S. S. Ourang Medan - Part 2/-

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Und so wurde er dazu verdammt, der Schiffsjunge zu werden. Jeden Tag leistete er schwerste Arbeit an Deck. Von Kapitänskajüte putzen bis dem Schiffskoch helfen, alles war dabei. Außerdem musste er alle möglichen Handlangerdienste leisten.

Seine Mutter wurde weitestgehend verschont, was ihm nur recht war. Die letzten Tage hatte sie viel geschlafen, dazu war sie, wie sie selbst sagte, Zuhause nicht häufig gekommen. Zu groß war die Angst vor ihrem Ehemann und Zuhälter gewesen.

Viele Dinge schienen auf dem Dampfer nicht mit rechten Dingen zuzugehen, aber das interessierte Ethan nicht wirklich. Dafür das sie blinde Passagiere waren, wurden sie äußerst gut behandelt, weshalb er Augen und Ohren vor den düsteren Flüstergesprächen die er hier und da mitbekam verschloss. Die meisten von ihnen unterhielten sich tatsächlich in seiner Muttersprache und nicht auf chinesisch, wie er eigentlich angenommen hatte.

Der zehnte harte Arbeitstag nahm endlich ein Ende. Mit schmerzenden Gliedern ließ Ethan sich auf die dünne Matratze fallen. Seine Mutter war nicht da, vermutlich war sie noch auf der Toilette. Ethan schloss die Augen und versuchte einzuschlafen. Nach ein paar Minuten Halbschlaf schreckte er hoch. Wo steckte sie denn nur? So langsam machte er sich doch Sorgen. Er hatte sie den ganzen Tag noch nicht gesehen. Entschlossen stand er auf und öffnete die knarrende Tür.

Der Flur war von einigen Öllampen an den Wänden in ein schummriges Licht getaucht. Leise schritt Ethan mit seinen nackten Füßen auf den Korridor, hier und da tropfte ein Wassertropfen von der Decke. Es war eisig kalt. Keine Menschenseele war zu sehen, sicher lagen die meisten schon in ihren Betten. Nichts war zu hören, außer das leise Knarzen des schwankenden Schiffes.

Ethan lief geradewegs zu den Toiletten und öffnete so leise wie möglich die Tür. 'Mama?', fragte er in einem halblauten Flüsterton, und seine Stimme hallte in die unheimliche Stille hinein. Keine Antwort. Sein Herz begann etwas schneller zu schlagen, wo zum Teufel steckte sie?

Entschlossen ließ er die Tür in die Angeln fallen und machte sich auf den Weg sie zu suchen. Als erstes ging er an Deck, vielleicht war sie ja auch einfach frische Luft schnappen gegangen.

Draußen bildete sein Atem kleine weiße Wölkchen, die sich sogleich verflüchtigten. Gespenstisch und ruhig lag die schwarze Meeresoberfläche vor ihm, auf der sich der Vollmond spiegelte. Sie schien bis ins Unendliche zu reichen, kein Land war in Sicht. Ethan fröstelte. Er konnte auch hier niemanden erkennen. Noch einmal rief er leise nach seiner Mutter, wieder erhielt er keine Antwort.

Er drehte sich um, seine Hände und Füße waren starr vor Kälte. Seine Hand bewegte sich auf den Türgriff der eisernen Tür zu um wieder ins Innere zu gelangen, da wurde sie aufgestoßen. Ein markerschütternder Schrei erfüllte die Luft und Ethan stolperte zurück. Der Kopf eines Mannes knallte mit einem hässlichen Krachen auf den Boden. Sein Körper krümmte sich, er sah aus als würde er die schlimmsten Schmerzen erleiden, die einem Menschen nur zugefügt werden konnten. Jeder Muskel seines Körpers schien bis zum Bersten gespannt und Ethan konnte die Ader auf seiner Stirn pulsieren sehen. 'Töte es! Bitte, hilf mir!', schrie er verzweifelt und packte Ethan mit eisernem Griff am Fußgelenk. Panisch taumelte er rückwärts, der Mann klammerte sich noch fester an ihn. Dann prustete er auf einmal, und ein Schwall Blut spritze auf die Schiffsdielen. Sein Griff lockerte sich, und er blieb bewegungslos mit dem Gesicht nach unten liegen.

Ethan rührte sich nicht. Tränen der Angst bildeten sich in seinen Augen und er konnte den leblosen Mann nur anstarren. Er war außerstande, etwas zu unternehmen. Jemand rüttelte heftig an seiner Schulter. 'Junge, was ist passiert?!', es war Jerry. Ethan stammelte. 'Ich.. weiß nicht..', Jerry fiel neben dem Mann auf die Knie und drehte ihn mit einem Ruck auf den Rücken. Sein Gesicht war entstellt. Seine Augen waren weit aufgerissen und der blanke Horror spiegelte sich darin. Einige Blutspritzer zogen sich über die aschfahle Haut. Es war einer der Mänenr vom Heizpersonal, wie Ethan jetzt feststellte.

Jerry betastete mit Zeige- und Mittelfinger den Hals des Mannes. 'Er ist tot', wisperte er heiser. Jetzt wandte er sich an Ethan. 'Junge, was machst du hier draußen? Und was ist passiert? Hat er irgendetwas zu dir gesagt?', Ethan, dem mittlerweile die Tränen über das bleiche Gesicht liefen, räusperte sich kurz um seine Stimme wiederzufinden. Als er dann sprach klang er nicht so mutig, wie er es sich erhofft hatte. 'Ich habe nur meine Mutter gesucht. Ich wollte wieder rein gehen, da kam er hier raus gestürzt. Hat gesagt ich soll es töten', 'Was sollst du töten?', 'Ich.. Ich weiß nicht, er war alleine. Ich wollte nur meine Mutter finden. Und er...', der Rest des Satzes blieb in seiner Kehle stecken. 'Ist schon okay Junge, geh wieder rein, sonst holst du dir auf deinen nackten Füßen noch den Tod'.

Es dauerte einige Sekunden, bis Ethan es schaffte auf seinen weichen und zittrigen Knien nach drinnen zu gehen. Er hörte noch wie Jerry den Männern im Krähennest etwas auf chinesisch zurrief, die fiel die Tür zu und er war wieder alleine in dem dunklen Gang.

Alles wirkte auf einmal viel unheimlicher. Was war nur mit dem Mann los gewesen? Wovor war er weggerannt? Und viel wichtiger, war dieses Etwas vielleicht noch hier unten? Er beeilte sich in seine Kajüte zu kommen. Jedes Geräusch was er hörte, ließ ihn aufschrecken und sich ängstlich umschauen.

Erleichtert stieß er die Tür zu seinem Zimmer auf, und da lag seine Mutter. Friedlich am schlafen. Er schüttelte sie sachte an den Schultern und ihre Augen öffneten sich langsam. 'Wo warst du? Ich hab dich gesucht!', seine Stimme hatte einen leicht vorwurfsvollen Ton. 'Oh Schatz, da bist du ja. Ich war in den Sanitärräumen. Ich sollte kurz aushelfen, mehrere Männer haben wohl Magenkrämpfe. Wir vermuten das der Koch was ins Essen gemischt hat, was nicht mehr ganz frisch war. Und da wir keinen ordentlichen Arzt hier haben sollte ich mir das anschauen. Aber.. Was ist denn los mit dir? Du bist so blass'.

Ethan berichtete ihr von dem, was ihm auf der Suche nach ihr passiert war. 'Oh Gott', flüsterte sie, als er geendet hatte. Dann zog sie ihn in eine feste Umarmung. 'Es tut mir leid. Das ist meine Schuld, dass du das mit ansehen musstest'. Ethan drückte sich fest an den Körper seiner Mutter. 'Ist schon okay', 'Nein, das ist es nicht. Es tut mir so, so leid. Weißt du, was mit ihm war? War er krank?', 'Ich weiß es nicht', 'Sicher werden wir es morgen erfahren. Bitte leg dich jetzt hin, alles wird gut. Du solltest jetzt schlafen'.

Erst jetzt bemerkte Ethan seine schweren Augenlider. Erschöpft und mit dem Kopf voller Gedanken ließ er sich auf das Bett fallen. Er spürte sein Fußgelenk immer noch pochen, da sank er auch schon ins Reich der Träume.



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⏰ Last updated: Jan 09, 2020 ⏰

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