Vingt-Deux.

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Hermine presste ihre Lippen aufeinander, setzte sich auf die Stelle des Bettes, an der vor wenigen Minuten noch Narzissa gewesen war und nahm die Schüssel von ihrem Nachttisch.

„Hier, trink den Rest.", Hermine stützte seinen Kopf, während er mit zittrigen Fingern um die Schüssel, samt Hermines Hand griff. Seine Finger waren kalt und klamm. Anscheinend hatte die bläuliche Flüssigkeit einen unangenehmen Geschmack, denn als Draco den letzten Tropfen geschluckt hatte rümpfte er seine Nase. Er wischte sich mit dem Unterarm über den Mund und sank zurück in die weichen Kissen.

Hermine beschloss derweil ihm einen Pullover zu bringen, den sie magisch vergrößert hatte, sodass er ihm passte. Und da er schwarz war, würde es sich auch nicht um einen modischen Fauxpas handeln. Sie half ihm dabei seine Arme durch die Ärmel zu bugsieren und zog den Saum über seine Brust. Weiterhin reichte sie ihm seine Boxershorts, die sie zuvor mit einem Ratzeputz gereinigt hatte. Draco lag nun warm in eine Decke gewickelt auf Hermines Bett und bedachte sie mit einem müden Blick. Hermine seufzte.

„Schlaf noch etwas, ich setze mich vor den Kamin.", Draco nickte und schloss ergeben seine Augen. Schleppenden Schrittes ging sie zu ihrem Sofa, entzündete den Kamin mit ihrem Zauberstab und ließ sich entkräftet auf den zerrütteten Stoff fallen. Wahllos griff sie nach einer der Flaschen auf ihrem Couchtisch und nahm einen großen Schluck. Weißwein. Wann auch immer die aufgetaucht waren, es war eine wahre Wohltat, dass sie da standen. Ermüdet strich sie sich über ihre Augen und starrte ins Feuer. Sie durfte jetzt nicht an Fred denken. Als er von einem Streifschuss der Todesser getroffen wurde lag er blass und blutig auf dem Sofa der Weasleys. Einige Tage war er schwach gewesen und konnte sich kaum bewegen. Gleiches bei Ron, der ihr beim Apparieren zersplintert war. Nachts hatte er gezittert und kalten Schweiß auf seiner Stirn stehen gehabt. Fast drohten die Bilder Hermine zu überwältigen, aber sie schaffte es knapp, sie in ihr Unterbewusstsein zu verdrängen. Dafür stützte sie sich mit der Stirn auf ihren Armen ab, die auf ihren Knien überkreuzt lagen. Sie fühlte sich einmal mehr schwach und ausgelaugt. Das alles musste ein Ende haben. Vielleicht sollte sie einfach einmal zu viel... Nein. Zuerst musste sie Draco heil zu seiner Mutter bringen. Außerdem hatte sie mit ihm einen Pakt geschlossen. Sie konnte nicht einfach aufgeben. Noch nicht. Lang saß sie so da, ließ die Tränen über ihre Arme auf den Boden tropfen, bis sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte.

Langsam hob sie ihren Kopf und sah in Dracos blasses Gesicht, das sie besorgt musterte. Hermines Mund verzog sich, als weitere Tränen ihren Weg an ihren Wangen herunter fanden. Draco sagte kein Wort, setzte sich neben sie und zog sie in seine Arme. Sie schluchzte, weinte und krallte sich an seinem Pullover fest. Er strich ihr mit einer Hand durchs Haar, den anderen Arm hatte er um ihren zarten Rücken gelegt.

„Alles wird gut. Vielleicht nicht jetzt, oder morgen, aber irgendwann ganz sicher. Stell dir einfach vor, es wäre spätestens in einem Jahr wieder alles gut.", flüsterte er nah an ihrem Ohr. Sie krümmte sich unter seinen Worten zusammen. Er streichelte ihren Rücken und wiegte sie. Auch seine Sicht wurde durch ein paar Tränen gestört, die das Feuer wie einen großen leuchtenden Fleck aussehen ließen. Er machte sich nichts daraus und ließ sie frei. Hermine musste seine Tränen auf ihrem Hals gespürt haben, denn sie löste ich und begegnete seinen Augen mit einem verwirrten Gesichtsausdruck.

„Ich bin so verwirrt.", flüsterte sie.

„Frag mich mal.", gab er zurück. Ihre Nasen waren wenige Zentimeter voneinander entfernt, als sie sein Gesicht in ihre Hände nahm und seine geröteten Augen, seine gerissenen Lippen und die feuchten Spuren auf seiner Wange besah.

„Es tut mir leid."

„Was?", unruhig suchten seine Augen nach einer Antwort in ihrem Gesicht. Kurz schluckte sie, er sah, dass sie das Folgende eine große Überwindung kosten musste.

Erinnerungen [Dramione]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt