Kapitel 2

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Die Uhr tickte weiter. Niemand sagte was. Nicht mal der Psychotherapeut. Ich wusste, dass ich kein leichtes Kind war. Ich hab viel durchmachen müssen, mein Leben selbstständig auf zu bauen, auf Lügen, auf hässlichen Lügen um der Realität zu entkommen. Wie oft hab ich nur daran gedacht, einfach aufzuguben? Diese gottverlassene Welt zu verlassen, so wie einst mein Vater. Ob er noch lebt? Weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass er bei einer Monika ist. Aber es kann auch jemand anderes gewesen sein. Keine Ahnung. Ich spielte mit meinem dunklem Hoodie und starrte stumm die gegenüberliegende Wand an.
"Nun, wir können die Sitzung auch wann anders fortführen", sagte dann Mr. McKelly. Ich blickte ihn an und stöhnte innerlich genervt. Ich spürte wie mein rechtes Bein ungeduldig zitterte und lehnte mich nach vorne. Ich starrte ihm direkt in seine Augen, in seine tiefbraunen Augen, ich konnte seine Anspannung spüren, seine Angst vor mir. Es ist vllt sein Territorium, doch ich bin der Löwe, der sich jederzeit hungrig auf ihn stürzen könnte, ohne jegliche Rücksicht zu nehmen, ohne Mitleid und Gnade zu empfinden. Ich verschränkte meine Hände und stützte mich auf meinen Knien ab, ehe ich den Kopf schief legte und genauso schief grinste.

"Was hätten Sie denn an meiner Stelle gemacht, wenn Sie Ihre Mutter an der Decke hängen gesehen hätten? Wären Sie in Tränen ausgebrochen? Hätten Sie die Polizei gerufen? Wären Sie vielleicht... Einfach abgehauen?", sagte ich dann nur leicht säuselnd. Mr. McKelly schluckte offensichtlich und rückte seine Brille zu recht, das tat er immer wenn er verlegen oder gar nervös war.
"Ich hätte wahrscheinlich die Polizei gerufen und sie von der Decke genommen", sagte er dann mit einem zögerlichem Räuspern. Ich lachte nur laut auf. "Wissen Sie, an dem Tag an dem ich sie tot aufgefunden hatte, stellte sich mein gaaaaaanzes Leben auf den Kopf, mit einem Schlag, BOOOM!", ich schlug den rechten Handrücken in meine linke Hand, so dass McKelly zusammen zuckte.
"Wir sind hier um über dich zu reden und du weißt, dass ich die Fragen stelle, also lehn dich zurück und erzähl mir wie, wann und wo du deine Mutter gefunden hast"
Ich brummte nur und tat wie geheißen. Wieder schloss ich kurz die Augen um in mich zu gehen. Als ich die Augen wieder öffnete, schrieb mein Therapeut wieder was auf, ich wollte wissen was, es machte mich verrückt, nicht zu wissen was er notierte.
"Also erzähl", drängte er weiter.

"Ich war 10, als ich sie erhängt gefunden habe. Wir haben in einer kleinen Wohnung gewohnt, in einem ekelhaftem Ghetto, sie war ein illegaler Migrant und konnte auch deswegen nicht arbeiten. Meistens bin ich auf die Straße gegangen und hab um Geld gebetelt, aber es ist schon ziemlich lange her. Als ich am Abend zurückkehrte, mit paar Dollar in der Hand, bin ich ins Wohnzimmer. Ich hab davor nach ihr gerufen, aber sie war nicht da. Und dann hab ich sie gesehen, auf der Decke, ein Seil um ihren Hals, wie sie tot da hing und leblos hin und her schwankte. Aber es hat mich nicht beunruhigt, es war klar, dass sie sich umbringen wollte"
"Und du hast so lange mit der Leiche gelebt, bis nicht die Nachbarn sich über den Gestank beschwert haben?"
"Wenn Sie die Geschichte kennen, dann muss ich sie doch gar nicht weiter erzählen"
"Ich will dir bloß helfen, die Polizei ermittelt noch und du bist mehr oder weniger immernoch in Verdacht"
"Pfff...die Polizei denkt auch, dass ein Kind sowas schafft, seine eigene Mutter zu er hängen", zischte ich schon spöttisch. "Aber so sei es, ja, irgendwann ist die Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl gekommen und als sie mich sahen, haben sie mich sofort mit genommen. Sehen Sie... Nach einer Weile gewöhnt man sich an den Gestank des Todes. Aber er wäscht sich nicht mehr aus der Nase. Er ist da und wird immer bleiben und mich stört es ja nicht. So stinkt jeder Mensch, also natürlich", die Uhr schlug zu Punkt 12. Ich sah auf, die Sitzung war beendet.

Mr. McKelly richtete sich auf und klemmte das Brett zwischen seinem rechtem Arm und lächelte. "Wir sehen uns nächste Woche Salem, du weißt du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du was brauchst", er verließ dann den Raum ohne weiteres zu sagen. Ich sah auf und 2 Polizisten kamen in den Raum und legten mir die Handschellen an. Ich wehrte mich nicht. Holen Sie mich hier einfach aus diesem Drecksloch, damit ich Ihr geschwaffel nicht mehr anhören muss. Dachte ich mir dann nur und ließ mich in meine Zelle bringen. Einer der Wachen klopfte mir auf die Schulter und nahm mir die Handschellen ab. Jedes Mal das Gleiche. Ich setzte mich auf mein Bett und hörte wie die Zellentür sich schloss und verriegelt wurde. Da fühlt man sich einmal wie ein Mensch und plötzlich wird man wie ein Tier behandelt. Menschen sind seltsam.

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