Kapitel 9 - Vergangenheit

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Sohvis Blick nach zu urteilen wäre ihr wohl jede Antwort recht gewesen außer der, die sie gerade eben von mir erhalten hatte.
Ich schien sie damit sogar wütend gemacht zu haben und kam mir ein wenig wie im falschen Film vor.
Sie ließ energisch ihre vollgestopfte Tasche zu Boden fallen und verschränkte die Arme vor ihrer Brust.
"Was glaubst du will ich von dir?"
"Keine Ahnung. Aber ich will jetzt deine Schlüssel.", blieb ich überraschend ruhig.
Und es war die Wahrheit - ich konnte mir beim besten Willen nicht denken, was sie noch groß wollte.
Schnell hatte sie besagten Schlüssel hervor gekramt und ließ ihn mit einem weiteren Seufzen in meine aufgehaltene Hand fallen.
"Hier. Darf ich es dir jetzt erklären?"

Wie bitte? Erklären? Glaubte sie etwa, ich würde ihr Verhalten dann verstehen? Was sollte es denn bringen, wenn sie mir jetzt offenbarte weshalb ich daran schuld war?
Genau darauf, lief es doch mit Sicherheit hinaus. Als ich nicht auf ihre Frage antwortete, ließ sie sich ungefragt auf einem der Stühle nieder und musterte mich einen kurzen Moment lang.
Das gleiche tat ich ebenfalls und hatte plötzlich das Gefühl, doch ein paar Antworten von ihr zu bekommen.
"Wie lange ging das schon?", fragte ich sie schließlich, auch wenn ich mir nicht sicher war ob ich es tatsächlich wissen wollte.
Ein schuldbewusster Blick traf mich daraufhin und verunsicherte mich nur noch mehr. Unsicher.. Blödsinn.
Ich war hier nicht derjenige, der den anderen betrogen hatte also konnte ich ja wohl auch Antworten von ihr verlangen!
"Drei Monate.. Ungefähr."
Es begann schon während ich noch unterwegs war.
Und ich Idiot hatte mich die ganze Zeit über auf Zuhause und meine Freundin gefreut. Mehr als ein Nicken brachte ich nicht zustande.
"Warum?", stellte ich nun auch noch die letzte, wichtigste Frage und sah sie zögern.
"Du wolltest es erklären. Also tu das."

Ich musste es einfach wissen, denn sonst würde ich mich wohl ewig nach den Hintergründen fragen. Und danach, weshalb um Himmels Willen sie nicht mit mir gesprochen hatte anstatt so zu handeln.
Zugehört hätte ich ihr doch auf jeden Fall, so wie ich es immer tat und vielleicht wäre dann alles etwas anders gekommen.
"Du.. Naja.. Du kannst ja nun nicht behaupten, dass es in letzter Zeit besonders gut lief zwischen uns."
Okay, soweit musste ich Sohvi recht geben, das konnte man schließlich nicht leugnen.
"Stimmt. Aber das ist keine Begründung!"
"Und dann warst du auf Tour und.. Meine Güte, ich war eben einsam! Was hätte ich denn machen sollen? Außerdem.. War mir doch klar, dass sich so schnell nichts ändern wird."
Fragte sie mich gerade tatsächlich nach einer Alternative zu Betrug?
Und warf mir gleichzeitig meinen Job vor, machte ihn zum Hauptanlass?
"Was du hättest tun sollen? Mit mir reden, verdammt!"
"Hab ich doch versucht! Wie oft wollte ich dich denn zu professioneller Hilfe schicken?"
Ich glaubte langsam nicht mehr, was ich gerade hörte.
Sie konnte doch nicht wirklich denken, dass ich darauf hinaus wollte.
Dieses Gespräch ging gerade in eine absolut falsche Richtung, weg von ihrem Fehlverhalten und hin zu meinen Problemen, die sie jetzt zum Anlass für alles was zwischen uns schief gelaufen war machen wollte.
"Das meine ich nicht. Und das weißt du auch.“
"Aber daran liegt es doch! Wenn du dich nicht ändern möchtest, was soll ich dann tun?“
So viele Worte und Antworten kreisten in meinem Kopf herum, doch brachte ich in diesem Moment nichts davon über die Lippen. Sah sie einfach nur an und wehrte mich mit aller Kraft die ich innerlich noch irgendwie aufbringen konnte gegen diese verfluchten Tränen, welche sich schon wieder ihren Weg über meine Wangen bahnen wollten.
Diese Erkenntnis, dass meine Freundin anstatt zu versuchen mir wirklich zu helfen, mich zu unterstützen und einfach nur für mich da zu sein wenn ich es brauchte, keinen anderen Weg sah als mich verändern zu wollen traf mich mitten in's Herz.
Doch was hatte ich mir auch anderes von diesem Gespräch erwartet?
Ich wusste, dass es nicht besonders rosig enden würde.. Aber dass es derart ernüchternd sein könnte..
Kopfschüttelnd löste ich meinen Blick wieder von Sohvi, die wohl wirklich nicht verstand wie wenig mir eigentlich schon ausgereicht hätte.
Oder sie wusste es sehr wohl und war schlichtweg nicht bereit es zu tun. 
Wie oft ich meine traurigen Gedanken heruntergeschluckt hatte sobald sie durch die Türe gekommen war, weil mir klar war sie wollte nicht darüber sprechen.
Sie wollte nie hören wie es mir auf einer Tour ergangen war, wie die Proben oder Aufnahmen gelaufen waren.. Oder ob mich gerade etwas bedrückte.
Alles Dinge, über die man doch eigentlich mit dem Partner sprechen können sollte.
Wieso war mir nicht schon viel früher aufgefallen, dass das Zusammenleben mit ihr nicht mehr sehr viel mit einer funktionierenden Beziehung gemeinsam hatte?
Ich schluckte schwer, als ich einfach keinen Sinn mehr darin sah, auf ihre Frage einzugehen.
Zu verschieden waren ganz offensichtlich unsere Meinungen darüber und wenn ich ehrlich war, wollte ich auch gar nicht mehr weiter darüber sprechen.
Sie wollte mich lieber zu einer völlig fremden Person schicken anstatt mir zuzuhören, und mich anscheinend nach ein paar Stunden wieder als neuen Menschen zurück zu nehmen.
Und anstelle eines Gespräches holte sie sich während meiner Abwesenheit lieber irgendeinen anderen Mann in unsere gemeinsame Wohnung, die nun wieder nur meine war.
Auf eine solche Beziehung konnte wohl jeder verzichten.
„Wäre es so schrecklich gewesen, normal mit mir zu sprechen anstatt sowas abzuziehen?“
„Hab ich doch versucht! Aber du hast nicht zugelassen, dass ich gehe.“, kam sofort von ihr, als hätte sie nur darauf gewartet, dass ich diese Frage stellte.
Die Szenen von vor ein paar Wochen spielten sich augenblicklich wieder in meinem Kopf ab. Als ich sie überreden konnte noch bei mir zu bleiben, in der festen Überzeugung ohne sie noch mehr den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Und dass wir es doch noch gemeinsam schaffen könnten, irgendwie.
„Wenn ich gewusst hätte, dass du dich da schon durch die Gegend gevögelt hast, hätte ich mich nicht so aufgeführt.“, gab ich so trocken es mir möglich war zurück und es entsprach auch der Wahrheit.
Natürlich hätte es mir auch damals das letzte Stück Sicherheit genommen, doch mir wäre wenigstens der Anblick erspart geblieben, sowie die Ungewissheit, wie lange das schon ging.
Die ganze Zeit, in der ich noch dachte wir würden diese Zeit auch überstehen, wusste Sohvi bereits das Gegenteil und ließ mich aber in dem Glauben. Warum auch immer.
Aus leicht zusammen gekniffenen Augen blickte sie mich nun an und ihre Stimme wurde auf einmal lauter.
„Klar. Was lief da eigentlich mit dir und deiner komischen Psycho-Tante? Wenn wir schon bei dem Thema sind!“ 
Psycho-Tante.
Wie ich diese Bezeichnung hasste, und dessen war sie sich sehr wohl bewusst.
„Ist das dein Ernst?“, fragte ich ruhig, obwohl ich innerlich bereits kochte.
„Natürlich! Und erzähl' mir nicht, dass da nichts war! Du bist genauso wenig unschuldig wie ich, mein Freund! Wir wissen beide, wie schwer es ist dir zu widerstehen, also sag nicht dieses Weib hätte es geschafft.“
Wow.. Das war ja nun wirklich die Art Vertrauen die man sich erwarten konnte. Eigentlich war es absolut lächerlich, was sie mir hier gerade vorwarf, dennoch schnellte mein Puls dadurch sofort noch höher.
„Nun hör aber auf, ja!? Das kannst du doch nicht wirklich denken!“, wurde nun auch ich endlich lauter und musste zugeben, dass es etwas befreiendes an sich hatte.
Seit der Trennung vor einigen Tagen war ich nie laut geworden, doch jetzt musste es einfach sein.
„Nur weil du keine andere Lösung gefunden hast, heißt das nicht, dass es bei mir auch so war! Falls es dich interessiert, mir wäre sowas nicht im Traum eingefallen!“
„Ist klar. Hier sind keine Reporter, du kannst ruhig mal ehrlich sein.“
Tatsächlich nahm ich daraufhin ein genervtes Augenrollen von ihr wahr, währen sie schnell nach ihrer Tasche griff.
„Was? ICH war immer ehrlich, verdammt! Was stimmt denn nicht mit dir?“
Langsam aber sicher beschlich mich der Gedanke, dass von uns beiden wohl eher Sohvi diejenige war, die psychologische Hilfe nötig hätte.
„Mh-hm. Genau.“
Kopfschüttelnd sah ich ihr dabei zu, wie sie in Richtung Türe ging um nun hoffentlich auch endgültig zu verschwinden, mich in Ruhe zu lassen.
„Verdammte Scheiße!“, rief ich plötzlich aus, überrascht über meine Lautstärke und gleichzeitig auch zufrieden, diese beiden Worte nicht bloß gedacht zu haben.
Erschrocken drehte sie sich, mit der Hand bereits an der Türschnalle zu mir um, als ich mich ihr ein wenig näherte.
Aber nicht zu nahe, ich wollte ihre Augen nicht mehr zu genau sehen – schließlich waren diese voller Erinnerungen von denen ich nichts mehr sehen wollte.
„Hör zu. Ich habe keine Ahnung warum du der Meinung bist ich hätte das alles verdient. Ob ich dir überhaupt irgendwann mal etwas bedeutet habe, oder du mich geliebt hast. Aber vermutlich nicht. Warum solltest du dir sonst wenn es mal nicht so rund läuft gleich einen neuen suchen. Ich kapiere auch nicht, was genau du jetzt unbedingt mit mir besprechen wolltest.. Wenn es nur diese beschissenen Vorwürfe waren, die du dir sonstwo her gezogen hast.. Dann behalte es einfach für dich. Behalte alles für dich. Und ich hoffe du hast alle deine Sachen. Hier kommst du nämlich nicht mehr rein. Jetzt verschwinde.“
Mit einem tiefen Seufzen beendete ich meine Ansage, in der Hoffnung sie würde auch genau das tun.
Vielleicht hoffte ich auch darauf, dass sie mir bestätigte, wenigstens mal mehr für mich empfunden zu haben.
Doch nicht einmal das konnte sie.
Unfassbar.
Wie konnte ich nur so unglaublich blind und dumm sein?
„Leb' wohl.“, hörte ich sie noch entfernt sagen, bekam noch einen betroffenen Blick von ihr, bevor sie aus meiner Wohnung und hoffentlich auch endgültig aus meinem Leben trat.
Mich mal wieder ziemlich erschöpft zurück ließ. 

In this Heartbreak CenturyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt