Donnerstag, 12. Mai: Prüfungsangst

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Mit geschlossen Augen ließ ich mir das kühle Wasser über den Körper strömen. Ich hatte gehofft, dass eine kalte Dusche mir helfen würde, einen kühlen Kopf zu bekommen. Falsch gedacht. Meine Gedanken rasten und es war einfach kein Ende in Sicht. Ich hatte schon wieder unglaublich schlecht geschlafen und das die zweite Nacht in Folge. Aber diesmal war meine Prüfungsangst und mein schlechtes Gewissen Jonas gegenüber schuld.

Ich bekam immer noch Gänsehaut vor Rührung, wenn ich an seine Geste dachte. Wie unglaublich süß, dass er an meine Prüfung gedacht hatte. Auch wenn sein Glücksbringer etwas unkonventionell war. Aber dafür auch originell. Er hätte auch einfach ein Kleeblatt oder ein kitschiges Kuscheltier nehmen können.

Ich gab es auf, was den Versuch mit der Dusche anging und machte mich daran mich fertig zu machen. Ich hasste es die Zeit vor Prüfungen zu überbrücken. Denn ich war der felsenfesten Überzeugung, dass die Minuten mindestens doppelt so lang waren, wenn nicht sogar dreifach. Und wenn man dann in der Prüfung war, dann versuchten sie ihre verlorene Zeit wieder aufzuholen, indem sie rasend schnell vergingen.

Meine Prüfung war erst um zwei. Tendenziell sehr unpraktisch gelegt, weil man dann doch noch dabei war sein Mittagessen zu verdauen. Und was sollte ich bitte bis dahin noch tun? Lernen hatte ich aufgegeben. Das würde zu diesem Zeitpunkt meine Angst nur noch vergrößern, weil ich sah, was ich alles nicht konnte. Außerdem war ich der festen Überzeugung, dass ich alles, was ich bis jetzt nicht in meinem Kopf hatte eh nicht mehr rein bekam.

Seufzend tapste ich zurück in mein Zimmer. Zumindest wusste ich, was ich anziehen wollte. Im Gegensatz zu meinem sonst recht bunten und sportlichen Look, griff ich heute zur anthrazitfarbenen Hose und gepunkteten Bluse. Außerdem steckte ich meine Haare hoch und setzte meine Brille auf, in der Hoffnung damit intelligenter zu wirken. So war vielleicht mit meinem ersten Eindruck noch nicht gleich alles verloren.

So geleckt erschien ich schließlich in der Küche. Mein erster Blick fiel auf die Uhr über dem Kühlschrank. Es war erst halb neun. Ich hatte kaum Zeit totschlagen können. Mist.

„Ich wusste gar nicht, dass du so seriös aussehen kannst", begrüßte mich meine Mitbewohnerin ehrlich wie immer.

Ich streckte ihr zur Antwort die Zunge heraus und setzte mich.

„Solltest du öfter so tragen. Steht dir", sie zwinkerte mir zu.

„Haha. Das Outfit ist mir viel zu spießig um es jeden Tag zu tragen."

„Und warum hast du es dann an?"

„Ist das nicht offensichtlich?" Ich verdrehte die Augen.

„Ich mein ja nur", sagte Maya, während sie mit Schwung Zucker in ihren Kaffee schaufelte. „Ich würde zu einer Prüfung immer Klamotten anziehen, in denen ich mich wohl fühle. Vielleicht nicht unbedingt das schmuddeligste Gammel-Outfit. Aber dann hat man doch eine Sorge weniger und strahlt gleich viel mehr Selbstbewusstsein und Zufriedenheit aus."

„Danke, Frau Hobby-Psychologin. Kommst du mir jetzt auch noch mit autogenem Training oder Tai Chi gegen Prüfungsangst?" Ich versuchte mir ebenfalls Kaffee einzuschenken, zitterte dabei aber so stark, dass der Großteil neben der Tasse landete und eine riesen Lache auf dem Tisch bildete.

„Einigen Leuten hilft das wirklich. Apropos", sie stand auf und nahm mir die Kanne aus der Hand. „Lass mich das mal machen."

„Danke." Seufzend ließ ich mich auf meinen Stuhl zurück fallen und sah ihr dabei zu, wie sie mein Chaos beseitigte. Ich war heute wirklich zu nichts zu gebrauchen.

„Ich habe vorhin übrigens mit Caro telefoniert", fing meine Mitbewohnerin an zu berichten, als sie fertig war.

„Die ist schon wach?" Ich an ihrer Stelle würde jede Minute Schlaf auskosten.

MaifieberWhere stories live. Discover now