Kapitel 2.

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Gemütlich und nichts Böses ahnend schlenderte eine junge Frau Anfang Zwanzig an den Marktständen der hübschen mittelalterlichen Stadt, Violl's Garden, entlang. Wie üblich trug sie zwar nur verhältnismäßig legere, unauffällige Kleidung. Und doch hatte die Art wie sie schritt, ihre ganze Präsenz immer etwas Hoheitsvolles und Unerreichbares an sich. Wie eine verbotene Frucht, die man zwar voller Gier betrachten – jedoch nicht berühren durfte. Sie war eine 1,75 m große Frau von stolzem Auftreten, welches eine unübersehbare Erlesenheit und Würde ausstrahlte. Ihr Haar war honigblond und fiel ihr lang und in eleganten, in langen Wellen weit den Rücken herab und umspielte sanft ihr schönes, strenges Gesicht. Hinter einer ziemlich grob und scheinbar stümperhaft gearbeiteten Brille auf ihrer Nase blitzten zwei grüne Augen hervor, welche wie kostbare Steine im kalten Wintersonnenlicht glänzten. Um die Hüfte trug sie wie immer, wenn sie ausging, einen extra passend für sie angefertigten Ledergurt in welchen drei spezielle Halterungen für Stift, ihr geliebtes Notizbuch und Dolch, welchen sie aus reiner Vorsicht heraus immer bei sich trug eingearbeitet.

Gerade nahm die junge Frau mit neugierigen und faszinierten Blicken den Antiquitäten Stand, an dem sie gerade rein zufällig vorbeigekommen war genauer unter die Lupe, als plötzlich ein Geräusch ihre Aufmerksamkeit erregte und sie aufhorchen ließ. „Huh!? Nanu!", entschlüpfte es ihr leise vor sich her denkend. Wie aus einem Reflex heraus fuhr sie hoch und drehte sich in einem grazilen Schwung in eben jene Richtung, aus welcher das Geräusch zu kommen schien. Allerdings rollte sie nur genervt und ein wenig mitleidig belächelnd die Augen, als ihr klar wurde, dass der ungewohnte Lärm nur von einigen Sklaven stammte, welche mal wieder viel zu grob auf das Podium gezerrt wurden.

Nicht nachvollziehen könnend, was die breitere Masse der Menschen daran fand, ein wertvolles Menschenleben zu knechten, schüttelte sie den Kopf. »Ich hätte wirklich zu einem anderen Zeitpunkt hier her kommen sollen ...", murmelte sie und seufzte in tiefem Mitgefühl für die armen, potentiellen Sklaven und Frauen, welche schon sehr bald in die Prostitution gezwungen werden würden und fortan ihre Tage ganz tief unten und am Rande der Gesellschaft fristen würden. „Ist ja scheußlich", entschlüpfte es ihr angewidert von so viel Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit. Bis ins Mark fuhr sie zusammen, als im nächsten Augenblick die tiefe und basshaltige Stimme des stämmigen und schon auf den ersten Blick ziemlich dumm wirkenden Ausrufers vom Podest aus über den Marktplatz donnerte. „Meine Damen und Herren, darf ich um ihre werte Aufmerksamkeit bitten." Die junge Frau schüttelte nur den Kopf. „Herrje! Ist denn das zu fassen!? Muss man die armen Menschen auch noch wie Vieh präsentieren und behandeln!? Ist es nicht schon schlimm und Sünde genug, dass man sie verkauft!?", schimpfte sie leise vor sich her und rückte sich ihre Brille zurecht, welche vor Schreck beinahe von der Nase gerutscht wäre.

Mit harter, missbilligendem Miene beobachtete sie, wie sich auf die Worte des Ausrufers hin unzählige Menschen unter vielen entzückten und neugierigen »Ah" und »Oh" auf das Podest zubewegten um die angehenden Sklaven schaulustig und wie Frischfleisch zu begaffen. Abermals konnte die junge Frau über so Torheit auf einem Haufen nur den Kopf schütteln. »Du meine Güte ...", dachte sie laut vor sich her und wollte gerade ihren Blick von dem unschönen Geschehen abwenden und weitergehen. Ein intensives Bauchgefühl, welches ihr auf so typische Weise verriet, dass sie bleiben sollte, sorgte jedoch dafür, dass sie ihren Blick in einem Anflug von widerlicher Faszination schlichtweg nicht von dem Geschehen vor sich lösen konnte und blieb.

Während sie sich ganz langsam mit dem Strom der Menschenmassen zubewegte, beobachtete sie mit skeptischem Blick, wie der Ausrufer auf dem Podest nacheinander an den potentiellen neuen Sklaven vorbei schritt und diese nacheinander dem Publikum und angehenden Käufern vorstellte.

Auf dem Podest nahm das unmoralische Treiben weiter seinen verhängnisvollen Lauf. Um sie herum wurde wild und hart um die ersten beiden angebotenen Menschen gefeilscht, während die junge Frau selbst das Treiben misstrauischen im Auge behielt. Zwei junge Burschen mit wildem braunem Haar und noch wilder und erbost funkelnden Augen. Nach ihren ersten grob eingeschätzten Zügen zu urteilen kamen sie vermutlich irgendwoher aus dem hohen Norden. Zufrieden traten die beiden neuen Besitzer aus der Masse zur Seite, als sie den Verkauf, welcher in allem einer einzigen großen Versteigerung glich, für sich entschieden hatten, um ein wenig später ihre neuen Sklaven in Empfang zu nehmen und mit ihnen von dannen zu ziehen. Was nun folgte, kam einem fulminanten Höhepunkt gleich. Kaum, war das Gerangel, um die beiden kräftigen, dunkelhaarigen Burschen beendet, näherte sich der Ausrufer voller boshafter Wonne und Genugtuung im Blick der erste der drei weiblichen angehenden Sklavinnen und Huren. Als erstes war eine junge Frau mit langem, rabenschwarzen Haaren und stechenden tiefblauen Augen an der Reihe, welche ihm flüchtig als Fjori vorgestellt wurden war. „Meine Damen und Herren. Kommen wir nun zu der ersten unserer weiblichen Kandidatinen. Eine feurige Schönheit aus dem tiefen Süden.", stellte er sie voller Begeisterung und Vorfreude auf den gleich ihretwegen entbrennenden waffenlosen Machtkampf vor. Ihm war mehr als nur bewusst, dass ihr gutes Aussehen viele Blicke auf sich ziehen würde und viele von ihrer Schönheit geblendete Lüstlinge Unsummen an Gulden für sie auf den Tisch legen würden. Innerlich rieb er sich bereits triumphierend die Hände und sah sich in Gedanken schon bei einem prachtvollen Essen in amüsanter Gesellschaft sitzen. „Ihr Name ist Fjori und sie hat Feuer und Temperament, meine Herren, kann ich ihnen versichern.", schürte er die primitiven Gelüste der Männer noch weiter und packte die junge Frau, wie als wäre es das normalste der Welt und man dürfe so mit einem Menschen umgehen grob an Kinn und zog sie zu sich vor. Mit festen Griff drückte er sie an sich und lehnte sich so weit zu ihr hinüber, dass die junge Frau problemlos seinen heißen, stinkenden Atem auf ihren entblößten Schultern spüren und er ihr sehr einfach etwas in Ohr flüstern konnte. „Also, Schätzchen! Hör gut zu. Da unten sind viele Männer anwesend, die von deiner Schönheit verzaubert sind. Wenn du also nicht als billige Hure in einem der unzähligen skrupellosen Harem enden möchtest, setz jetzt mal ein freundliches Gesicht auf und schenke ihnen ein Lächeln, klar?" Als Antwort war sein Wams fast noch im gleichen Augenblick mit gelblichem Rotz besudelt. »Ich denke ja gar nicht daran!", fluchte sie wehrhaft und verpasste den Ausrufer im nächsten Moment vom Mut der Verzweiflung getrieben einen überraschend kräftigen Tritt gegen das Schienenbein. Augenblicklich schrie und jaulte der stattlich gebaute Mann neben ihr vor Schmerz auf. Ungewollt hatte die junge Frau zu allem Überfluss auch noch genau einen Punkt in seinem Schienbein erwischt, in welchem sich seit einigen Tagen schon eine überaus lästige und hartnäckige Verspannung festgesetzt hatte, was den Schmerz noch einmal zusätzlich intensivierte und sein Blut zum Kochen brachte. „AH! Du kleines räudiges Miststück! Warte du nur!", presste er leise aber schmerzerfüllt hervor und wandte sich, nachdem sich der Schmerz etwas gelegt hatte unverzüglich, und so tuend, als gehöre dies alles zur einer kleinen Darbietung mit einem breiten und falschem Grinsen ans Publikum. »Was habe ich gesagt, meine Damen und Herren. Sie hat Feuer!", heizte er die Menge noch weiter an.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 18, 2019 ⏰

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