Eiszeit

1.7K 70 82
                                    

"Gibt es eine andere Möglichkeit?", fragt Scott. Er wirkt ruhig, aber an seinen bebenden Nasenflügeln erkennt man, wie aufgewühlt er innerlich ist. Steve tritt in den Raum. "Schon. Aber ich würde nicht behaupten, dass diese Lösung hilfreicher für die Welt ist", fängt er an. Scott dreht sich zu ihm um, mustert den Captain interessiert. "Es ist praktisch Hausarrest. Ihr bekommt eine Fußfessel, die überwacht, dass ihr Zuhause bleibt." Hinter Steve kommt zu guter Letzt auch Clint rein. "Ich habe mich dafür entschieden. Immerhin schadet diese Lösung der Familie weniger, als das Flüchten." Skeptisch blicke ich zwischen den beiden Vätern hin und her. In Scotts Gesicht macht sich immer mehr Entschlossenheit breit. "Ich bin lieber in meinem eigenen Haus gefangen, als von meiner Tochter getrennt zu sein. Auf mich könnt ihr bei der Flucht nicht zählen." Enttäuscht lasse ich meine Schultern hängen. Gleich darauf spüre ich eine sanfte Hand an selbiger. Mit einem aufgesetzten Lächeln sehe ich zu Wanda. Ihren Blick kann ich nicht deuten, doch ihre Körperhaltung verrät, dass sie nicht glücklich über Scotts Austreten ist. Innerlich seufze ich. Schweren Herzens sehe ich wieder zu den Jungs. Sie diskutieren über die Einzelheiten, wie es jetzt weitergeht. "Bucky hat darum gebeten, dass er in Wakanda eingefroren wird, sodass wir noch einen Zwischenstopp einlegen müssen." Bucky nickt, als sein bester Freund die Situation erläutert. Doch Steves Satz bekommt bloß ein einstimmiges Nicken als Reaktion. Für den Rest sind wir zu erschöpft. Bucky kommt auf mich zu und legt einen Arm um meine Hüfte. "Setz dich, Paula. Du bist total erschöpft." Dankbar lasse ich mich von ihm zu einem der Sitze führen. Wanda folgt uns, setzt sich stumm vor mich und greift nach einer der Wasserflaschen, die vor uns auf einem Tisch stehen. Bucky tut es ihr gleich. Kaum hat er die Flasche mit einer enormen Leichtigkeit aufbekommen, reicht er sie mir auch schon lächelnd. Mit einem einfachen Kopfschütteln lehne ich ab. "Steve, können wir kurz reden?", höre ich Sam sagen. Doch da ich meine Augen erst einige Sekunden vorher geschlossen habe, sehe ich den Dunkelhäutigen nicht. Ich nehme bloß die schweren Schritte der beiden Männer wahr. Es dauert nicht lange, da bin ich tief und fest eingeschlafen.

Von einem Ruckeln werde ich wach. Verwundert stelle ich fest, dass mein Kopf auf Buckys Schultern ruht. Langsam setze ich mich gerade hin. "Du bist ja wach", stellt der Winter Solider das Offensichtliche fest. Ich nicke verschlafen. "Wo sind wir?", erkundige ich mich, während ich versuche, meine Beine zu strecken. "Wakanda." Ich nicke, versuche einen Blick aus dem Fenster zu erhaschen, was mir schließlich auch gelingt. "Das ist Wakanda? Ich dachte, dieses Wakanda wäre ein armes Dorf irgendwo in Afrika", spreche ich meinen Gedanken laut aus. Vielleicht wirke ich damit ein bisschen lächerlich, aber in den Nachrichten war nur die Rede von einem Dorf, nicht von einer prunkvollen, reichen Stadt, die hochmodern wirkt. Bucky lacht bloß. "Hier wirst du eingefroren?", frage ich den deutlich Älteren. Bucky nickt. Leicht hebt er seine Hand an, doch an seinem Gesichtsausdruck merke ich, wie sehr er zögert, was auch immer er vorhat. Er lässt seine Hand wieder auf die Lehne sinken. Mir entgeht nicht, wie er mit seiner Hand meine berührt. Schnell zieht er sie weg. Sein Blick ruht auf meiner Schläfe. Stur ignoriere ich Bucky.

Ein heftiger Ruck erschüttert den Helikopter kurz, als er am Boden aufsetzt, doch danach ist es ruhig. Schnell stehe ich auf, bringe Abstand zwischen Bucky und mich. Natasha öffnet uns freundlicherweise die Tür, was ich mit einem Nicken und einem herzlichen Lächeln quittiere. Sie erwidert mein Nicken und ich verlasse den Helikopter. "Paula." Langsam drehe ich mich um, sehe dabei direkt in Wandas grüne Augen. "Was ist denn?", frage ich sanft, während ich auf sie warte. "Ich will nicht, dass du alleine durch Wakanda streifst. Lass uns ein Eis essen gehen", schlägt die junge Hexe vor. Ich nicke grinsend und hake mich bei ihr unter, als sie mir einen Arm hinhält. "Paula, warte", höre ich nun auch Bucky hinter mir rufen. Ich sehe Wanda entschuldigend an und drehe mich zu dem Winter Solider. Er kommt auf mich zu und zieht mich in eine feste Umarmung, die ich erwidere. "Pass auf dich auf, Paula. Ich möchte nicht aufwachen und erfahren, dass dir auf der Flucht etwas zugestoßen ist. Das könnte ich nicht verkraften", murmelt Bucky an meinem Ohr und haucht mir einen freundschaftlichen Kuss darunter. "Versprochen. Und sag T'Challa, dass er auf dich Acht geben soll", flüstere ich ebenfalls. Bucky nickt, während er seine Arme von meinem Körper wegzieht. Wanda greift meinen Arm von hinten, sodass ich von ihr mitgezogen werde. Mit einem letzten Blick über die Schulter ergreife ich die einmalige Chance, Bucky ein Lächeln zu schenken. Das letzte Lächeln für eine lange Zeit. Bucky erwidert es, wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass Schmerz in seinen Augen aufleuchtet.

Fröhlich plaudernd sitzen Wanda und ich in einem kleinen Café, irgendwo in Wakanda und trinken einen Eiskaffee. Die grünen, glitzernden Augen Wandas' bringen mich dazu, jedesmal zu lächeln, wenn ich in sie blicke. "Was läuft eigentlich zwischen Bucky und dir?", fragt Wanda und reißt mich aus meinen Gedanken über ihre Augen. "Mhm?" Wanda lacht auf. "Sag bloß, du hast mir nicht zugehört, weil du an ihn gedacht hast." Erschrocken reiße ich meine Augen auf. "Nein! Nein, um Himmelswillen! Buck und ich sind nur Freunde", beteuere ich. Wanda nickt, obwohl sie so aussieht, als würde sie mir nicht glauben. Spielerisch verdrehe ich meine Augen. "Wirklich, Wanda. Zwischen Bucky und mir läuft rein gar nichts!", wiederhole ich mit mehr Nachdruck in der Stimme. Grinsend wechselt die junge Hexe das Thema und ich habe wieder Zeit, über ihre atemberaubenden Augen nachzudenken.

Nachdem wir beide unseren Kaffee ausgetrunken haben, sind wir zurück zum Palast gegangen, um nach Steve zu sehen. Wir treten ein, bewundern die ersten prunkvollen Räume. Nachdem wir uns kurz erkundigt haben, wissen wir, wo wir Steve ungefähr finden werden. Da dieser Raum aber mehrere Stockwerke hoch ist, entscheiden wir uns für den Aufzug. Kaum schließt die Tür sich hinter uns, wird es ruhig. Den Trubel in der Eingangshalle lassen wir hinter uns. "Willst du gleich noch einmal zu Bucky?", durchbricht die junge Hexe lächelnd die Stille. Ich nicke, während sich ein dicker Klos in meinem Hals bildet. Bucky ist mein bester Freund, er hat einen viel prächtigeren Abschied verdient, als wir ihm geben konnten. Wanda legt beruhigend eine Hand auf meine Schulter. Sie hat wohl gemerkt, dass sich langsam Tränen in meinen Augen bilden. "Du hast viel mehr verloren, als der Kampf wert war. Ich bewundere dich für deine Stärke, Paula", offenbart sie mir wieder einmal, während sie mich intensiv mustert. Mir steigt die Röte ins Gesicht, sodass ich verlegen wegblicke. Zu meinem Glück geht die Fahrstuhltür auf. Schnell flüchte ich aus dem Aufzug und laufe in den nächstbesten Raum. Ich stocke, als ich Bucky eingefroren in einem engen Rohr sehe. Hinter mir spüre ich Wandas Präsenz. Sie berührt sanft meinen Arm. Doch kaum berührt ihre Haut meine, bilden sich wieder Tränen in meinen Augen. "Wanda? Paula? Was macht ihr den hier?" Erschrocken drehe ich mich um, blicke direkt in Steves' verwundertes Gesicht. "I-Ich wollte mich noch einmal von Bucky verabschieden. So richtig und nicht im Schnelldurchlauf", erkläre ich mit zitternder Stimme. Wanda nimmt mich sanft in den Arm. Steve nickt, während er mich mitleidig mustert. Mit zusammengepressten Lippen versuche ich mich an einem Lächeln, doch ich scheitere kläglich. "Ich warte draußen. Kommst du mit, Wanda?", fragt Steve mit einem schwachen, aber durchaus ehrlichen Lächeln. Wanda nickt, zieht sanft ihre Hände von meinem Körper und geht hinter Steve aus dem Raum. Schweren Herzens wende ich mich dem eingefrorenen Bucky zu. Langsam komme ich ihm näher. Vor dem Glas, welches uns trennt, bleibe ich stehen. Tränen bilden sich in meinen Augen, meine Beine werden schwach. Unter mir geben sie langsam, aber sicher nach. Mit einem dumpfen Knall falle ich auf den Boden. Mir wird schwarz vor Augen, mein Kopf dröhnt. Ich falle in eine tiefe Ohnmacht.

Flüchtige LiebeWhere stories live. Discover now