Kapitel 8

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Ich stehe auf dem Trümmerfeld, das einst der Hof von Hogwarts war. Der Kampf ist vorbei. Voldemort ist tot. Es waren einige der schlimmsten Stunden meines Lebens, denn Fakt ist, dass ich zum ersten Mal im Leben Dracos Feind war. Viele Leute sind gestorben und noch mehr Leute trauern, aber gleichzeitig spürt man, dass die Erleichterung in der Luft hängt. Wir können in eine bessere Zukunft blicken. Jedenfalls können das alle anderen. Ich sehe keine gute Zukunft, wenn Draco nicht darin vorkommt.
Ginny steht neben mir und drückt meine Hand. Für einen Augenblick hat sie Harry losgelassen und ich kann es ihr nicht verübeln, dass sie ihm seit einer Weile nicht mehr von der Seite gewichen ist. Wenn Draco hier wäre... aber das ist er nicht. Seine Eltern haben ihn quasi mit sich geschleppt, als der Kampf von vorn losging. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, aber irgendwie bin ich froh, dass es ihm halbwegs gut zu gehen scheint. Und dass er nicht länger für die falsche Seite gekämpft, sondern einfach gar nicht gekämpft hat.
„Jetzt fängt ein neues Leben an", murmelt Ginny und lächelt ein wenig. „Für uns alle."
Ich zucke mit den Schultern. „Einen Versuch ist es ja wert."
Ihr Blick wird mitleidig. „Nach all dieser Zeit?"
Tränen steigen in meine Augen und ich kann nur heftig nicken. Es hat sich nichts geändert. Er hat mich von sich gestoßen, mein Herz mehrfach zu Konfetti verarbeitet, seine 'Freunde' haben mich Todesqualen unterzogen und ich liebe ihn. Mit jedem Tag ein wenig mehr, auch wenn er nicht an meiner Seite ist.
Aber ich zwinge mich in den nächsten unzähligen Monaten dazu, auch ohne Draco etwas aus meinem Leben zu machen. Ich habe mir, mit Hilfe meiner Eltern, nach meinem Abschluss ein Loft in London gekauft, ein wenig außerhalb, aber gut angebunden. Ich arbeite im Ministerium, in der Abteilung für magische Unfälle und Katastrophen, ich bin ein Vergissmich. Es ist eine nette, ruhige Arbeit und ich verdiene trotzdem ziemlich gut. Um meinen Chef zu zitieren, gehöre ich zu den 'Leuten, die dafür sorgen, dass unser Geheimnis nicht auffliegt; Personen, die der Dreh- und Angelpunkt unserer magischen Existenz sind.'
Meinen Bürokram habe ich heute im Handumdrehen erledigt und kehre ziemlich früh nach Hause zurück, wo ich mich ganz schön langweile und alle möglichen Dinge mache, die unnötig sind, mich aber von trübseligen Gedanken über gewisse Personen abhalten. Ich habe gerade mein Bett neu bezogen, da werde ich zu einem Einsatz gerufen. Eine ältere Dame behauptet, sie habe etwas Gnomartiges gesehen. Das glaubt ihr zwar so schnell niemand, aber sie lügt nicht. Die Gnome sind ziemlich oft in London unterwegs und verwirren unsere Mitmenschen, die von der magischen Welt, begründet, keine Ahnung haben.
Ich mache mich also auf den Weg und stehe wenig später vor einem kleinen gemütlichen Häuschen. Schnell streiche ich meine anthrazitfarbene Bluse glatt, dann klingle ich bei der Dame.
Sie öffnet mir umgehend die Tür. „Sind Sie hier, um sich um diesen Gnom zu kümmern? Keiner will mir glauben!"
Ich lege den Kopf schief und lächle. „Nein, Madam. Ich bin hier, um Ihre Aussage aufzunehmen, damit wir daran arbeiten können. Dürfte ich wohl hereinkommen?"
Heftig nickt sie. „Ja, kommen Sie!"
Kaum ist die Tür ins Schloss gefallen, habe ich auch schon den Zauberstab gezückt und ihre Erinnerungen an das magische Wesen gelöscht. Dann bin ich auch schon wieder verschwunden und appariere ins Ministerium, wo ich den Fall zu den Akten gebe.
„Gibt's sonst noch was, Carl?", frage ich meinen Chef, wenn ich schon mal hier bin.
Er schüttelt den Kopf. „Nein. Aber danke, Valerie. Du bist immer sofort zur Stelle, wenn es nötig ist. Ich melde mich, wenn es etwas gibt."
Ich nicke. Ich will nicht direkt wieder nach Hause. Manchmal fällt mir dort die Decke auf den Kopf, weil ich alleine bin und nicht viel zu tun habe. Dann kommen all diese Gedanken und Gefühle wieder hoch, die ich sonst immer gut unter Verschluss halte. Nur nachts lasse ich es manchmal zu, dass sie sich wieder an die Oberfläche drängen. Weil ich diese Gefühle, diesen Schmerz, brauche, um mich daran zu erinnern, dass ich lebe und dass ich daraus vielleicht eines Tages noch etwas Gutes machen kann. Nach all dieser Zeit habe ich seinen Ring nicht eine einzige Sekunde abgelegt, nicht zum Duschen, nicht zum Schlafen. Nie. Noch heute bilde ich mir manchmal ein, seine Silhouette in einer Menschenmasse zu sehen. Verrückt, was das Gehirn alles fabriziert.
Also streife ich ziellos durch London und hole mir einen Kaffee. Der hat sich zu einem meiner Lieblingsgetränke entwickelt.
Ich laufe über einen großen, ziemlich gefüllten Platz und sehe plötzlich diese grauen Augen. Für einen kurzen Moment stoppt mein Herz, doch dann schlägt es traurig weiter. Ich habe mir das schon oft eingebildet und es ist definitiv nicht gesund. Ich frage mich, ob ich jemals über ihn hinweg komme. Ob ich jemals ohne ihn leben kann. Ob eines Tages der Zeitpunkt gekommen ist, an dem sich dieses klaffende Loch in meinem Leben wieder schließt.
Nachdem ich geblinzelt habe und noch einmal hinsehe, sind diese Augen noch immer da. Jetzt rast mein Herz langsam, fast so, als würde es sich gar nicht trauen, richtig auszurasten.
Ich kämpfe mir vorsichtig meinen Weg durch die Menschengruppe hindurch und schließlich stehe ich vor ihm. London um uns herum pulsiert, es lebt, es rast. Tausende Menschen strömen an uns vorbei, drängeln und schubsen, ignorieren einander und verpassen vielleicht gerade die Chance, aus dem Rest ihres Lebens etwas ganz Großes zu machen.
Sprachlos starre ich zu ihm auf. Kein Zweifel, es ist Draco. Er sieht ein wenig gesünder aus als damals, aber noch lange nicht so vital wie zu dem Zeitpunkt, an dem ich ihn kennengelernt habe.
„Valerie." Seine Stimme ist nur ein Flüstern, aber ich verstehe ihn in dieser lauten, chaotischen Stadt so perfekt, als wären wir hier alleine, als wären wir die letzten Menschen auf der Welt.
Ich brauche mehrere Minuten, bis ich ein klägliches „Hey" herausbringe.
„Ich.. was machst du hier?", frage ich ihn schließlich erstaunt, als ich wieder ein bisschen klarer denken kann.
„Scheinbar genau das Richtige", murmelt er und kommt zögerlich noch einen Schritt auf mich zu. Sanft streicht er über meine Wange, lässt dann aber die Hand sinken, als wäre er sich nicht sicher, ob das in Ordnung ist, ob ich das überhaupt will.
„Hast du Zeit für mich?"
Mit großen Augen starre ich ihn an. Zeit für ihn? Er kann mein ganzes Leben haben, wenn er es gerne hätte.
Ich nicke mechanisch. „Wir können zu mir gehen."
Ein kleines Lächeln schleicht sich auf Dracos Züge und mein Herz blüht ein wenig auf. Ich habe ihn so sehr vermisst und es ist noch nicht so richtig in meinem Gehirn angekommen, dass er in Fleisch und Blut vor mir steht, mitten in London.
Einige Sekunden später sitzen wir in meinem Wohnzimmer nebeneinander auf der Couch und ich starre ihn immer noch an, als wäre er ein Drache. Oder so.
Schließlich platzt es aus mir heraus: „Ich habe dich so sehr vermisst."
Seine Augen weiten sich. Er sieht erstaunt und überrascht, aber auch erleichtert aus. „Ich.. das hast du?"
Ich nicke heftig und spüre das Brennen in meinen Augen. „Ich liebe dich, Draco. Weißt du noch? Du hast zu mir gesagt, dass ich nie damit aufhören soll. Manchmal.. kann ich auch mal gehorsam zeigen."
Er lächelt zögerlich. „Du bist unglaublich."
„Ich glaube, das hast du vor einigen Jahren schon einmal zu mir gesagt", sage ich mit einem kleinen Lachen und dann küsst er mich ganz unvermittelt. Hungrig und irgendwie ausgezehrt. Als hätte er es kaum erwarten können.
Schließlich lehnt er seine Stirn an meine. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich dich noch einmal wiedersehe. Und dass du.. mich nicht hasst. Oder vergessen hast."
Ich schüttle heftig den Kopf. „Niemals."
Sein Blick fällt auf meine Hand und er sieht mich mit einem erstaunten Lächeln an. „Du trägst den Ring immer noch?"
„Natürlich", murmle ich lächelnd. „Ich habe nie damit aufgehört. Ich habe daran festgehalten, dass etwas Unmögliches funktionieren kann."
„Unglaublich", flüstert er und küsst mich erneut. Ich spüre förmlich, wie sich das Loch in meinem Herzen zusammenzieht, es wird kleiner und kleiner, Draco füllt es mit seiner Anwesenheit und seiner Liebe. Mein Körper erinnert sich zum ersten Mal seit Jahren mit einem guten Gefühl an all das.
Schließlich sieht er mich betrübt an. „Wie, bei Merlins Bart, kannst du mir nach alldem noch in die Augen sehen, ohne mich zu hassen? Du bist wegen mir durch die Hölle gegangen, Val. Ich habe dir alles angetan, was man einem Menschen nur antun kann.. und jetzt sitzen wir hier und eines der ersten Dinge, die du mir sagst, ist, dass du mich liebst. Wie kannst du das sagen?"
„Ganz einfach", sage ich fest. „Weil es so ist. Ich liebe dich, ich habe dich die ganze Zeit geliebt. Das alles war nicht deine Schuld, auch, wenn du das glaubst. Ich habe immer an das Gute in dir geglaubt, daran, dass da etwas ist, für das es sich zu kämpfen lohnt. Und was macht es schon, durch die Hölle zu gehen, wenn am Ende etwas Gutes wartet? Wenn dort das Beste wartet?"
Wieder schüttelt er den Kopf. Mit einem weiteren 'Du bist unglaublich' küsst er mich. Diesmal langsam und zärtlich, als hätten wir alle Zeit der Welt. Und die haben wir.
Ich ziehe ihn irgendwann von der Couch hoch und hinter mir her in mein Schlafzimmer und ein paar Stunden später ist mein Körper ruhig und meine Seele rehabilitiert.
Draco zieht mich an seine Brust und schließt die Arme fest um mich. Ich atme seinen Duft ein, spüre seinen Herzschlag unter meinen Fingern und es fühlt sich an, als wäre ein Wunder geschehen.
„Ich kann es gar nicht glauben", flüstere ich. „Du bist hier."
„Soll ich dir was noch viel Unglaublicheres sagen?", fragt er und ich höre das Lächeln in seiner Stimme und nicke.
„Ich bleibe. Für immer."
Mein Herz hüpft und ich recke den Kopf um ihn zu küssen. Es gibt viele Dinge, über die wir reden müssen, aber das ist nicht der richtige Zeitpunkt. Der kommt, wenn ich mich vollgesogen habe mit seiner Liebe, seine Anwesenheit, mit der Sicherheit, die er mir gibt.

In Love with Him // Draco Malfoy FanFiktionWhere stories live. Discover now