem Kinderbettchen stand und wollte mir damit zeigen, dass ich mich dort hineinsetzen sollte. Aufstehen war noch ein großer Kraftakt für mich, aber mein Wille und die Vorfreude waren stärker, als die Angst vor den Schmerzen. Ben schob mich so nah wie möglich an den Stuhl heran und stellte sich dann neben mich.
Mit den Worten "So mein Schatz... ganz langsam" unterstützte er meine Arme und half mir hoch. Ich versuchte die Schmerzen zu ignorieren und richtete mich vorsichtig auf. Meine Beine zitterten und ich merkte, dass das Licht vor meinen Augen zu flimmern begann. "Geht's?", wollte Ben mit besorgter Stimme wissen, als er mich zu dem gemütlich aussehenden Sessel führte. Ich nickte nur und konzentrierte mich darauf, den Schwindel und die stechenden Wundschmerzen wegzuatmen. Das einzige, was ich jetzt wollte war meine Tochter! Trotzdem war ich sehr froh, als ich endlich in dem großen Stuhl saß und musste mich erst einmal kurz sammeln.
Meine Atmung war sehr schnell und ich fühlte mich wie nach einem Marathon. Aber ich hatte es geschafft! "Das hast du super gemacht, mein Schatz!", sagte Ben leise und küsste mich auf die Stirn, bevor er zu dem Inkubator lief und die Klappe öffnete. Ich beobachtete ihn genau dabei und sah, dass sein Blick weich wurde, als er unser Kind sah. So viel Liebe stand in seinem Gesicht geschrieben...

Er wickelte die Kleine in eine Decke und kam zu mir herüber. Dann legte er mir Amina endlich in die Arme. Ich hatte auf diesen Augenblick so sehnsüchtig gewartet, hatte ihn mir die letzten Tage immer wieder in den schönsten Farben ausgemalt... aber was ich jetzt fühlte, konnte ich nicht beschreiben. Meinen Körper durchdrang eine Welle an Glücksgefühlen und ich bekam richtig Gänsehaut. „Hallo meine Süße!" flüsterte ich, während ich Amina in meinen Armen wiegte. Sie hatte die Augen noch geschlossen, fing aber jetzt an sich zu bewegen und ganz zarte Laute von sich zu geben. Leise begann ich ein persisches Kinderlied zu summen, das meine Großmutter immer für mich gesungen hatte. Aminas Köpfchen war mit einem Flaum von dunklen Haaren bedeckt, wie bei Zoe früher. Ich studierte ihr hübsches Gesicht genau, die kleine Stupsnase, ihre Lippen, die Öhrchen... Ben setzte sich auf einen Stuhl neben uns und legte den Arm um mich. Er konnte nicht aufhören zu strahlen und schien unfassbar froh zu sein, dass „seine Frauen" sich nun endlich kennenlernen durften. Sanft streichelte ich über Aminas Arm - ihre Haut war so weich! Ich werde niemals den Moment vergessen, als unsere Prinzessin die Augen öffnete und mich das erste Mal ansah. Natürlich konnte sie in diesem Alter ihr Gegenüber noch nicht fixieren oder erkennen, trotzdem fühlte es sich fast so an. Ihre Augen waren blau und sie hatte unwahrscheinlich schöne lange Wimpern.
Und dann lächelte sie - sie lächelte mich wirklich an! Alle Sorgen, Tränen und Schmerzen waren genau in dieser Sekunde vergessen. Ich war einfach nur glücklich...
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ENDE

Du, ich und das BabyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt