Chapter 4

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Charly

Unsanft ließ ich meine Tasche auf den Boden fallen und setzte mich auf die Mauer am Parkplatz der Lehrer, ich musste mich an den Tag erinnern, an dem Chris, ein paar andere Jungs und ich diese besprayt hatten, es war mein erstes Mal mit ihnen gewesen und seitdem hingen wir in jeder Scheiße zusammen drin, wir sprayten, mehr nicht, und trotzdem fand die Polizei das nicht so schön und jagte uns – aber bekommen würden sie uns niemals. „Hey Charly.“ Lächelnd kam Greg, oder Mister Horan, jetzt wusste ich nicht, wie ich ihn nennen sollte, an und deutete mir, ihm zu seinem Auto zu folgen. „Denise freut sich schon auf dich, und Theo erst recht. Deine Eltern sind einverstanden und der Direktor meint, solange das echt beim Lernen bleibt, sei er damit wirklich einverstanden.“ Da würde mir ein „Nein“ einmal nicht schaden, und da sind alle total begeistert, war ja klar. „Hast du alle Hausaufgaben aufgeschrieben?“ Seh ich so aus, als ob ich sowas tun würde? „Nö, wie der Direktor bestimmt gesagt hat, ich mach seit knapp zwei Jahren keine Hausaufgaben mehr, und ich hatte auch nicht vor, damit jetzt wieder anzufangen.“ Wieder erntete ich einen fassungslosen Blick und zuckte nur mit den Schultern. „Ist einfacher, und irgendwie komm ich ja doch durch, also wozu? Ohne hab ich doch viel mehr Freiheit und mach mir weniger Stress, ist also gut für das arme, sonst so belastete Herz.“ Meine Tasche schmiss ich auf die Rückbank, bevor ich mich auf den Beifahrersitz setzte.

Die ganze Fahrt lang über schwiegen wir, was für mich absolut gar kein Problem darstellte, ich fand es um ehrlich zu sein sogar gut, denn so konnte ich mich auf die Landschaft konzentrieren, vielleicht würde ich ja flüchten müssen, und dafür war es wichtig, zu wissen, wohin man am besten rannte – bevor man planlos durch die Gegend lief und auf Hilfe angewiesen war. Manchmal stellte er etwas beim Radio ein, doch ich hörte sowieso nicht zu, meine Gedanken waren irgendwie bei der Person, an die ich am wenigsten denken wollte, gelandet, und ich konnte es einfach nicht ändern, egal, was ich sah, es erinnerte mich an diese, es war einfach nur schrecklich. Noch immer schweigend parkte er den Wagen und nahm ganz selbstverständlich meine Tasche mit, sodass ich die wenigen Sekunden nutzen konnte, um mich umzusehen, die Gegend war doch schon ganz schön schick, die Häuser schienen angemessen groß zu sein und nicht wie bei mir, eine Villa für 10 Personen für schlappe 3 und das Nebenhaus mit einer Kapazität von 20 Angestellten war mit gerade einmal 6 bewohnt. „Kommst du, Charly, das Essen wird kalt.“ Mir war nicht aufgefallen, dass er bereits die Tür aufgeschlossen hatte und mich erwartungsvoll ansah.

„Eh, klar.“ Etwas zögernd ging ich ihm hinterher, und mein Hirn rebellierte, denn ich wollte hier nicht hin, ich wollte mich noch den ganzen Tag irgendwo rumschleichen und am Abend dann erklären, ich hätte so viel gelernt, dass ich vergessen hätte, ihnen Bescheid zu sagen. „Wir sind da, Schatz!“ Die beiden Taschen wurden achtlos neben die Garderobe geschmissen und ich stellte meine Schuhe einfach mal neben seine – zuhause musste ich gar nichts selbst machen, selbst sowas wie das Bad nach dem Duschen sauber machen oder die dreckige Wäsche raussuchen wurde übernommen, ich fand es selbst übertrieben, aber widersprechen wollte ich nicht, ich hatte schon eigentlichen genug Hausarrest. „Bin in der Küche, Honey!“ Doch bevor er oder ich überhaupt dorthin gehen konnten, kam Theo auf einem Bobby – Car angerast und bremste irgendwie knapp vor uns ab. „Daddy! Charly!“ Bei ihm machte ich mir gar nicht erst die Mühe, zu erklären, dass ich eigentlich Charlotte hieß, und grinste ihn an, es musste ja nicht gleich jeder wissen, dass ich mich unwohl fühlte. Überschwänglich umarmte er mich und Greg neben mich lachte auf. „Lass ihr doch erst mal etwas Zeit, Großer, wie war denn der Kindergarten heute?“ Sofort ließ er mich los und fing aufgeregt an zu erzählen, was heute alles anders war als sonst, und plötzlich fühlte ich mich gar nicht mehr so unwohl, er hatte das, was ich mir immer gewünscht hatte, nämlich Eltern, die für einen da waren, wenn man von der Schule kam und einen erst einmal den ganzen Frust und die spannenden Geschehnisse erzählen ließen, bei mir war es immer ein Au – Pair gewesen, mit welcher ich mich nicht mal wirklich verständigen gekonnt hatte. „Und dann hab ich gesagt: „Aber mein Daddy ist stärker, und Ondel Niall auch.“.“ Erschrocken zuckte ich bei dem Namen zusammen. Verdammte scheiße.

„Alles gut?“, flüsterte Greg mir zu, da sein Sohn gerade durch unsere Beine raste und schwach nickte. „Ja, ich hab nur nicht damit gerechnet, dass du weißt schon wer erwähnt wird, das war alles.“ Er hatte mich gebeten, ihn außerhalb der Schule bitte zu dutzen, immerhin sei ich ja ein Teil seiner Kindheit gewesen, und da würde er sich nur alt fühlen. „Ihr müsst darüber reden, das weißt du, oder?“ Energisch schüttelte ich den Kopf, er hatte seine Band und ich meine Gang, es gab keinen Grund, mit ihm zureden. „Essen ist fertig!“, rief Denise und ich war dankbar dafür, denn so musste ich mich zumindest jetzt nicht rechtfertigen. „Du bist so groß geworden, Charly, und so hübsch.“ Schwärmend sah sie mich an, und Greg gab mir erst mal ein kleinere Portion Spagetti, schon allein beim Anblick dieser fing mein Magen an zu streiken. „Das mit dem größer werden bleibt nicht aus, und das andere liegt im Auge des Betrachters.“ Doch ich wusste, dass er nicht aufgeben würde, bis ich die ganze Portion aufgegessen hatte, weshalb ich langsam mit dem Essen anfing – allerdings war ich schon nach wenigen Bissen wirklich satt, jedoch stopfte ich die restlichen rein, jetzt wollte ich ihn auch nicht enttäuschen, dass würde ich früh genug tun, wenn ich einfach nicht mehr schaffen würde. „Und, wie läuft es bei dir zuhause?“ Neugierg sahen mich beide an, ich zuckt aber nur mit den Schultern. „Es ist momentan etwas stressig, ein ziemlich wichtiger Auftrag ist verschollen.“

No Control [Book 1/1D FF]Where stories live. Discover now