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,,Ihr Mistviecher!"schrie sie durch das ganze Haus und man hörte die Wut in ihrer Stimme nur zu gut.
,,Na los, versteckt euch Kinder. Ich mache das."hörte ich die liebevolle Stimme unserer Tante hinter uns.
,,Komm Tom, wir gehen raus."flüsterte ich meinem Bruder ins Ohr und rannte mit ihm auf die Londoner Straßen.

Erst gegen Abend, als viele Stunden vergangen waren, gingen wir zurück.
Und dort wartete eine wütende Heimleiterin auf uns. ,,Wo ist Tante Eva?"fragte ich sofort misstrauisch. Sonst war sie immer diejenige die uns nach so einer Aktion am Liebsten aussperren würde. Und nun wartete sie hier auf uns um uns herrein zu bitten? Wo war unsere Tante?
,,Herzlichen Glückwunsch, ihr habt es geschafft ein weiteres Leben zu ruinieren. Wärt ihr nicht so abwertend würde ich euch vielleicht sogar mögen. Aber wie auch immer, ab heute spielt ihr nach meinen Regeln. Eva habe ich rausgeworfen."verkündigte sie freudestrahlend. ,,Sie lügen. Eva ist unsere Tante, wir wissen genau sie hätte uns mitgenommen."mischte sich mein Bruder ein und nahm meine Hand. ,,Nein, jetzt werdet ihr mit reinkommen und ich treibe euch erstmal diese Flausen aus dem Kopf. Hopp Hopp ihr Horrorzwillinge." fuhr sie uns an und trotz des Hasses den wir für sie pflegten gingen wir ihr ohne Wiederspruch nach. So hatte uns unsere geliebte Tante erzogen.

,,Also nehmt Platz und von mir aus teilt euch einen Keks und ein Glas Wasser. Schließlich kann ich mir vorstellen, wie schwer das jetzt für zwei dumme und naive kleine Kinder ist, aber es wird Zeit."begann sie und drückte uns Wasser und einen Keks in die kleine Hand. Dann setzte sie den kältesten Blick auf denn ich je gesehen habe. ,,Eva ist nicht eure Tante, nur eine Lügnerin. Eure Mutter ist tot und der Rest eurer Familie will euch nicht. Warum auch immer hat Eva, diese dumme Hausfrau, gedacht ihr könntet in ihrem Leben den Platz der Kinder einnehmen, die sie immer wollte und deswegen hattet ihr einen zugegebenen Luxus. Aber nun ist diese Zeit endlich vorbei und ihr müsst aus eurer Traumwelt herauskommen. Geht hoch und packt eure Sachen. Ihr wohnt nicht mehr in diesem Raum. Der ist viel zu groß und es ist gegen die Regel, dass Junge und Mädchen in einem Zimmer sind. Ihr seid schließlich 7 Jahre und wer weiß wann bei euch die junge Leidenschaft ausbricht. Inzucht ist ja nichts Seltenes in unserer Gesellschaft und es ist ungesund so oft wie ihr Zeit verbringt. Ihr seid Geschwister, keine Seelenverwandten. Der Teufel höchstpersönlich könnte mich nicht davon abhalten euch endlich normal zu erziehen. Ohne diese Märchen die man euch aufgetischt hat. Es gibt in unserer Gesellschaft weder Liebe noch kann man mit den Fingern schnippsen und das bekommen was man will." erklärte sie weiter. Ich hörte ihr längst nicht mehr zu, da ich es nicht glauben konnte und wollte. Und Tom schien wütend zu sein, da er meine Hand fast zerdrückte.
,,Wir gehen nach oben, packen und gehen in unsere Zimmer."sagte ich und nachdem sie uns mit einem Nicken verabschiedete gingen wir hoch.

,,Willst du einfach so tun was sie sagt?"fragte Tom nachdem er die Tür hinter uns geschlossen hatte. ,,Natürlich nicht. Wir hauen ab und suchen unsere Tante. Und dann sind wir eine Familie ohne Menschen die neidisch auf unser Glück sind."meinte ich und stopfte ein paar Sachen in einen alten Korb. ,,Nimm unseren Essensvorrat mit, wer weiß wo wir landen." riet mir Tom und schmiss mir einen kleinen Sack zu. Darin war etwas Brot und eine Flasche mit Wasser. Außerdem unsere Äpfel von Weihnachten, was nun schon ein paar Tage her war. Wir standen also kurz vor unserem 8. Geburtstag. Nachdem ich auch unsere Vorräte in dem Korb verstaut hatte zogen wir unsere Mäntel an und schlichen uns erneut auf die Straßen Londons.

Um diese Zeit war es anders. Der Berufsverkehr hatte sich längst verzogen und in den Straßen trieben sich hauptsächlich Betrunkene und Obdachlose rum und die Gassen wirkten in der schwachen Beleuchtung der Straßenlaternen viel kleiner.
,,Wo sollen wir suchen?" flüsterte Tom während er sich meine Hand schnappte und den Bettler vor uns abwertend musterte.
,,Oh was tut ihr kleinen Kinder hier draußen? Habt ihr kein Zuhause? Um diese Zeit ist es hier draußen sehr gefährlich." meinte der alte Mann mit verrauchter Stimme. ,,Wir suchen unsere Tante. Aber das geht sie nichts an."antwortete mein Bruder und zog mich weiter. ,,Wir hätten ihn nach Tante Eva fragen können." murmelte ich und drückte mich näher an ihn heran, da mir extrem kalt war. ,,Er hätte uns nicht die Wahrheit gesagt. Hast du nicht den Blick gesehen, wie er dich so gierig angesehen hat. Es sind nicht alle so nett und ehrlich wie unsere Tante. Wir haben Glück mit unserer Familie." erklärte er und sah mich an. Seine grünen Augen leuchteten durch das Licht der Straßenlaterne noch mehr als sonst.
,,Du hast recht, wir sind eine tolle Familie. Und sobald wir Eva gefunden haben leben wir unser Leben weiter. Auch wenn es nicht das Beste ist, ist es dennoch wundervoll. Schließlich haben wir uns und wir lieben uns alle." stimmte ich ihm zu und umarmte ihn fest.

,,Kinder?"drang eine bekannte Stimme aus der Dunkelheit.
,,Tante Eva?"meinten wir beide im Chor und drehten uns ruckartig um.
,,Tom, Hope! Gott sei dank, geht es euch gut. Was macht ihr hier?"fragte sie und schloss uns in ihre Arme.
,,Wir sind abgehauen um bei dir zu sein. Jetzt können wir zu dritt irgendwo wohnen." murmelte Tom und schmunzelte. ,,Ach meine Süßen, so leicht ist das nicht. Ich kann euch nichts bieten; garnichts. Seht, ich lebe auf der Straße ohne Heim und ohne Lebenssinn." erklärte sie uns und einzelne Tränen flossen ihre Wangen hinab. ,,Aber wir haben uns, reicht das nicht. Es war doch vorher nicht anders. Wir sind eine Familie und deswegen halten wir zusammen." flüsterte Tom in Gedanken verloren.
,,Er hat Recht, Tante. Wir schaffen das." stimmte ich meinem Zwilling zu.
,,Wir sind keine Familie. Ich...ich bin nicht eure Tante. Als eure Mutter ins Waisenhaus kam und ihr geboren wurdet habe ich euch sofort in mein Herz geschlossen und musste mich dann einfach um euch kümmern. Aber jetzt kann ich das nicht mehr mit gutem Gewissen machen.  Also geht zurück da habt ihr ein Dach über dem Kopf und genügend zu Essen und zu Trinken."meinte sie und sah uns mitleidig an. ,,Ich liebe euch von ganzen Herzen, meine kleinen Engel.  Und deswegen trennen sich jetzt unsere Wege. Für immer."hauchte Eva und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

,,Du bist eine miese Lügnerin ich will dich nie wieder sehen!"schrie Tom und neben ihm zersprang eine Vase des nahegelegenen Standes in tausend Teile. Er war wütend. So wütend hatte ich ihn noch nie erlebt.
,,Beruhig dich, Tom! Wir sollten gehen."versuchte ich meinen Zwilling zu beruhigen. Jedoch erreichte ich das komplette Gegenteil. ,,Nein! Ich will sie leiden sehen."knurrte er mich an und seine sonst so grün leuchtenden Augen nahmen einen roten Schimmer an. ,,Was sagst du da?"fragte Eva mit zittriger Stimme und einem geschocktem Gesichtsausdruck.
,,So habe ich euch nicht erzogen. Euer Vater hatte recht, ihr seid nicht zu bändigen. Lebwohl Hope und auch du Tom und gebt aufeinander acht. Ich mach lieber das ich hier weg komme."meinte sie noch, drehte sich um und verschwand.

,,Lass uns gehen. Sie hat recht, dort haben wir wenigstens ein Dach überm Kopf und Nahrung. Und nur weil wir nicht mehr in einem Zimmer sind heißt es nicht, dass wir weniger zusammen machen. Du und ich für immer, Tom."flüsterte ich und nahm ihn in den Arm. Der Ärmste war völlig durch den Wind.
,,Versprech es."murmelte er in meine braunen Locken. ,,Was?"fragte ich verwirrt. ,,Das es für immer ist. Das wir für immer sind. Alles was wir haben, dass das für immer so bleibt. Du und ich und zwar gegen den Rest der Welt."erklärte er entschlossen.
Das brachte mich zum Lächeln.
,,Also Für immer?"fragte er und sah mich mit großen Augen an.
,,Für immer."meinte ich und sah ihn lächelnd an.

Ich war selbst total verwirrt und verletzt von den Ereignissen, aber das zählte jetzt nicht. Jetzt war nur wichtig, dass ich für meinen Bruder da war. Er brauchte das mehr als ich.
,,Dann lass uns zurück gehen."sagte er entschlossen und nahm mich an der Hand um mit mir zurück zu gehen.

Neues Kapitel, Leute!
Ich hoffe ihr hattet viel Spaß beim lesen und es gefällt euch xd
Über ein kurzes Feedback würde ich mich sehr freuen.
Bis übernächsten Sonntag...

...Eure Laura 🐍💚

Only the beginning, SisterWhere stories live. Discover now