Atmen

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634 n. Chr. (->heute „Santa Lucia")

„Diese Hölle durch die ich gehe, es ist deine, richtig?" Sie war weit, weit entfernt, dennoch wusste ich genau, dass sie diese Worte voller Zorn hervor spuckte.
Ihre Worte hallten förmlich an den ockerfarbenen Steinen wieder.
Und ich wusste es nicht etwa, weil ich es an ihre Lippen las. Ich wusste es ganz einfach.
Und so lauschte ich diesen Worten, dessen Klang über das goldene Wasser zu mir herüber wehte. Und ich wusste, dass ich, wenn meine Augen nur schließen würde, dann in eine ferne Welt gleiten könne. Die Klänge würden meinen Körper mit sich nehmen.
In diese weite Welt, ganz anders als das Hier und Jetzt. Ich war bereit dazu, bereit alles aufzugeben, alles hinter mir zu lassen und es in einer Schleife aus unendlichen Träumen zu versenken. Und mich mit ihnen. Versenken in diesem tiefen Blau. Versinken in der finstersten Endlosigkeit meines Daseins.
Ich hatte mich bereits dazu entschieden und ich wollte auch nicht wieder kommen, gar meine Wahl bedenken.
Sollten sie mich hassen. In diesem Moment spürten sie wohl, dass es bereits zu spät war.
Ja... das war es tatsächlich.
Ich würde diese Hand ergreifen.
Meine Füße lösten sich aus dem ockerfarbenen  Sand, der mich eingehüllt hatte und ich blickte noch ein letztes Mal zu der jungen Frau, die durch den Sand rannte. Meine Haut brannte von der Sonne und mein Mund war trocken als ich ihren Namen das letze Mal rief:„Francesca!"
Ihre braunen Locken wehten im Wind.
Das flatternde Kleid glich einer Wolke.
„Vergiss mich nicht!" Rufe ich und sehe sie mit einem breiten Lächeln an.
„Fiore, nein!" Ihre Stimme ist hell.
Dann laufe ich durch den Sand. Meine Füß sinken bei jedem Schritt in die heißen Körner, die durch meine Zehen rinnen.
Die makellose Gestalt liegt im Wasser. Auf ihre rechte Hand gestützt. Die linke ausgestreckt. Meine Hand erwartend.
Francesca ist zu weit weg... sie wird die Frau für Meereschaum halten. Sie wird mich nur sehen, wie ich von der Strömung weggetragen werde.
„Komm," säuselt die Stimme. Rau wie die tonenden Wellen und klar wie die Bergseen Italiens. Warm wie die Sonne und eiskalt wie Gletschereis.
Und ich würde mit ihr gehen. Ich werde mit ihr in die Tiefen gehen. Mit ihr werde ich frei sein. Frei und atmen können, ohne Schmerzen zu spüren.

Die Sirenen des tyrrhenischen MeeresOnde histórias criam vida. Descubra agora