11.

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Lian's P.o.V.

"Nicht direkt.", antwortet meine Schwester, Sina, mir mit einem Zögern und Tränen treten in ihre Augen.
"Was dann?", hacke ich nach.
Gott, kann sie nicht einfach reden?  Langsam werde ich ungeduldig. Sie ist eine Luna, das ist untypisch für sie.

Wieder stottert sie, zögert es noch einmal hinaus, bis sie endlich an fängt zu sprechen.
"Ich war schwanger!"
Zuerst freue mich mich, dann fällt mir das war auf. Vergangenheit?
"War?", frage ich vorsichtig nach und wische ihr die Tränen von der Wange.
Sie nickt und ich ziehe sie ins Haus mit den Worten: "Okay, dass besprechen wir lieber in Ruhe. Willst du was trinken?"

Sie schüttelt nur den Kopf und lässt sich aufs Sofa nieder.
"Ich bin nicht mehr schwanger!", platzt sie nach einigen Momenten der Stille heraus.
Wieder laufen ihr Tränen übers Geschicht, "Es ist tot! Einfach so!"
Ich streichel ihr beruhigend über den Rücken, aber eine Sache macht noch keinen Sinn.
"Wo ist dein Mate? Er sollte dich trösten."

"Ich traue mich nicht. Er hat sich so gefreut. Jede Stunde hat er über unser Baby geredet. Ich will ihn nicht enttäuschen."
Ihr Gesicht verzieht sich vor Angst. Wie muss es für Steff sein, ihren Mate? Ich kenne Pia nicht einmal richtig und würde sie schon jetzt mit meinem Leben schützen. Und unsere Kinder erst.
Meine Hand ballt sich bei dem Gedanken zur Faust, aber ich lasse sie schnell sinken. Ich möchte nicht, dass meine Schwester es sieht! Ich trauer einige Minuten mit ihr, schütze sie im Moment der Schwäche.

Plötzlich zuckt sie unter mir. Ich habe schon so eine Ahnung, was da gerade passiert. Steff, ihr Mate, muss bemerkt haben, dass sie weg ist. Aber das ist ihre Sache, da mische ich mich nicht ein.

Er wird wütend sein, aber nicht auf Sina, eher auf das Schicksal. Er wird traurig sein und sie brauchen. Sie sollte es ihm sagen.
Früher konnte ich die Gefühle zwischen Gefährten nicht nachvollziehen, aber jetzt schon. Ich möchte Pia am liebsten jetzt zu mir holen. Und ich möchte, dass sie mir vertraut. Irgendetwas belastet sie und sie verrät es mir nicht.
Meine wölfische Seite dreht fast durch und ich muss mich sichtlich zusammenreißen, um jetzt nicht knurrend aus dem Haus zu rennen.

"Du enttäuscht ihn nicht. Rede mit ihm, er ist dein Mate!"
Sie denkt einen Augenblick nach, dann sieht sie mich an.
"Aber ich brauche Zeit für mich. Ich weiß auch nicht..."
"Es ist ganz alleine deine Entscheidung. Wenn du möchtest kannst du hier bleiben. Aber du musst ihm sagen, dass du hier bist. Freiwillig. Ich dulde keinen Rudelkampf.", zeige ich ihr die Optionen auf.
"Okay, dann würde ich gerne noch ein bisschen bleiben."
Ich nicke ihr noch schnell zu und eile dann aus dem Zimmer. Immer noch ist eine Unruhe in meinem Zimmer.

Pia's P.o.V

Es ist jetzt bereits eine Woche vergangen. Ich habe mich langsam eingelebt, nicht das mir das Heim gefällt, aber ich habe mich dran gewöhnt.
Das schmerzhafteste ist wohl die Beerdigung gewesen. Um die hundert Leute kamen, haben mir alle die Hand geschüttelt.
Die Erde wurde aufs Grab geschaufelt.
Diese Erinnerungen haben sich in mir eingebrannt. Es war so endgültig.
Immer wieder überrollt die Einsamkeit mich am Tag und in der Nacht .

Aber ich komme wieder auf die Beine. Nicht durch mich.
Durch ihn. Lian.
Er heitert mich auf, lenkt mich ab und zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht.
Okay, er ist nicht der einzige.
Blondie, er heißt eigentlich Ben, mit seinen grässlichen Anmachsprüchen hat mich auch paar mal zum Grinsen gebracht.
Ich mag ihn nicht, aber irgendwie heitert seine Dummheit mich auf. Klingt fies, ist aber so.
Da habe ich ja doch nicht alles verloren.
Neulich sagte er, als ich quietschend im Regen nach Hause lief: "Du bist aus Zucker?  Richtig süß!"
Ich schwöre, ich hätte mir fast die Hand an den Kopf geschlagen.

An Lian denke ich jedoch oft.
Ich vermisse ihn. Ja, ich vermisse ihn, kenne ihn aber nicht mal! Was ist los mit mir?
Bisher war er immer liebevoll und höflich. Außer bei einem Thema. Fast täglich fragt er mich, wo ich wohne.
Aber ich traue mich nicht es ihm zu sagen. Ich kenne ihn nicht. Das ist meine Mantra. Aber damit habe ich doch Recht, oder?
Wieso will er es so dringend wissen, was hat er vor?

Ich schiebe die Gedanken zur Seite und beuge mich über meine Tasche. Ich habe absolut keine Lust auf Schule.
Neue Leute. Neue Lehrer. Neues Leben.
Ich möchte noch nicht neu anfangen, aber ich muss.
Ich packe die letzten Zettel ein und schaue auf die Uhr an der pissgelben Wand.
Noch 3 Minuten.
Ich seufze, setzt mich nochmal hin und überdeke meine Augenringe mit ein bisschen Consealer.
Dann muss ich los.
Ich gehe auf die Bushaltestelle gleich neben den Heim zu und stelle mich neben die Werbung, die hier absolut nichts nützt.

Einige stehen schon da und starren mich an, aber ansonsten passiert nichts. Jeder bleibt unter sich, es wird kein einziges Wort gesprochen.
Nach einer Minute Stille spreche ich Lian in Gedanken an.
Hey, Guten Morgen!
Es bleibt eine Weile still und ich habe schon das Gefühl keine Antwort zu bekommen, als er grummelt:
Guten Morgen ist gut! Du hast mich aufgeweckt.
Tja, ich muss schließlich auch aufstehen. Das nennt man ausgleichende Gerechtigkeit.
Mir war langweilig, außerdem würde ich auch gerne länger schlafen. Aber es ist eben Schule, also für mich.
Er braucht noch einen Moment um zu antworten, wahrscheinlich liegt es an der Müdigkeit.
Sag mir wo du bist und ich hol dich raus.
Ich denke wirklich über sein Angebot nach, aber nein.
Wenn er mich hier raus holt, wo holt er mich dann rein? Außerdem weiß er immer noch nicht, dass ich ein Heimkind bin. Sein muss. Das verändert seine Denkweise bestimmt. Und ich kenne ihn nicht. Genug Gründe es nicht zu tun.
Nein, aber ich habe da eine bessere Idee. Wie wäre es, wenn du mir so in einer Abfrage hilfst. Ich meine, zu irgendwas muss diese Telepathie doch nutzen.

Damit habe ich doch Recht, oder? Wer würde sich diese Chance verstreichen lassen? Keine Formeln mehr auswendig lernen, die man eh nicht braucht. Ein Traum.

Just my LunaWhere stories live. Discover now