Kapitel 1

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Eine kleine Familie von Ratten bahnt sich ihren Weg über die verseuchte Straße des Todes, zu ihrem Versteck unter einem Haus. Der Fluss trägt die toten Leichnamen Richtung Ufer und bringt den Kanalratten ihr Frühstück. Ein Obdachloser bittet verzweifelt um medizinische Hilfe und Almosen, jedoch ohne Erfolg. Die letzten übrig gebliebenen Aristokraten weichen den wandelnden Zombies aus und versuchen zurück in ihr Viertel zu gelangen. Der leichte Smog hat sich über die Stadt London gelegt und verdeckt so manche Grausamkeiten. Das traurige Schauspiel wird von ihr die ganze Zeit beobachtet und genau unter die Lupe genommen. Ihr schwarzer Mantel gleitet an dem Holzpfosten, auf dem sie hockt, herunter und ihre Füße balancieren darauf. Immer im Schutz der Dunkelheit blickt Daena auf das aussterbende Leben der Engländer. Wo sie her kommt? Das weiß sie nicht mehr. Wo ihre Eltern sind? Weiß sie nicht mehr. Alles was sie weiß ist, das sie eine Assasinin ihres eigenen Ordens und Willens ist. Und das ist auch gut so. Ihre schon fast schwarzen Augen starren auf die matschige Straße. Ein Mann läuft vorbei und überlegt, wie er jetzt am besten über diese Straße gelangt, ohne seinen Gehrock und seine Schuhe schmutzig zu machen.
(Daena) ,, Jetzt wird's interessant."
Murmelt Daena und grinst in ihren schwarzen Mundschutz aus altem Samtstoff. Der Aristokrat versucht es erstmal mit einem Sprung, über die große Wasserlache. Jedoch ist das sein erster und letzter Versuch. Denn er verliert sein Gleichgewicht und mit einem Satz landet er im Schlamm. So ein Pech aber auch. Der Gehrock ist bestimmt teuer gewesen.
Ein kurzes Kichern bleibt Daena nicht aus und damit zieht sie die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich.
(Mann) ,, Hey was gibts da zu lachen?"
Kopfschüttelnd zieht sich die junge Frau zurück in ihren Unterschlupf und amüsiert sich, über das immer noch bestehende Bild in ihrem Kopf. Der Unterschlupf ist recht bescheiden. Er befindet sich im Dachboden eines längst verlassenen Hauses. Auch hier hat die Pest schon gewütet und ihre Opfer eingefordert. Mit ihrer zarten Hand greift Daena in eines ihrer Regale und greift auf eines der vielen Einmachgläser zu. In diesem befindet sich ein kleines Stück von einem Finger. Um die Wahrheit zu sagen, Daena beschäftigt sich schon seit längerer Zeit mit der Seuche, die tagtäglich eine große Menge von Menschen dahinrafft. Gelegentlich geht sie auf Streifzüge und sammelt übriggebliebene Körperreste von Leichnamen, um vielleicht die Ursache für die Krankheit zu finden. Einer gewissen Gruppe, der Gesellschaft, passt das allerdings so gar nicht in den Kram. Den Leuten der Gerechtigkeit, dem Gesetz. Wie oft hat Commissioner Blagden ihr schon gesagt, das sie sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen soll und ganz besonders die Finger von Polizeilichen Angelegenheiten lassen muss. Nichts von alldem hat Daena vor sich zu Herzen zu nehmen. Eher würde die Seuche alle umbringen, bevor die Medizin irgendetwas herausfinden würde. Mit einem kleinen Skalpell schneidet sie nun ein kleines Stück des Fingers auf und nimmt sich ihre Lupe zu Hand. Das noch ziemlich gut erhaltene Fleisch schaut Daena direkt in die Augen und gibt ihr dennoch wieder einmal keinerlei Hinweise. Auch das herumstochern mit dem Skalpell ist zwecklos. Aber die junge Frau lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Behutsam legt sie den Finger zurück in seine Flüssigkeit, schließt das Glas und stellt es zurück in das Regal. Wer weiß, vielleicht würde sie ihn ja noch einmal brauchen. Ihre Finger gleiten sanft von dem Glas und hinterlassen ein paar Fingerabdrücke.
( Daena) ,, Was mache ich hier eigentlich noch?"
Fragt Daena in die Tiefe ihres Regals und dreht sich dann zum Fenster, wodurch sie so eben noch geklettert ist. Aus ihrer Manteltasche zieht sie eine versilberte Taschenuhr, die an einer kleinen Kette in die Untiefen ihrer Tasche führt. In 3 Stunden würde die Sonne aufgehen und die nächtlichen Schreie der Menschen, die dabei zusehen müssen wie ihre toten Angehörigen aus dem Haus getragen werden, verschwinden. Der Einzige, der sich wahrscheinlich über die Toten freut, ist der Bestatter. Denn der hat mittlerweile den ersten Platz des meisten Umsatzes erreicht. Der Pub wäre doch jetzt eine Möglichkeit, um ein bisschen die noch gut gelaunten Menschen zu beobachten und sich über ihre leichtsinnige Lebensweise zu erfreuen. Schnell schnappt sich Daena ihren Dolch, den sie am Ufer des Flusses gefunden hat, ihre restlichen Goldstücke und begibt sich auf den Todespfad. Immer noch sind aus einigen Häusern weinende Kinder und Mütter zu hören. Daena versucht die unangenehmen Geräusche auszublenden und stapft über die modrige Straße. Der Pub liegt nicht weit von ihrem Unterschlupf ein Marsch von vielleicht 10 Minuten. Ein Ort, wo jeder seine wirkliche Gestalt zeigt und die Maske fallen lässt. Unterwegs begegnen Daena die schlimmsten Szenarien. Menschen die Blut erbrechen und von der Seuche halb zerfressen in der Dunkelheit liegen. Aber das ist alles nichts Neues für die Engländerin. Unbeeindruckt steigt sie über einen der sich windenden Körper herüber und tritt erneut mit ihren Stiefeln in den Matsch. Tag ein Tag aus. Jeden Tag dasselbe. Plötzlich ergreift eine Hand Daenas Arm und zieht sie einige Zentimeter zu Boden. Hastig wirft sie einen Blick auf ihren Angreifer, während sich ihre Augen weiten. Sofort löst sich die junge Frau geschickt aus dem Griff und taumelt einige Schritte zurück. Am Boden kriecht ein zitternder alter Mann, der flehend seine Hand nach ihr ausstreckt.
(Daena) ,, Was zum Teufel."
Schützend hält sich Daena ihren Arm vor Mund und Nase. Der beißende Geruch, des halbtoten Menschen dringt bis unter Deanas Mundschutz und Arm.
(Alter Mann) ,, Uuuhhhgggg, bitte ich bin so krank mein Dame."

The plagues prayerWhere stories live. Discover now