1. Kapitel

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- Was du hast können viele haben.
Doch was du bist, kann keiner sein -
(unbekannt)

Vor *knarr*, Zurück *knarr*, Vor *knarr*, Zurück *knarr*
Das beruhigende Schwingen der Schaukel ließ Tristana's Herzschlag verlangsamen und sie atmete einmal tief durch. Ihre Hände fuhren über die angerosteten Ringe der Kette, welche die ausgediente Schaukel am Balken hängen ließ und das vertraute Geräusch der knarrenden Heringe weckte alte Erinnerungen und sie seufzte laut auf. Die Nachricht über die Trennung ihrer Eltern war nicht einmal das Schlimmste an diesem Tag. Ihre beste Freundin hatte hinter ihrem Rücken mit ihrem Freund rum gemacht, pardon ihre Ex-Beste-Freundin und ihr Ex-Freund. Außerdem musste sie mit erschrecken feststellen, dass sie die letzte Aufgabe der Matheklausur nicht bearbeiten konnte. Ja, manchmal sollte sie ihre Prioritäten überdenken und in Anbetracht des großen Scheißhaufen der daheim vor sich hin dampfte, war die versaute Matheklausur ihr geringstes Problem. Den Head-Shot ins Knie hatte ihr jedoch ihr großer Bruder verpasst.

Er wusste seit Wochen, dass Mum ihren Dad betrog, mit ihrem Spanischlehrer und hatte kein Wort gesagt. „Ich will dich nur beschützen", äffte sie Christopher nach. Sie hatte die ganze Zeit die rosa-rote Brille getragen und ihr ach so lieber Bruder hat sie blindlings gegen die Wand laufen lassen. Um der ganzen Situation noch die Krone aufzusetzen, wurde ihr mitgeteilt, dass sie sich zwischen Wohnen bei Mutter und Wohnen bei Vater entscheiden musste. In 2 Tagen sollte der Umzug stattfinden, von beiden. Das gemeinsame Haus soll verkauft und die Summe fair geteilt werden. Die Schaukel im Garten wurde langsamer und Tristana schubste sie gekonnt wieder an. In diesem Garten hatte sie ihre Kindheit verbracht, hier hatte sie ihren ersten Kuss bekommen und ihren Bruder beim Kiffen erwischt. Alles war perfekt gewesen, sie hatte einen süßen Freund gehabt, eine beste Freundin, gute Noten und eine glückliche Familie. Sie verfluchte den Satz: "Wir müssen reden", dieser hatte ihr heute dreimal den Tag versaut. Einen Freitag. Hätte keiner von diesen Intelligenzallergikern bis Montag warten können? Montage waren von Grund auf beschissen. Somit war ihr ganzes Wochenende im Eimer und sie hatte gewaltig Lust ihre miese Stimmung in Alkohol zu ertränken.

Entschlossen stand Tristana von der Schaukel auf und verabschiedete sich von ihr. Sie musste ihren Lieblingsort zurücklassen und auch den Rest ihres alten Lebens. Ihr Englischlehrer würde jetzt sagen:"Tristana you have to wake up and smell the coffee" - sie musste den Tatsachen ins Auge sehen. Innerlich erstellte sie eine To-do-Liste, ein Tick den sie entwickelt hatte, um nicht im Strudel ihrer Gedanken zu versinken. Als Erstes würde sie alle Pro und Contras der zu verfügbaren Wohnstätten aufstellen und anfangen ihre Habseligkeiten zusammenzupacken. Bei ihrer ehemaligen besten Freundin würde sie sich nicht verabschieden. Ein schmerzhafter Stich in der Herzgegend machte sich bemerkbar, als sie an Caitlyn dachte. Was hatte sie ihrer besten Freundin getan, damit sie ihr so in den Rücken fällt? Auch das musste sie hinter sich lassen und keine Gedanken daran verschwenden. Verrat hatte es nicht verdient beachtet zu werden.

„Was hat dir denn das Gras getan?", ertönte Christopher's Stimme neben ihr. Verwirrt hob Tristana den Kopf und bemerkte, dass sie mit ihrem Fuß das Gras vor der Schaukel vergewaltigte. „Stell mir dein Gesicht vor", erwiderte sie tonlos. Ein Muskel an seinem Gesicht zuckte aufgrund ihrer Antwort, doch er schwieg. Christopher wusste, wann man seine Schwester am besten nicht ärgerte. Vor allem wenn sie auf ihn sauer war. „Ich soll dich holen, das Essen ist fertig." Tristana stand wortlos auf und ging ins Haus. Christopher fuhr sich verzweifelt durchs Haar und stiefelte hinterher. Er wusste, dass er es verbockt hatte. Tristana und er hatten sich als Kleinkinder geschworen, keine Geheimnisse voreinander zu haben und dieses Versprechen war Tristana heilig. Er hatte es gebrochen und die Suppe die er sich eingebrockt hatte, musste er auch selbst wieder auslöffeln.

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