Der Winterball - Teil 7

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Kapitel 7


Callahan
Er hasste es von anderen Frauen angefasst zu werden. Es mochte zwar so sein, dass Logan Sin als erster als Frau wahrgenommen hatte, aber Callahan war sich sicher, dass er als Erstes in sie verliebt gewesen war. Sin hatte ihren eigenen Zauber an sich, der ihn von Beginn an in seinen Bann geschlagen hatte und der Gedanke länger als notwendig von ihr entfernt zu sein machte ihn übellaunig. Dabei war weder schlechte Laune noch Unhöflichkeit seine Art. Aber jetzt, genau in diesen Augenblick als er die Ming-Schwestern nicht loswurde, egal wie sehr er ihnen auch klarmachte, dass es für ihn nur Sin gab, wurde er nicht nur ungehalten, sondern regelrecht wütend.„Geht mir endlich aus dem Weg, wie oft soll ich euch noch sagen, dass ich kein Interesse an euch habe?", fragte Callahan so hart, dass sie beide verwirrt mit ihren langen dunklen Wimpern klimperten und ihn ansahen, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen.„Das war jetzt aber nicht nett!", sagte eine von ihnen. Callahan bemühte sich nicht einmal sich den Namen ins Gedächtnis zu rufen, das einzige woran er dachte, war Sin, die irgendwo in diesem Saal war und er nichts weiter wollte, als sein Gesicht an ihrem Hals zu vergraben und ihren einmaligen Geruch in sich aufzunehmen bevor er seiner Begierde nachgab und sie irgendwo, in einer abgeschiedenen Ecke, lieben würde wie es keiner seiner Brüder vermochte. Sin würde niemals einen von ihnen vorziehen, aber während Hawke der Kontrollfreak es nie im Bett zulassen würde und Logan jeden Sex eine gewisse sadistische Ader verlieh, war es Callahan der Sins Leidenschaft nach Sinnlichkeit erfüllte. Er war geduldig, liebevoll und egal was passierte: Sin war der Mittelpunkt seiner Welt.„Mir egal, es reicht. Geht zur Seite, ich muss zu meiner Partnerin", grummelte er und schob die beiden Frauen grob aus dem Weg. Er sah, wie Sins Kleidersaum die Treppe herauf flog und Logan ebenfalls diesen Weg einschlug. Er ahnte was das bedeutete und als er einen kurzen Blick auf seinen Kommunikator warf, hatte er tatsächlich eine Nachricht von Hawke. >>Sin gefallen die Lovwell-Zwillinge ein bisschen zu sehr. Im alten Büro.<< stand dort und obwohl alles in ihm danach schrie dem Spiel seiner Brüder Gesellschaft zu leisten, wusste er doch, dass sein Auftritt noch würde warten müssen.Hawke war selten in Spiellaune und so sehr es Callahan zu Sin zog, er gönnte seinem ältesten Bruder diesen Moment den nur Sin ihm geben konnte. Und diese würde ganz sicher auch auf ihre Kosten kommen. Also hielt er am Treppenaufsatz inne und sah zurück auf die Gäste, die in Feierlaune waren. Die geschäftlichen Gespräche waren vorbei und die Gesellschaft ergab sich dem Vergnügungen, die der Abend bot. Nicht zuletzt den körperlichen wie er bemerkte, als sein Blick Kieran Lovwell streifte, der seine frisch gebackene Partnerin an der Hand in Richtung der Toiletten zog. Er lächelte in sich hinein bis sein Blick an jemanden hängen blieb mit dessen Erscheinen er nicht gerechnet hatte; Declan Langdon.Sin hatte ihn eingeladen, aber Callahan hätte nie damit gerechnet das er tatsächlich kommen würde. Er war zu lange zu weit weg gewesen. Er hatte Dinge an den Grenzen der Weltregierung gesehen, die aus ihm einen Mann gemacht hatten, der so hart wirkte wie ein verdammter Stein. Nicht wie Hawke, dessen Kälte die notwendige harte Schale ist, die die Familie gegen die Außenwelt beschützte und auch keine anscheinende Härte die aus der Unfähigkeit geboren worden war wie bei Kieran.Nein, Declan war im Krieg hart geworden und obwohl ihn die Welt als Held feierte und er sich das Recht verdient hatte, eine Frau zu nehmen, war er unglücklich. Das sah man ihm an, auch wenn man dazu hinter diese Härte blicken musste. Callahan ging auf ihn zu und sein ehemaliger Freund, der es kaum vermochte ein feierlicheres Gesicht aufzulegen. Kein Wunder, er war an die Front gegangen, um Frauen zu retten und um sich gleichzeitig das Recht zu verdienen, in die Datenbank der Optimierung aufgenommen zu werden. Nun war er zurück, hatte seine Pflicht getan und musste feststellen, dass es keine Optimierung mehr gab. Er war betrogen worden. Doch Callahan würde nicht zulassen das er noch härter wurde. Weder er noch andere würden sich je wieder diesem manipulative Spiel ausgesetzt werden.„Declan", rief Callahan und der Mann, den er einst kannte, drehte sich zu ihm herum und schaffte es nicht einmal zu lächeln.„Callahan Nolan. Ich wollte deiner Schwester für die Einladung danken", sagte er steif und genau so wie man es von einem Soldaten erwarten würde.„Sie ist ... beschäftigt. Ich würde dich gerne morgen zum Essen einladen und ..."„Ney. Ich habe morgen ein Detailgespräch zu einer Tutoren-Stelle an der Universität. Deswegen werde ich nicht lange bleiben können." Unterbrach er Callahan schroff aber er nahm es ihm nicht übel. Er war fast acht Jahre in einem Teil dieser Welt gewesen, wo es nicht wirklich eine Rolle spielte wie man sich benahm. Obwohl man das von ihm wohl nie erwartet hätte. Er stammte aus den Highlands, ein Schotte durch und durch. Etwas zu Grob für die Frauen auf diesem Kontinent und vielleicht auch im allgemein zu viel von allem. Ähnlich wie Hawke hatte Declan das Problem auf die Frauen eher unheimlich zu wirken, mit diesem steifen Gesichtsausdruck den rauen Zügen und den kalt wirkenden blauen Augen. Doch während Hawke das zu einem gewissen Grad durch seine Vorliebe für Anzüge und seinem Geschäftssinn in eine zivilisierte Bahn lenken konnte, sah Declan selbst in seiner Armee-Uniform immer noch wild aus. Auf sowas musste eine Frau wirklich stehen und seine wenig charmante Art machte es sicherlich nicht besser. Ein Mann wie er hatte nur die Chance eine Frau zu bekommen, wenn er sich optimieren ließ.„Dann bist du nur hier um dich für die Einladung zu bedanken?", fragte Callahan. So viel Höflichkeit würde er einem Mann wie Declan Langdon nicht einmal zutrauen, wenn er nicht im Krieg gewesen wäre. Doch er schüttelte den Kopf.„Die Optimierung gibt es nicht mehr", bemerkte er etwas steif und konnte die Frustration deutlich aus seinen Worten erkennen. „Aus gutem Grund", meinte Callahan scharf, denn er würde es nicht dulden, dass irgendjemand dieses manipulierten Systems verteidigte, dass ihn fast seine Schwester und Partnerin genommen hatte. Egal, wie gut er den Mann, der es tat, einmal gekannt hatte. Doch Declan nickte nur steif und wie ein Soldat der einen Befehl entgegennahm.„Aye. Es gibt ein anderes System, ein besseres", begann Declan kryptisch und dann wusste Callahan woher der Wind wehte. Es war nicht das erste Mal, dass Bekannte auf die Nolans oder andere beteiligte Familien zukamen und baten jetzt bereits in die Datenbank aufgenommen zu werden. Das war gut, es zeugte davon, wie sehr dem neuen System trotz aller Kritik vertraut wurde und dennoch war es schwer diese Menschen, die nur Glücklich sein wollten, vertrösten zu müssen. Besonders die Männer, denn momentan musste die KI erst einmal lernen wie eine gute Beziehung aussah und wie sie nicht aussah, damit sie Zusammenhänge erkennen und dann gezielt danach suchen konnte um ein Match zu prognostizieren. Und dann war da immer noch die Gesetzgebung. Die etwas hinterherhinkte.„Das dauert noch Declan, wir sind erst am Anfang, zudem wird diese Art der Optimierung nicht so schnell gehen wie die alte. Aber als gedienter Soldat wirst du sicher als einer der ersten in die Datenbank aufgenommen werden", versuchte Callahan es so zu verpacken, dass es diesem Mann, der sein Leben in den entlegenem Teil dieser Welt geopfert hatte, um Frauen zu retten und die patriarchalischen Systeme außerhalb der Einflussgrenzen zu vernichten, es so gut wie möglich verkraftete. Das hatte er nicht verdient„Wie lange?", fragte er und Callahan konnte ihm auch darauf keine zufriedenstellende Antwort gegeben.„Fünf Jahre. Mindestens", sagte er und ein bissiger Fluch in einer unwirschen Sprache, die wohl auf das alte gälisch der Highlands zurückging, verließ Declan.„Ich bin zweiunddreißig, ich kann so lange nicht warten. Gibt es eine andere Möglichkeit?, fragte er, doch Callahan schüttelte den Kopf.„Du bist ein Kriegsheld, Declan und wenn du an der Universität bist werden dort sicherlich genügend junge Frauen sein, die das zu schätzen wissen werden."„Feine Damen aus guten Familien? Sehe ich so aus, als könnte ich mit süßem Geschwafel bei einer Frau punkten?", fragte er zynisch, hatte aber recht. Nein, in einer Welt wo Frauen das sagen hatten waren Männer wie er: grobschlächtig, dominant und alles andere als nett, wohl kaum gefragt. Dazu musste man sagen, dass seine Züge im Krieg schärfer geworden waren, zu scharf um als schön zu gelten und seine Augen waren die eines Mannes, der schon viel Leid und Elend ertragen hatte. Dieser Mann hatte seine Menschlichkeit irgendwo in der afrikanischen Wüste verloren, wo Frauen versklavt und wie Vieh behandelt worden. Einen Umstand den er und eine ganze Menge anderer Männer bekämpften um diesen Treiben gewaltsam ein Ende zu machten. Und zwar mit Erfolg. Die Weltregierung eroberte immer mehr Gebiete und gliederte sie zwangsweise ein, das mag barbarisch wirken, aber Frauen waren zu wertvoll, um zuzulassen, dass sie irgendwo auf der Welt so behandelt worden. Die einheimischen Männer mussten sich diesem System anpassen, wenn nötig mit Gewalt. Das Überleben der Menschheit hing davon ab.„Tut mir leid Declan", meinte Callahan ehrlich, „Besuch uns doch im neuen Jahr, vielleicht fällt uns bis dahin etwas ein", sagte er und obwohl er die Enttäuschung deutlich in Declans Augen sah, zuckte dieser nicht einmal mit der Wimper. Er war ein Soldat, war Enttäuschung gewohnt und leider auch den Umstand nie das zu bekommen was er wollte. Er beugte den Kopf und nickte zu der Einladung bevor er sich von Callahan entfernte und wieder in der Menge verschwand, die sein Opfer zwar schätzte, aber ihn niemals fair behandeln würde.

Beta: Geany

Woman's World Spezial - KurzgeschichtensammlungWhere stories live. Discover now