Ablenkung mit Folgen

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Es ging mir schlecht. Mein Freund hat mich verlassen und mit einmal stand die Welt Kopf bei mir. Drei Tage zuvor hatte er mit einem Mal beschlossen, die Sache mit uns zu beenden, allerdings ohne mir gegenüber klar Stellung zu beziehen. Er hat sich einfach nicht mehr gemeldet, wie ein feiger Idiot. In solchen Zeiten lernt man die Menschen erst richtig kennen. Nichtsdestotrotz ging mein gewöhnlicher Alltag weiter. Ich ging weiterhin zur Schule, um mein Orientierungspraktikum fürs Studium zu absolvieren, nur um danach bis 22 Uhr bei Tegut zu arbeiten. Um nicht allzu viel Aufsehen bei meinen Freunden zu erregen, habe ich auf Snapchat zwar weiterhin geantwortet, allerdings nur mit einem Rundsnap pro Tag. Zu mehr fühlte ich mich einfach nicht in der Lage. Ich öffnete die Snaps nicht mehr, sondern behielt nur noch die Flammen aufrecht, die mir über die Zeit ans Herz gewachsen sind. Einer meiner Snapchat-Bekanntschaften war mein Chef von Tegut. Ein durchtrainierter Typ, dem man ansah, dass er regelmäßig zum Sport ging. Immer mit einem lockeren Spruch auf den Lippen und einem warmherzigen Lächeln im Gesicht. Zwei Haken hatte der Sunnyboy trotzdem: Zum Einen war er 27, außerdem schon seit eineinhalb Jahren in einer Beziehung. Wenn man so darüber nachdachte, war er natürlich noch mein Boss. Und trotzdem freute ich mich auf jede Schicht, die ich mit ihm gemeinsam hatte. Die waren meistens besonders lustig. An dem Tag war mir leider gar nicht zum Lachen. Nach drei Tagen fast komplette Funkstille von meiner Seite aus, waren es seine Snaps, die ich zuerst öffnete. So etwas wie „Hey..antworten ist wohl nicht mehr?" und „Und dann nicht mal antworten." sprang mir förmlich auf meinem Display entgegen. Da ich ihn sowieso am späten Nachmittag bei Tegut wiedergesehen hätte und ich nicht vor versammelter Mannschaft Rede und Antwort stehen wollte, schrieb ich in einer kurzen Nachricht, was vorgefallen war und dass es mir deswegen nicht sonderlich gut erging. Seine Antwort kam promt und er meinte, dass es ihm leidtäte. Mir tut es auch leid, dachte ich nur. Aber es war nichts zu machen. Ich musste zur Arbeit und mich den gegebenenfalls mitleidigen Blicken stellen. Meine Laune war im Keller, als ich auf den Parkplatz fuhr. Ich zog mich um, bürstete meine Haare nochmal durch, steckte mein Namensschild an und verstaute die anderen Sachen wie Kuli, Handschuhe und Messer in meinen Taschen. Der Ablauf ist mit der Zeit schon Routine für mich geworden. Danach schnappte ich mir meine Flasche und ging in den Markt. Meine heutige Aufgabe bestand darin, Gummibärchen von Haribo, die in dieser Woche im Angebot waren, in den Regalen aufzufüllen. Wenn man mich fragt, keine frauenfreundliche Arbeit, weil die Kartons sehr viel schwerer sind, als man denkt. Dazu kam noch die lästige Tegutmusik, die entweder aus Oldies bestand oder extrem traurigen Songs. Vergleichbar mit „Goodbye my Lover" von James Blunt. Wenn man gefühlsmäßig schon stark belastet ist und dann permanent diese traurigen Songs hört, muss man wirklich mit sich kämpfen, nicht in einem Meer aus Tränen auszubrechen. Mit meiner emotionalen Veranlagung konnte ich es leider nicht verhindern, dass mir ständig Tränen runtergelaufen sind. So stand ich dann vor den Süßigkeitenregal, verräumte die Gummibärchen und heulte vor mich hin. Es war zum Verzweifeln. Ich war einerseits traurig und wütend über die Art und Weise, wie wir auseinandergegangen sind und andererseits war ich so verletzt und fühlte mich komplett hilflos. In diesem Moment hat mein Leben kurzzeitig mal keinen Sinn mehr ergeben. Ich wusste nicht weiter und hatte auch keine Kraft mehr, mir darüber irgendwelche Gedanken zu machen. Nachts versuchte ich immer, die Gedanken daran zu verdrängen. Das klappte größtenteils auch ganz gut. Aber in dieser Atmosphäre gekoppelt mit der endlos traurigen Musik, war es schier unmöglich, an etwas Anderes zu denken. In Gedanken versunken, suchte ich eine Sorte und stand eine Weile reglos vor dem Regal. Mit einem Mal sehe ich etwas Oranges zu meiner linken Seite. Natürlich musste mein Chef diesen Augenblick nutzen, um an meinem Gang vorbeizugehen. Schnell versuchte ich, mir unauffällig die Tränen wegzuwischen und nahm seine Hilfe dankend an, als er mir zeigte, wo ich den Karton ins Regal stellen sollte. Zu meinem Gesicht hat er nichts weitergesagt, worüber ich mehr als dankbar war. Mir haben die Blicke der Kunden schon gereicht. Nach meiner Schicht, die an diesem Tag endlos wirkte, war ich froh, mich endlich auf den Weg nach Hause machen zu dürfen. Es war halb 11. Ich lag in meinem Bett mit einem Kopf, in dem tausende Gedanken gleichzeitig kreisten. Nebenbei snappte ich mit meinem Chef, der mir seine mitfühlende Seite zeigte, die ich bis dahin noch gar nicht kannte. Aber im Grunde hatte ich gar keine Lust auf sein Mitgefühl. Allerdings hatte er diese Schicht mit mir und meiner abgrundtief schlechten Laune durchgehalten, ohne groß Kommentare von sich zu geben. Und irgendwie nagte dann auch ein schlechtes Gewissen in mir. Also entschied ich mich dazu, ihm eine Entschuldigung für mein Verhalten zu schreiben und bekam als Antwort:

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⏰ Last updated: Jan 28, 2020 ⏰

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