Kapitel 21

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Am Donnerstag erwachte ich vor meinem Wecker und war für meine Verhältnisse erstaunlich wach in der Früh. Gut gelaunt ging ich in das Esszimmer und frühstückte gemütlich, erst als ich in der Schule ankam, kam die Nervosität. Freddie war schon im Klassenzimmer und redete mit einem Mädchen aus unserer Klasse. Die beiden redeten, bis der Lehrer kam, wodurch ich keine Chance auf ein Gespräch hatte. In den Pausen war er immer sofort weg und auch nach der letzten Stunde lief er fast schon aus dem Klassenraum. So kam es, dass der Schultag zu Ende war, ohne dass ich mit ihm reden konnte. Frustriert fuhr ich nach Hause und schreib derweil Luisa eine Nachricht.

„Hi. Glaubst du, du schaffst es Freddie dazu zu bringen, morgen mit mir zu reden?"
Ich musste nicht lange warten und schon bekam ich die Antwort.

„Ich versuche es. Wenn ich es schaffe, dann treffen wir uns nach der letzten Stunde bei den Spinden."

Ich antwortete noch mit einem einfachen Danke.
Den restlichen Tag überlegte ich mir die passenden Worte für das Gespräch. Erst im Bett, beim Einschlafen, kamen mir die perfekten Sätze in den Sinn, und ich ging sie direkt öfters durch, bis das Traumland mich einholte.
Es machte den Anschein, als hätte Luisa es geschafft Freddie zu überreden, mit mir zu reden. Nach der letzten Stunde traf ich die beiden, nämlich bei den Spinden. Ich wollte direkt mit meiner Erklärung anfangen, da ich ja noch Nachhilfe mit Manuel hatte.

„Hi Luisa, Hi Freddie," begrüßte ich die beiden.

„Hallo. Ich lasse euch mal alleine. Freddie ich warte vor der Schule." Mit diesen Worten ging Luisa, wodurch ich mit Freddie alleine war.

„Los erzähl. Ach und glaubt ja nicht, ich tue das deinetwegen, ich hör das nur an, weil Luisa mich darum gebeten hat," meinte Freddie leicht genervt. Ich schloss kurz meine Augen und sah vor mir die Sätze, welche ich mir zu Recht gelegt hatte und begann schließlich Freddie dasselbe zu erzählen wie meiner Mutter und Luisa. Im Vergleich zu den anderen, schien er nie erstaunt oder mitfühlend, er starrte mich die ganze Zeit kalt an, weswegen ich auch öfters den Faden verlor oder stotterte. Als ich schließlich mit dem Tod meiner Oma aufhörte, blieb es erst mal still.

„Und?", fragte Freddie, „Was hat das alles mit deiner Aktion zu tun? Ok du hattest vielleicht eine schwere Zeit, aber die haben wir alle manchmal, kein Grund, andere so anzufahren." Ich schluckte und wusste nicht so recht, was ich sagen sollte.

„Ich, ähm, ich dachte, so kannst du mich vielleicht verstehen. Es tut mir ja leid, aber in dem Moment dachte ich einfach nicht so weit und ich habe leider überreagiert. Ich wollte das ja nie, ich mag euch beide sehr gerne und ohne euch, wäre ich einsam hier, ihr seid meine Freunde. Ich"

„Wir waren deine Freunde," unterbrach mich Freddie.
Ich stand komplett perplex da und wusste nicht so recht was jetzt. „Wir sind keine Freunde mehr, bekomme das in deinen kleinen, dummen Kopf."

„Bitte, ich tue alles. Es war ein Versehen. Irgendwie muss ich mich doch entschuldigen können. Bitte Freddie, tue mir das nicht an, ich hab außer euch niemanden. Ich brauche euch, bitte. Bitte, du musst mich doch verstehen. Du weißt doch, wie das ist." Man konnte deutlich die Verzweiflung aus meiner Stimme hören und wahrscheinlich sah man sie mir auch an. Freddie holte nur genervt Luft und ging näher auf mich zu. Seine Art machte mir Angst, weswegen ich zurückwich, aber schon bald stieß mein Rücken an die Spinde. Kurz bevor sich unsere Körper berührten, blieb er stehen und begann mit ruhiger Stimme zu reden.

„Wie du vielleicht weißt, war ich selber mal ein Mobbingopfer. Ich hatte damals niemanden, keiner der mir zuhörte oder der für mich da war. Ich war allein. Trotzdem bin ich nie ausgerastet und hab einfach so Leute angeschrienen. Mir ging es scheiße, aber ich hab deswegen niemandem Leid zugefügt. Du warst nie allein, du hättest immer mit uns reden können, hast es aber nicht getan. Du hast es dir selber verbockt, du hast deine Freundin beleidigt und das, obwohl wir dir etwas Gutes tun wollte. Und komm mir nicht damit, dass dich dein Geburtstag an deine tote Oma erinnert hat und du nur deswegen ausgerastet bist. Denn weißt du, mein Onkel ist vor einem Monat an einem Autounfall gestorben. Bin ich deswegen dich angegangen? Nein, du hast ja nicht mal bemerkt, wie schlecht es mir ging. Du hast nur die Aufmerksamkeit auf dich gelenkt, mit deiner kranken Oma und damit dass du immer ruhiger geworden bist. Du hast nie auch nur daran gedacht, dass es deinem Umfeld auch schlecht gehen könnte. Wir haben dich immer gefragt, wie es dir ging, wir haben ja gemerkt, dass etwas sein muss, aber du hast uns nie rückgefragt. Du bist nicht besser als die. Du bist genauso ein Arschloch und deswegen können wir nicht mehr befreundet sein." Damit drehte er sich um und ging. Ich sank kraftlos auf den Boden und legte meinen Kopf auf meine Knie. War ich wirklich ein schrecklicher Mensch? War ich wirklich wie die? Ich wollte schreien, aber kein Ton verließ meinen Mund, weswegen ich nur meinen Mund aufriss und dabei meine Fingernägel in meine Handflächen bohrte. Freddie hatte recht, ich war ein schrecklicher Mensch. Rückblickend betrachtet merkte ich, wie ich meine Freunde nur ausnutze. Sie waren immer für mich da und ich war nie wirklich für die da. Wenn mal wieder der traurige Patrick durchkam, saß ich einfach still da und ließ die beiden sich Sorgen machen, aber wenn es mir gut ging, war mir egal, wie es den anderen ging. Ich verhielt mich egoistisch und dachte nur daran, wie scheiße, es mir ging, ohne an die anderen zu denken. Im Nachhinein merkte ich, wie oft Freddie mit dunkeln Augenringen in der Schule saß und wie oft Luisa ihn in den Arm nah. Ich war nur mit mir beschäftigt gewesen und hatte ihn nie beachtet. Er hatte doch recht, ich bin ein Monster und habe es nicht verdient Freunde zu haben.

Das Läuten riss mich aus meinen Gedanken. Ich hatte keine Lust auf Nachhilfe im Moment, aber ich hatte zu große Angst vor Manu, als das ich einfach abhauen könnte. So schlurfte ich wieder die Stiegen hinauf zu unserem Klassenzimmer. Ich klopfte und Manu öffnete mir kurz darauf die Tür.

„Ich dachte schon, du kommst nicht mehr," begrüßte er mich.
Ich nickte nur leicht mit dem Kopf und setzte mich hin. Manu begann mir irgendwas in Mathe zu erklären, aber ich hörte nicht zu, ich dachte nur an mein Gespräch mit Freddie. Ich machte mir Vorwürfe, dass ich nie an die anderen gedacht hatte. Der Junge neben mir schien zu merken, dass ich nicht ganz da war.

„Hey, hörst du mir überhaupt zu?", fragte er.

„Sorry, war mit den Gedanken woanders." Meine Stimme war nur mehr ein Flüstern. Er seufzte hörbar und klappte anschließend sein Heft zusammen und begann seine Sachen einzupacken.

„Was machst du?", fragte ich ihn leicht verwundert.

„Ich packe zusammen. Du wirkst nicht so, als würdest du mir zuhören, da kann ich auch gleich aufhören. So können wir noch was anderes machen, etwas was mir mehr Spaß macht." Bei dem letzten Teil lächelte er mich an, weswegen ich leicht zusammenzuckte. Die Panik stieg in mir auf.

„Bitte nicht, ich konzentriere mich auch jetzt. Versprochen." Manu schaute mich nach meiner Aussage verwirrt an.

„Bist du dir sicher, dass du lieber Mathe machst, als Waffeln essen zu gehen?" Jetzt war ich derjenige, der verwirrt dreinblickte.

„Du willst mit mir Waffeln essen gehen?", fragte ich unsicher. Manu nickte nur und lächelte.

„Komm, es gibt einen guten Laden in der Nähe." Er war schon aufgestanden und warf sich seinen Rucksack um die Schultern. Ich saß noch immer perplex auf meinem Stuhl und verstand die Welt nicht mehr. An der Geschichte musste es doch einen Haken geben. Warum sollte ausgerechnet er mit mir etwas machen wollen.

„Komm Patrick, vertraue mir. Es ist keine Falle oder so, ich will wirklich nur Waffeln essen gehen." Anscheinend hatte er meine Unsicherheit bemerkt. Ich musste leicht lächeln, als ich merkte, dass er mich mit meinem Namen angesprochen hatte. Glücksgefühle kamen in mir hoch und auch ich begann meine Sachen in meinem Rucksack zu verstauen. Als wir aus der Klasse hinausgingen, sah ich aus dem Augenwinkel Taddl und Ardy, welche neben der Klasse standen und anscheinend auf Manu warteten. Er ging aber einfach weiter und beachtete die beiden nicht. Ich war verwirrt, lief dann aber Manu hinterher, da ich nicht mit den beiden alleine sein wollte.

Die Waffeln waren wirklich unfassbar gut und ich konnte erstaunlicherweise gut mit Manu reden. Meine Angst vor einer Falle war auch schnell verflogen und ich hatte einfach nur Spaß mit dem Jungen, welcher mir mein Leben schwer gemacht hatte. Ich vergaß sogar meinen Streit mit Freddie und die Tatsache, dass ich einen guten Freund verloren hatte. Ich war einfach so erleichtert darüber, dass Manu doch ein netter Mensch war, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte.
Zu Hause fielen mir nochmal seine Worte von Weihnachten ein.

„Verzeih mir," hallte seine Stimme in meinem Kopf wieder.

„Ich verzeihe dir," sagte ich leicht flüstern zu mir selbst und lächelte.

Ich hoffe, es ist alles noch immer einigermaßen logisch aufgebaut, wenn nicht dann sagt es mir bitte.

Wie man vielleicht merkt, hab ich etwas Neues ausprobiert und bei den Gesprächen immer Absätze gemacht. Ist es so angenehmer zum Lesen, oder ist es egal?

Und ich habe eine Frage, kennt irgendwer noch gute Geschichten hier auf Wattpad wo Manu der „dominantere/aktivere" ist und nicht Palle? Ich hab nämlich das Gefühl, ich hab schon alle gelesen die es gibt, ich brauch aber mehr. xD

Danke fürs Lesen. :D


Mein vergessenes Jahr/KürbistumorWhere stories live. Discover now